Es kann nur einen geben!
Sind Vettels Tage in Rot gezählt?
Der Stallkrieg im Hause Ferrari hat am Wochenende eine neue Stufe der Eskalation erreicht. Nicht wenige fragen sich: Wie lange kann das noch gut gehen mit Sebastian Vettel und Charles Leclerc?
Dabei hatte sich Ferrari-Teamchef Mattia Binotto alles so schön ausgemalt. Vettel sollte mithilfe des Windschattens von Pole-Setter Leclerc am Start Lewis Hamilton kassieren. Anschließend wollte die Scuderia auf den Plätzen eins und zwei das Rennen entspannt von vorne kontrollieren.
Geplant und besprochen hatten die Roten das bereits am Tag zuvor, als die beiden Fahrer mit der Strategie vertraut gemacht wurden.
Was man bei den Ferrari-Bossen allerdings nicht bedachte: den Ehrgeiz beider Piloten sowie die Unberechenbarkeit eines Rennens. Die Folge: Ein rotes Fiasko und der nächste Zoff der beiden Alphamännchen im Team.
"Vettel hat keine Zukunft mehr bei Ferrari"
"Ferrari hat es geschafft, mit dem schnellsten Auto nicht zu gewinnen. Sie haben Sebastian, obwohl er der schnellste Mann war, geopfert", sagte Red-Bull-Chefberater Helmut Marko nach dem Ferrari-Fiasko zu Auto Bild Motorsport.
Sein deutliches Urteil: "Vettel hat bei Ferrari keine Zukunft mehr, das steht für mich jetzt fest!"
Ferrari greift mit Absprachen ein
Noch am Anfang der Saison hatte die Scuderia die Devise ausgegeben, dass keiner der beiden Fahrer als klare Nummer eins fungiert, auch wenn Vettel hier und da leicht bevorzugt wurde. (Fahrerwertung der Formel 1)
Inzwischen haben sich die Vorzeichen geändert. Obwohl Ferrari längst nicht mehr ernsthaft um die Meisterschaft kämpft, greift das Team bereits vor dem Rennen entscheidend ein, wenn es um die Frage geht, welcher Pilot am Ende weiter vorne platziert sein soll.
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Mit Absprachen dieser Art schafft sich die Scuderia ohne Not einen Krieg im eigenen Stall. (Teamwertung der Formel 1)
Der aufstrebende Leclerc, der in dieser Saison bereits zwei Siege feiern durfte, beansprucht die Rolle als Nummer-1-Fahrer genauso für sich wie Vettel. Der Deutsche ist mit vier WM-Titeln nicht nur einer der erfolgreichsten Fahrer aller Zeiten, sondern hatte in den vergangenen Jahren enormen Anteil daran, die Roten wieder konkurrenzfähig zu machen.
Zwei Top-Fahrer schwer zu managen
Die Unstimmigkeiten in Sotschi sind nicht die ersten in dieser Saison. In Monza wütete Vettel gegen Leclerc, weil dieser ihm im Qualifying nicht den verabredeten Windschatten gegeben hatte - auch die Ferrari-Führung rügte den Monegassen.
In Singapur wiederum war der Jungspund sauer, weil Vettel durch einen früheren Boxenstopp an ihm vorbeigespült wurde. Auch in den Rennen zu Saisonbeginn knirschte es zwischen beiden Piloten gewaltig.
"An der Spitze zwei Fahrer zu managen, die den Anspruch stellen zu gewinnen", ist laut Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff "nicht ganz trivial". "Wir können das nachvollziehen. Sie betreiben jetzt learning by doing", sagte er, angesprochen auf die Ferrari-Streitigkeiten, nach dem Russland-GP.
Mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg versuchte Wolff bei den Silberpfeilen selbst jahrelang zwei Top-Fahrer gleichzeitig zu managen. Erst seitdem Valtteri Bottas als klare Nummer zwei im Cockpit sitzt, ist bei den Silberpfeilen endgültig Ruhe eingekehrt.
Vettel und Leclerc wollen Nr. 1 sein
Daran ist bei Ferrari nicht zu denken.
Die Streitigkeiten sind aber nicht nur aktuell, sondern vor allem im Hinblick auf die nächste Saison problematisch. "Wenn das Verhältnis zwischen Vettel und Leclerc bereits so angespannt ist, wenn es nicht um den WM-Titel geht, was wird nächstes Jahr passieren, sollte Ferrari die Führung übernehmen?", schrieb die italienische Zeitung Corriere della Sera fragend.
Fakt ist, dass der Vertrag des Deutschen erst 2021 ausläuft. Klar ist auch, dass beide Fahrer auch 2020 den Status als Nummer-1-Fahrer für sich beanspruchen werden. Und selbst wenn Ferrari ernsthaft mit Mercedes um den WM-Titel konkurrieren kann, solange sich Vettel und Leclerc gegenseitig die Punkte wegnehmen, lachen am Ende erneut die Silberpfeile.