Gerade erst vom unglaublichen EM-Rausch erholt, geht’s für die EM-Helden des FC Bayern München schon wieder weiter.
"Ich bin 18 Jahre Profi, aber das gab es noch nie"
Wildeste Vorbereitung der Geschichte?
Nur 16 Tage nach dem EM-Finale startet für die Bayern die neue EuroLeague-Saison - und das gleich beim Top-Favoriten Panathinaikos Athen.
Traditionell ist Athen für die Münchener ohnehin schon kein gutes Pflaster, doch in diesem Jahr könnte die Herausforderung knüppeldick werden. Denn der FCBB erlebte eine unglaublich skurrile Vorbereitung.
„Das war mit Abstand die schwerste Preseason, die ich je erlebt habe“, klagte Erfolgstrainer Gordon Herbert vor dem Saisonstart. Und Herbert hat in seiner knapp 30-jährigen Trainerkarriere schon einige besondere Vorbereitungen erlebt.
„Ich bin 18 Jahre Profi, aber das gab es noch nie“
Dass den Vereinen in dieser Phase Teile des Kaders fehlen, ist nicht ungewöhnlich. Doch so einen extremen Aderlass, wie die Bayern ihn in diesem Sommer hatten, gab es zuvor wohl noch nie.
Satte 10 Spieler verpassten große Teile oder sogar die gesamte Vorbereitung. Zwischenzeitlich hatte Herbert nur sechs Profispieler zur Verfügung und musste den Kader mit Jugendspielern und Gastspielern auffüllen.
Das war speziell ein Problem, da sich der Kader einem gewaltigen Umbruch - nur sechs Spieler der vergangenen Saison blieben - stellen muss.
„Dieser Start ist auf jeden Fall einzigartig“, sagte Kapitän Vladimir Lucic vor dem Spiel in Athen: „Ich bin jetzt 18 Jahre Profi, aber dass 80 Prozent des Teams in der Vorbereitung fehlen wegen Nationalteams oder Verletzungen, das gab es noch nie.“
EuroLeague: Experten trauen Bayern wenig zu
Die zahlreichen EM-Teilnehmer und speziell die fünf deutschen Europameister stehen den Bayern erst seit letzter Woche zur Verfügung - zumindest die, die fit in München ankamen.
Denn mit Johannes Voigtmann und Rokas Jokubaitis kamen zwei Schlüsselspieler verletzt von der EM zurück. Der neue litauische Point Guard, der Dreh- und Angelpunkt der Bayern werden sollte, könnte mit seiner Knieverletzung sogar die gesamte Saison fehlen.
Speziell nach dieser Verletzung trauen die Basketball-Experten den Bayern in dieser Saison nur wenig zu. In zahlreichen Power Rankings internationaler und nationaler Basketball-Portale landet der FCBB immer auf den unteren Plätzen.
Einen Kampf um die Playoffs trauen dem Herbert-Team, ähnlich wie übrigens auch schon vor der so erfolgreichen letzten Saison, nur wenige zu.
Bayern-Team trainierte erst zweimal zusammen
Einfach wird der Kampf um die Playoffs ganz sicher nicht. Speziell, weil sich das völlig neu formierte Team in den kommenden Wochen quasi nur in Pflichtspielen finden kann.
„Es wird eine Herausforderung. Wir müssen jetzt versuchen, Chemie aufzubauen in den kommenden Wochen mit den vielen neuen Gesichtern“, erklärte Europameister Oscar da Silva nach dem Auftakt in der Bundesliga am vergangenen Freitag auf SPORT1-Nachfrage.
Ebenfalls speziell: Obwohl die Bayern noch keine zwei Trainingseinheiten mit dem gesamten Kader absolvieren konnten, haben sie das erste Pflichtspiel sogar schon hinter sich. In der BBL besiegte der Meister den Aufsteiger Jena souverän.
Das Spiel gegen den Underdog zeigte aber auch deutlich das aktuelle Dilemma, in dem die Bayern stecken. Neun Leistungsträger standen neben drei Jugendspielern gegen Jena im Spieltags-Kader. Genauso viele Top-Spieler saßen aber auch neben der Bank und konnten nicht eingesetzt werden.
Bayern muss „Mammutaufgabe“ trotzen
Viele Möglichkeiten sich im Training zu finden, hat das Team nicht, auch weil der eh schon volle Terminkalender in dieser Saison noch anspruchsvoller ist.
20 Teams nehmen an der EuroLeague teil. Es warten also alleine 38 Vorrundenspiele. Und auch in der BBL warten wieder 34, statt wie in der letzten Saison 32 Spiele - alleine in der Hauptrunde.
„Wir müssen die Spiele nutzen, um uns zu finden, weil wir so wenig Trainingsmöglichkeiten haben“, erklärte da Silva die Herausforderungen der kommenden Wochen bei SPORT: „So ist das Leben nun mal, wenn man in der EuroLeague und in der Bundesliga spielt.“
Das Duell mit Panathinaikos Athen, das da Silva als „Mammutaufgabe“ beschrieb, ist übrigens nicht das einzige internationale Spiel der Woche. Am Donnerstag wartet mit Roter Stern Belgrad gleich die nächste Herausforderung, dann im heimischen SAP-Garden.
Bayern vor Heimmarathon: Chance oder Gefahr?
Das Duell wird der Start eines wahren Heimspiel-Marathons. Auf die Bayern warten im Oktober alleine in der EuroLeague satte fünf Heimspiele.
Speziell die Heimstärke war in der vergangenen Saison das Faustpfand einer starken Saison. Mit 13 Siegen aus 17 Heimspielen waren die Bayern das zweitbeste Heimteam der Liga.
„Wir wollen natürlich gleich auch unsere Fans mit ins Boot holen. Daheim ist es ja auch immer etwas einfacher sich zu finden“, hofft da Silva erneut auf einen Heim-Push: „Es wäre schön, wenn wir im Oktober so gleich auf einem etwas höheren Niveau spielen könnten, um dann mit Momentum in den November und Dezember zu gehen.“
Allerdings: Findet sich die neu formierte und nicht eingespielte Mannschaft nicht gleich, droht bei einem Fehlstart gleich eine gefährliche Ausgangsposition.
Hainer: „Unser Ziel ist natürlich, in die Playoffs zu kommen“
Denn nach dem Oktober sind bereits ein Viertel der Heimspiele absolviert.
Und speziell in der Fremde tut sich der FCBB in Europa immer schwer. Selbst in der starken vergangenen Saison konnten nur sechs der 17 Auswärtsspiele gewonnen werden. Bei gleich vier Auswärtsspielen im November könnten die EuroLeague-Ambitionen so früh Geschichte sein.
Und die Ambitionen sind weiterhin hoch, wie Präsident Herbert Hainer vor der Saison bekräftigte: „Unser Ziel ist natürlich, in die Playoffs zu kommen.“
Dafür müssen sich die Bayern auch ohne Trainingseinheiten schnell finden. Gelingt dies, kann der FC Bayern erneut viele Experten überraschen - und auch die verrückte Vorbereitung hinter sich lassen.