Als der Schiedsrichter nach Videobeweis in der 86. Spielminute auf den Elfmeterpunkt zeigte, war die Stunde des Verrückten gekommen.
Berthold hilft Italiens Sensation
Der 35 Jahre alte Giampaolo Pazzini, genannt Il Pazzo (dt.: der Verrückte), verwandelte den Strafstoß eiskalt und schoss Hellas Verona damit zum 2:1-Überraschungssieg gegen das sonst so übermächtige Juventus.
Der Aufsteiger steht nun auf Rang sechs und hat beste Chancen auf den Einzug ins internationale Geschäft.
Einer, der die Entwicklung bei Hellas genau verfolgt, ist Thomas Berthold, der von 1987 bis 1989 in Verona spielte. "Der Trainer Ivan Juric und die Mannschaft mit den Neuzugängen formen eine Einheit. Das ist sagenhaft", lobt der Weltmeister von 1990 im Gespräch mit SPORT1.
Berthold ist aktuell mit Partnern aus New York und London am geplanten Stadion-Neubau von Verona beteiligt. "Der Stadtrat hat jetzt für unser Projekt gestimmt. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Wir sind diejenigen, die den 'Final Call' erhalten haben und mit Hellas Verona eine Vereinbarung haben", erklärt er.
Theoretisch könne zwar ein anderer Bieter das gleiche Projekt günstiger anbieten und dadurch den Zuschlag erhalten, "doch da das Verfahren nur vier Monate läuft ist sowas nicht darstellbar", sagt Berthold. Bereits 2022 soll das neue Stadion fertiggestellt werden.
Veronas aktuelles Stadion gleicht einer Ruine
Das Stadio Marcantonio Bentegodi, Veronas aktuelle Spielstätte, ist in die Jahre gekommen und gleicht mehr einer Ruine als einer Arena.
"Wir sind in engem Austausch mit Hellas und wissen um die Problematik des Stadions, das ja gar nicht mehr zugelassen ist für den Spielbetrieb. Der Liga-Verband hat jetzt noch einmal provisorisch verlängert, denn sie wissen, es passiert etwas. Einige Bereiche sind aus statischen Gründen bereits gesperrt worden", schildert der frühere Abwehrspieler die dringlichen Probleme bei Hellas.
So könnte beim derzeitigen Erfolg das Stadion zum Bumerang werden. "Sollte Hellas international spielen in der kommenden Saison, werden sie mit der UEFA ein Problem kriegen, weil die ihnen keine Spiellizenz für das Stadion erteilen wird", ist sich Berthold sicher. In einem Ausweichstadion würde Hellas, das sich die Spielstätte mit Stadtrivale Chievo teilt, nicht die gleiche Fan-Unterstützung bekommen.
Auch aus sportlicher Sicht käme für den 55-Jährigen ein Einzug in den internationalen Wettbewerb "zu schnell". Berthold erklärt: "Wenn die Rückrunde so weitergeht und sie sich tatsächlich für das internationale Geschäft qualifizieren, bin ich mir sicher, dass der eine oder andere Spieler noch zusätzlich gehen wird." Aus der Sicht des Deutschen könne Hellas bei einem Angebot von anderen Klubs "wohl keinen Spieler halten und müsste dann wieder nahezu bei Null anfangen in der kommenden Saison".
Bereits jetzt ist klar, dass Hellas "im Sommer mit Sofyan Amrabatt, der für 20 Millionen Euro zum AC Florenz geht und mit Amir Rrahmani, der für 25 Millionen Euro zu SSC Neapel geht, zwei wichtige Spieler verliert", berichtet Berthold.
Berthold erklärt Erfolg von Hellas
Für den Höhenflug des Serie-A-Aufsteigers hat der ehemalige Italien-Profi eine simple Erklärung parat. "Als Team zeichnet sie ihre kompakte und defensivstarke Spielweise aus, zurzeit passt aber eigentlich alles. Jeder läuft für jeden und ist bereit, Extra-Wege zu gehen."
Für Berthold ist es "erstaunlich, dass die relativ neu zusammengestellte Mannschaft in kurzer Zeit so erfolgreich Fußball spielt."
Langfristig sieht Berthold Hellas eindeutig auf einem guten Weg: "Mit der neuen Arena haben sie dann noch einen Trumpf mehr in der Hand, denn außer Juventus und Udinese Calcio kann dies in Italien kein Klub bieten."
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Ligakonkurrent als Vorbild
Um nicht als Eintagsfliege zu gelten, sollte sich Hellas laut Berthold einen Ligakonkurrenten zum Vorbild nehmen: "Ein Modell wie bei Atalanta Bergamo, die viel auf ihre Jugendarbeit setzen, immer wieder gute Spieler aus unbekannteren Ligen scouten, und ein eigenes kleines Stadion haben, könnte für Hellas aus meiner Sicht auch erfolgversprechend sein."
Bergamo steht derzeit auf Rang vier in der Serie A und hat die K.o.-Runde in der Champions League erreicht.
Gegen eine Champions-League-Teilnahme würde sich Hellas künftig sicherlich nicht wehren. Bestenfalls im neuen Stadion. Daran würde auch Berthold seine Freude haben.