2. Bundesliga>

1. FC Köln: Vom Notnagel zum Chef des Tabellenführers

Oft belächelt, jetzt der große Chef

Nach einem durchwachsenen Saisonstart hat sich der 1. FC Köln immer mehr stabilisiert und zum großen Favoriten auf den Aufstieg gemausert. Viel hat das mit Dominique Heintz zu tun.
Nach dem bitteren Aus im DFB-Pokal gegen Leverkusen ist Dominique Heintz vom 1. FC Köln sichtlich bedient.
Nach einem durchwachsenen Saisonstart hat sich der 1. FC Köln immer mehr stabilisiert und zum großen Favoriten auf den Aufstieg gemausert. Viel hat das mit Dominique Heintz zu tun.

Mit gutem Wein kennt sich Dominique Heintz selbstverständlich aus. Der 31 Jahre alte Abwehrspieler des Zweitliga-Spitzenreiters 1. FC Köln ist gebürtiger Pfälzer, stammt aus Neustadt an der Weinstraße und fühlt sich seiner Heimat sehr verbunden. Das Getränk gehört dort zum festen Kulturgut, die Verbindung dorthin wurde ihm also in die Wiege gelegt. So zögerte er im Frühsommer 2023 nicht, als die Idee aufkam, gemeinsam mit dem in der Region ansässigen Weingut Lilienthal ein eigenes Produkt zu entwickeln. Wenig später stand dann fest: Es sollte ein alkoholfreier Traubensecco mit dem Namen Heintzis werden.

Der erste Fußballer, der seine Liebe zum Rebensaft bekundete, war Heintz freilich nicht. Auch internationale Stars wie Andrés Iniesta, David Beckham oder Andrea Pirlo stiegen einst ins Geschäft mit den Weinflaschen ein. Robin Gosens, Mats Hummels und Christoph Kramer zogen im vergangenen Jahr nach und brachten einen eigenen Riesling unter dem Namen „Herbstmeister“ auf den Markt. Bei all diesen Sportlern war der Wein allerdings eher außerhalb der aktiven Karriere ein Thema. Nicht so bei Heintz. Zumindest nicht, wenn man den Worten des Kölner Trainers Gerhard Struber Glauben schenkt.

Heintz sei „wie ein Rotwein“, lobte Struber seinen 1,88 Meter großen Abwehrspieler während der Hinrunde. Ob er die Metapher bewusst oder zufällig wählte, ist unklar: Ins Schwarze traf der Österreicher damit allemal. Der Routinier hat in seiner mittlerweile knapp 13 Jahre andauernden Profi-Karriere schon einiges erlebt. So stark wie in diesen Wochen und Monaten agierte Heintz jedoch noch nie. Dass die Domstädter nur eines der letzten elf Zweitliga-Spiele verloren haben und in der Tabelle vom zwölften auf den ersten Platz geklettert sind, ist eng mit ihm verbunden. Eine rasante Entwicklung, mit der noch vor wenigen Wochen kaum jemand gerechnet hätte.

Oft kritisiert oder belächelt, jetzt der Abwehrchef

Heintz, der an seinem typischen Buckel jederzeit leicht zu erkennen ist, wirkte in den letzten Jahren wie ein Auslaufmodell, blüht nun aber wieder auf und erlebt seinen zweiten Frühling. 2023 als Backup vom „Effzeh“ verpflichtet, lange eher als Notnagel gefragt, oft kritisiert oder belächelt, ist Heintz mittlerweile zum unumstrittenen Führungsspieler und Abwehrchef geworden.

Selbst zu Beginn der Saison deutete sich das noch nicht an. Als die teils extrem jungen Geißböcke anfangs durch die 2. Liga stolperten, spielte Heintz maximal eine Nebenrolle. Lediglich 15 Punkte standen nach elf Spieltagen zu Buche, was vor allem an der fehlenden Erfahrung und zu vielen Gegentoren lag. Doch Struber erkannte das Problem, zeigte sich flexibel und traf zwei wichtige Entscheidungen: In der Defensive ließ er fortan mit einer Dreier- statt einer Viererkette agieren, zudem sollte die Rückkehr von Heintz in die Startelf neue Stabilität und viel mehr Routine bringen. Ein simpler Plan, der voll aufging.

Gestartet ist dieses Vorhaben Ende Oktober, beim Pokalsieg gegen Kiel. Heintz avancierte damals wie aus dem Nichts zum großen Heilsbringer. Die nötige Zweikampfhärte, Ruhe am Ball und Emotionalität bringt er von Natur aus mit. Hinzu kam, dass er den Klub und Krisen wie kein Zweiter kennt. Von 2015 bis 2018 spielte er schon einmal in der Domstadt und erlebte unter anderem einen Abstieg mit. Daher weiß er, wie mit dem Druck rund um die Mannschaft, ausgelöst von den stets hohen Erwartungen von Fans und Öffentlichkeit, umzugehen ist. Seine Nebenmänner wurden prompt sicherer.

Heintz nicht nur defensiv wichtig

Die Folge: Aus der einstigen Wackelabwehr ist ein echtes Bollwerk geworden. 1:0, 1:0, 1:0, 1:0, 3:1, 1:0, 1:0, 2:1, 1:0 - so lauteten die Ergebnisse aller Ligasiege des FC, seit Heintz fester Bestandteil der Startelf ist. Die generelle Tendenz ist deutlich erkennbar: Wenig Glanz und Spektakel, dafür umso mehr Stabilität und Seriosität. Seit dem 11. Spieltag wurden nur fünf Gegentreffer kassiert, ein beachtlicher Wert angesichts bereits elf absolvierter Partien in diesem Zeitraum. Es ist nicht zuletzt Heintz, dem großen Überraschungsmann der Saison, zu verdanken, dass Strubers Team die anfängliche Talfahrt längst hinter sich gelassen hat und mittlerweile zu den Topfavoriten auf den Aufstieg zählt.

Dabei sind es nicht nur seine Qualitäten in der Defensive alleine, die Heintz aktuell zu dem Kölner machen, der für den entscheidenden Unterschied sorgt. Auch im Spiel nach vorne schaltet er sich immer wieder ein - Diagonalbälle mischt er genau wie präzise Pässe in die Tiefe regelmäßig ein. „Wir nennen ihn in der Mannschaft immer Zauberfuß“, verriet Stürmer Damion Downs im Dezember. Struber stimmte mit ein. „Er antizipiert Momente sehr schnell und ist kognitiv auf einem sehr guten Level“, so der Coach. „Mit der Passqualität, wie er Spiele eröffnet, ist er sehr wichtig.“

Doch nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz ist er von großer Bedeutung. Heintz sorgt mit seiner Art für gute Laune, scheut deftige Worte aber genauso wenig, ist mediengewandt und deshalb fast schon beliebt. Zumindest in der eigenen Mannschaft. Kürzlich sorgte der Kämpfer im Pokalkrimi gegen Bayer Leverkusen für viele hitzige Diskussionen, als er das Verhalten des rheinischen Rivalen scharf kritisierte. „Was da bei Leverkusen teilweise rumläuft, mit welcher Arroganz, da muss ich mich beherrschen“, sagte er nach dem 2:3 nach Verlängerung in der ARD.

Heintz: Der Turm in der Schlacht

Aussagen, die auf der Seite des Double-Siegers naturgemäß nicht gut ankamen, bei den FC-Fans dafür umso mehr, ebenso wie seine Leistung auf dem Rasen. Heintz ackerte unermüdlich, verteidigte klug und aggressiv. Er war Turm in der Schlacht und emotionaler Leader - trotz der am Ende bitteren Niederlage sein vielleicht bestes Spiel seiner Karriere. Der Beweis, dass einer der beständigsten Kölner selbst mit den Großen des deutschen Fußballs nach wie vor mithalten kann, war erbracht - und wurde nur vier Tage später erneut bestätigt, auch wenn das Derby viel Kraft gekostet hatte.

Beim jüngsten 1:0 gegen Schalke war Heintz gar bester Mann des Spiels, der jederzeit aufmerksam in der Defensive agierte und dazu mit vielen guten Eröffnungen die Offensive ankurbelte. So hieß es am Ende erneut: Mit fußballerischer Minimalismus und einem starken Heintz zum nächsten Sieg - an solche Szenarien könnten sich die Kölner wohl gewöhnen. Bereits am Freitag geht es beim direkten Verfolger Magdeburg weiter (ab 18.30 Uhr im LIVETICKER). Zu befürchten haben die Domstädter derzeit aber offenbar wenig.