Bernardo Laureiro hatte gerade Diriangen FC mit zwei Treffern zum 2:0 über Deportivo Ocotal geschossen, doch sein Gewissen quälte ihn.
Ein ganzes Land in der Coronafalle
Vielsagend twitterte der Stürmer deshalb das wachrüttelnde Foto mit seiner Mannschaft vor dem Anpfiff: elf Fußballer des nicaraguanischen Erstligisten auf ungewöhnlicher Distanz zueinander, zehn von ihnen mit Schutzmasken. Über dem Bild nur ein Wort: "Perdon." Vergebung.
Es war Spiel eins nach der kontroversen Entscheidung, die Meisterschaft in dem zentralamerikanischen Land fortzusetzen. Obwohl zwei Tage zuvor, am 18. März, die Regierung des seit 2007 am Amt festklebenden Präsidenten Daniel Ortega den ersten Coronafall öffentlich gemacht hatte.
Präsident Ortega leugnet Krisen
Doch der 74-Jährige, einst Guerillaführer, heute selbst als autoritärer Herrscher verschrien und von Umsturzbestrebungen unter Druck gesetzt, will von Quarantäne nichts wissen. Auch nichts von sozialen und wirtschaftlichen Krisen in seinem Reich.
Und so läuft der Unterricht in den Schulen weiter, bleiben Geschäfte geöffnet, ziehen Stadtfeste und Strände die Menschen im Streifen zwischen Atlantik und Pazifik an.
Die Liga Primera soll hinter verschlossenen Stadiontoren bis zu den Finals im Mai fortgesetzt werden. Im Nationalsport Baseball hat die Saison für die Amateure gerade begonnen. Die 17 besten Boxklubs des Landes suchen derzeit auch ihren neuen Meister.
Klare Mehrheit für Liga-Fortsetzung
Auch Laureiro geht als Angestellter weiter seiner Arbeit nach. "Unser Team hatte entschieden, nicht mehr zu spielen, aber bei der Abstimmung unter den zehn Erstligisten haben wir mit 1:9 verloren", berichtet der Uruguayer im Telefoninterview mit der heimischen Zeitung El Observador.
Immerhin stellte es Diriangen FC seinen Spielern frei, weiterzumachen. "Zwei sind gegangen, aber einer ist zurückgekommen", sagte der 28-Jährige. Er selbst wollte auch zunächst die Isolation wählen. "Aber wenn der Klub mich entlässt, gibt es kein Arbeitslosengeld. Und wenn ich kein Einkommen habe, was gebe ich meinem Jungen zu essen?", fragt der Vater des vierjährigen Valentino.
Zum Training oder zum Spiel kommt Laureiro schon fertig gekleidet, er nimmt in der Kabine nicht einmal ein Bad. Zu Hause kommen die Klamotten direkt in die Wäsche. "Aber wenn wir spielen? Fußball ist ein Kontaktsport, und da können wir uns nicht schützen", sagt der Torjäger nachdenklich.
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Baseball-Spieler wegen Protest ein Jahr gesperrt
Zu Wochenanfang sprach die Regierung von sechs Coronafällen mit einem Toten. Geschönt wirkende Zahlen, die jetzt die panamerikanische Gesundheitsorganisation OPS auf den Plan riefen. "Wir sind besorgt, über den fehlenden Abstand zu anderen Menschen, über die Massenveranstaltungen, über die Corona-Tests, die Behandlung der Kranken, den Report der Fälle", mahnte OPS-Direktorin Carissa Etienne.
Da hatte Robbin Zeledon seinen Baseball-Schläger schon längst in die Ecke gestellt. Das 21 Jahre alte Talent suchte bereits im März vor der Ansteckungsgefahr das Weite und wurde nun für ein Jahr gesperrt.
"Was für ein Mut hat dieser Junge", meldete sich aus dem fernen Miami Nicaraguas Baseball-Legende Dennis Martinez (64) zu Wort und mahnte: "Ohne Zweifel ein Beispiel, dem man folgen sollte."
Ortega ist verschwunden
Dann forderte "El Presidente", der 23 Jahre in der MLB spielte, sich an den Spielerstreik 1994 in der Liga erinnernd: "Man muss jetzt zusammenstehen und für das Recht auf Leben kämpfen."
Komischerweise ist Staatspräsident Ortega seit dem 12. März spurlos verschwunden. Seine Tentakel reichen dennoch weit, bis in die Führungsspitzen der Vereine und Verbände. Und dort glauben sie ihm mehr als der Corona-Gefahr. Noch...