„Kenan Karaman, würde ich sagen“, antwortete Tobias Mohr im SPORT1-Gespräch auf die Frage, wer laut Aussagen der Fans denn gerade der Mann der Stunde beim FC Schalke 04 sei und grinste dabei verschmitzt. Dass sein Name eigentlich der war, der mit Abstand am häufigsten fiel, wusste er sofort. Immerhin ist der 28-Jährige nach den ersten drei Pflichtspielen der einzige Spieler des Kaders, der in jedem dieser Einsätze mindestens einen Scorerpunkt sammelte.
Eine nicht vorhersehbare Wandlung
Am ersten Zweitliga-Spieltag traf der linke Mittelfeldspieler sehenswert gegen Braunschweig, die Woche darauf bereitete er einen Treffer in Nürnberg vor. Im Pokal gegen Aalen gelangen ihm sogar zwei Torbeteiligungen - das erste legte er vor, das zweite erzielte Mohr gleich selbst. „Ich mache mir wenig Gedanken. Ich habe mich schon in der gesamten Vorbereitung sehr wohl gefühlt und frei aufgespielt“, sagte er. „Nach wie vor läuft es für mich sehr positiv, deswegen werde ich das erstmal so weiter machen.“

Kein Wunder, vollbrachte es Mohr, der 2022 für 1,1 Millionen Euro vom 1. FC Heidenheim in den Ruhrpott wechselt, doch alleine in den drei bisherigen Partien, seine - zugegeben etwas magere - Ausbeute aus der Vorsaison zu übertreffen. Ein einziges Tor und eine Assist holte er da, beide Werte haben sich also bereits verdoppelt. Und die besondere Note daran: Hinter Mohr liegen bewegte Wochen. Er galt ursprünglich Auflaufmodell. Als einer, der bei den Königsblauen gar nicht mehr gebraucht wurde.
„Vor Tobi muss ich den Hut ziehen“
Wie der frühere Kapitän und Torwart Ralf Fährmann, Henning Matriciani, Lino Tempelmann oder Sebastian Polter gehörte auch Mohr zu jenen Protagonisten, die im Zuge der Schalker Radikalkur am Ende der vergangenen Spielzeit aussortiert wurden. „Natürlich war es keine leichte Situation“, blickte er auf die bittere Nachricht zurück. Doch er fand einen Ausweg: Trotz der Maßnahme durfte er an der Vorbereitung teilnehmen - und steckte den Kopf nicht in den Sand.
„Ich habe mir von Anfang an gesagt: ‚Ich gebe einfach Gas.‘ Wir durften weiter mittrainieren. Und die Chance, die mir dadurch eröffnet wurde, wollte ich unbedingt nutzen“, stellte Mohr mit Nachdruck klar und fügte an: „Das ist mir bis hierhin gelungen, deswegen bin ich da auch ein bisschen stolz drauf.“ Im Sommer schaffte er es tatsächlich, sich bei Trainer Karel Geraerts so dermaßen aufzudrängen, dass dieser ein Umdenken nicht mehr vermeiden konnte und ihm schon während der Testspiele reichlich Einsatzzeiten gab.
Voller Anerkennung, weil Mohr seine äußerst geringen Chancen wahrnahm und in der ersten Pokalrunde in Aalen mit je einem Assist und Treffer erneut zum Matchwinner avancierte, meinte Geraerts: „Vor Tobi muss ich den Hut ziehen. Er hat seine Qualitäten schon wieder gezeigt, wie schon in den Ligaspielen. Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns.“ Ein Transfer seines Mittelfeldspielers, wie ursprünglich angedacht, lehne der Belgier inzwischen ab. „Ich will ihn behalten“, äußerte er seinen Wunsch.
Mohr für Schalke-Fans schon Kult
Auch die Schalker Anhängerschaft pocht darauf. In Aalen besangen sie ihren neuen Liebling, der sein letztes Vertragsjahr in Angriff nimmt, mit lautstarken Sprechchören. Mohr habe das zwar „gar nicht richtig mitbekommen“, offenbarte er. „Aber es ist für mich umso schöner – gerade nach so einer schlechten Phase. Mich macht es sehr glücklich, dass die Fans meine gute Entwicklung wahrnehmen und mitfeiern.“ Noch kreativer ging es beim vorherigen Gastspiel in Nürnberg zu. Da trugen einige Fans T-Shirts, auf denen vorne als Aufschrift „Mohr than a feeling“ stand, hinten „Mohr for Ballon d‘or“.
Welcher Spruch dem Stehaufmännchen besser gefällt? „Mohr than a feeling! Das andere ist ja unerreichbar“, lachte er. Gerade, weil Mohr in seinen ersten beiden Jahren nur selten überzeugte und vor allem in der vergangenen Saison enttäuschte, kann er über solche Dinge nun schmunzeln. „Aber mir ist auch bewusst: im Fußball ist der Grat zwischen positiven und negativen Geschichten schmal. Ich habe lange Zeit viel Negatives erlebt, deswegen sauge jetzt ich mal das Positive auf.“
Mohr: Wollen „so weit oben wie möglich angreifen“
Wohin all das führt, ist offen. Bestimmte Ziele für die neue Saison nannte er trotz der großen Ambitionen nicht. Weder für sich noch für das Team. „Wir wollen jedes Spiel bestmöglich bestreiten und so weit oben wie möglich angreifen“, meinte Mohr, der bewusst tiefstapelte und kein Wort über einen möglichen Aufstieg verlor - wie zurzeit jeder im Verein. „Wir tun uns in der aktuellen Phase sicher keinen Gefallen damit, konkrete Plätze zu nennen, die am Ende vielleicht gar nicht realistisch sind“, so der gebürtige Aachener.
Sollte seine bislang verlässliche Torgefahr eine Konstante werden, wäre zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. „Jeder Scorerpunkt tut mir gut und heute waren es gleich zwei – das tut doppelt gut“, war Mohr nach dem Pokalsieg überaus zufrieden. Ob er den Schwung weiter mitnehmen und auf den Rest der Teams übertragen kann, zeigt sich dann am kommenden Sonntag, wenn die Knappen beim 1. FC Magdeburg (ab 13:30 Uhr im LIVETICKER) gastieren.