Home>Leichtathletik>

Leichtathletik-EM: Türkei feiert Erfolge mit eingebürgerten Athleten

Leichtathletik>

Leichtathletik-EM: Türkei feiert Erfolge mit eingebürgerten Athleten

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Wie die Türkei ihre Siege ertrickst

Bei der Leichtathletik-EM sorgt die Türkei mit eingebürgerten Athleten für Verärgerung. Während DLV-Läufer Benedikt Huber ein Umdenken fordert, bleibt ein Coach entspannt.
Ramil Guliyev.jpg
© SPORT1-Grafik: Getty Images/ iStock
Johannes Fischer
Johannes Fischer

Was haben Jak Harvey, Yasmany Copello Escobar und Ramil Guliyev gemeinsam? Sie alle haben bei der Leichtahletik-EM in Berlin eine Medaille gewonnen - und sie starten für die Türkei.

{ "placeholderType": "MREC" }

In Wahrheit hat das Trio mit dem Land am Bosporus allerdings genau so viel zu tun, wie ein finnischer Holzfäller mit Andorra – nämlich gar nichts.

Harvey, Dritter über 100 Meter, stammt ursprünglich aus Jamaika und firmierte einst als Jacques Montgomery Harvey. Copello Escobar, Silbermedaillengewinner über die 400 Meter Hürden, sammelte früher Meriten für Kuba. Und Guliyev, der auf der 200-Meter-Strecke den Titel gewann, lief einst für sein Geburtsland Aserbaidschan.

Seit Jahren versucht der türkische Leichtathletik-Verband, Spitzenathleten anderer Nationen für die Einbürgerung zu begeistern. Durchaus mit Erfolg.

{ "placeholderType": "MREC" }

Neben den drei bisherigen Medaillengewinnern gehen am Samstag mit Kaan Kigen Özbilen (früher: Mike Kipruto Kigen) und Arikan Kolat Kemboi zwei Kenianer über 5000 Meter durchaus ambitioniert an den Start. Bei den Frauen verpasste Yasemine Can (früher: Vivian Jemutai) über 10.000 Meter einen Podestplatz nur knapp. (Die Leichtathletik-WM täglich im LIVETICKER)

Lesen Sie auch
Schönheiten der European Championships
ATHLETICS-EUR-INDOOR
24th European Athletics Championships - Day One
+38
Die Schönheiten der European Championships und Leichtathletik-EM 2018

Can, Doppel-Europameisterin 2016 in Amsterdam, dürfte auch am Sonntag eine der Konkurrentinnen der deutschen Lauf-Hoffnung Konstanze Klosterhalfen über die 5000 Meter sein - doch ihr Trainer wiegelt ab. "Das spielt keine Rolle für uns. Das ist einfach so, wir leben in einer globalisierten Welt", sagt Sebastian Weiß SPORT1.

Huber fordert Umdenken beim Verband

Darum will Weiß bei den Gegnerinnen keine Unterschiede machen. "Für uns sind alle gleich. Unabhängig davon, wie die Situation zustande kommt - ob sie in anderen Ländern groß werden oder eingebürgert werden."

Eine gänzlich andere Meinung dazu hat der deutsche 800-Meter-Läufer Benedikt Huber, der sich vor allem über die laxen Regeln der IAAF aufregt. "Nach einer Wechselfrist von zwei Jahren darf man schon wieder starten, das finde ich absolut falsch", kritisiert der 28-jährige Bayer bei SPORT1.

{ "placeholderType": "MREC" }

"Wenn man sich das 10.000-Meter-Finale der EM 2016 in Amsterdam anschaut, wo zwei Kenianer vorne waren (die von der Türkei eingebürgerten Arikan Kolat Kemboi und Ali Kaya, d.R.), dann passt das nicht zu einer Europameisterschaft."

Für Huber ist klar, dass sich schleunigst etwas ändern muss. "Ich glaube, dass die meisten dagegen sind und verstehe es nicht, dass sie die Regeln nicht verschärfen. Wenn man die Wechselfrist auf sechs oder acht Jahre erhöhen würde, dann gäbe es bestimmt nicht mehr so viele Einbürgerungen."

Reh kritisiert Konkurrentinnen

Alina Reh, die über 10.000 Meter als Vierte ins Ziel lief, übte nach ihrem Rennen ebenfalls Kritik an den afrikanisch-stämmigen Läuferinnen und deren Verbänden.

"Am Start stehen mehrere Kenianerinnen und man fragt sich: Warum bist du hier und nicht bei einer WM?", sagte die 21-Jährige laut der schwedischen Zeitung Sport

Einen Tag später relativierte Reh in der Schwäbischen Zeitung allerdings ihre Aussagen. "Jeder Verband hat das Recht, selbst zu entscheiden, wen er laufen lässt. Ich kann das nicht ändern."

Leichtathletik-EM: Arthur Abele siegt im Zehnkampf nach vielen Rückschlägen
01:37
"Traum wird wahr!" König Abele gewinnt Zehnkampf-Gold

"Ich finde das schrecklich"

"Ich kann Alina verstehen", sagt ihre Langstrecken-Kollegin Sabrina Mockenhaupt bei SPORT1.

Die 37-Jährige, die sich am Ende ihrer Karriere nicht mehr für die EM in Berlin qualifizieren konnte, befürchtet sogar, dass künftig noch mehr Athleten einen Verbandswechsel anstreben werden: "Das wirst du nicht mehr verhindern können, das wird glaube ich noch schlimmer."

Einbürgerungen gibt es längst auch in anderen Verbänden, da macht der DLV keine Ausnahme. So stehen mit Homiyu Tesfaye und Amanal Petros auch zwei Läufer im deutschen Kader, die vor geraumer Zeit als Flüchtlinge ins Land kamen - und das ist der Unterschied.

"Klar, wenn man Flüchtling ist, oder es wirklich einen Grund für eine Einbürgerung gibt, dann ist das eine andere Sache", sagt Huber.

So aber kaufen Verbände mit einem Bündel Geld ein Stückchen Ruhm für die Nation ein. "Ich finde das schrecklich", empfindet Petros das Vorgehen der Türkei. "Das hat mit Integration nichts zu tun."

Insgesamt stehen 13 Athleten im türkischen Kader, die ursprünglich aus dem Ausland stammen. Sie alleine dürften dafür verantwortlich sein, dass die Türkei am Ende der Europameisterschaft im Medaillenspiegel unter den Top-10-Nationen zu finden sein wird.

+46
Die Schönheiten der Leichtathletik-WM 2017

Eine solche "Shopping-Tour" ist aber kein rein türkisches Phänomen. Bei der Handball-Weltmeisterschaft 2015 in Katar kauften sich die Funktionäre der Gastgeber ein Weltklasse-Team zusammen, das am Ende Vize-Weltmeister wurde. Auch Katars Nachbarstaat Bahrain pumpte schon einige Petrodollar in die Akquise von Spitzenathleten.

Gutes Geld für gute Athleten

Dass es für die abgebenden Verbände durchaus lohnend ist, den einen oder anderen Spitzen-Athleten ziehen zu lassen, ist ein offenes Geheimnis. Vor allem der kenianische Verband, der aus einer Unmenge von Top-Talenten schöpfen kann, besserte in der Vergangenheit seinen Etat damit deutlich auf.

Dass derlei Zukäufe in vielen europäischen Ländern allerdings für Unmut sorgen, liegt auf der Hand - schließlich gehen damit potenzielle Medaillen flöten.     

"Wir wollen nicht, dass Nationalitätenwechsel zum Wirtschaftsgut wird", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop bereits 2016, nachdem die Türkei bei der EM in Amsterdam mit zwölf Mal Edelmetall auf Platz 4 des Medaillenspiegels gelandet war.

Mittlerweile hat der Weltverband IAAF eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um den inflationären Nationenwechsel einzudämmen. Immerhin: Ganz so einfach scheint es derzeit nicht mehr zu sein, die Landesfarben zu wechseln.

Von Seiten des türkischen Verbands wollte sich in Berlin niemand äußern. "Das Thema ist für uns durch", sagte ein Teamsprecher der Berliner Morgenpost.