Seit 25 Jahren ist Norbert Elgert für den Schalker Nachwuchs hauptverantwortlich.
FC Schalke 04: Norbert Elgert im "Leadertalk" über Leroy Sané und sein Erfolgsrezept
Elgert: „Unschätzbare Lernerfahrung für Sané“
Der Ex-Stürmer hat Talente wie Mesut Özil, Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Mike Hanke, Leroy Sané oder Julian Draxler entwickelt. Elgert gilt als der renommierteste Ausbilder im deutschen Fußball.
Im SPORT1-Podcast „Leadertalk“ mit Autor und Business-Coach Mounir Zitouni spricht Elgert über die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit mit Fußball-Mannschaften, über die Mentalität der jungen Generation, seinen Umgang mit Spielern wie Leroy Sané und über seine enge Beziehung zu Otto Rehhagel.
Für den erfahrenen Schalker Ausbildungschef liegt die Grundlage einer erfolgreichen Arbeit in der Haltung zu den Spielern.
„Um Spiele zu gewinnen, muss man vorher das Beziehungsspiel gewinnen“, sagt Elgert. „Dazu braucht es viel Zuneigung, Liebe, Respekt und Wertschätzung. Vor allem ganz wichtig: Empathie. Sich in seine Spieler hineinversetzen können, sich in sie hineinfühlen, um sie besser zu verstehen. Das ist der wichtigste Punkt, den ein Trainer braucht.“
Die Folge, so der 67-Jährige: „Die Spieler merken, ob du sie magst, ob du sie wertschätzt. Wenn du einen Menschen nicht erreichst, dann wirst du ihn nicht öffnen. Und wenn er sich nicht öffnet, dann kannst du auch nichts hineinfließen lassen. Das ist dann wie ein Gefäß, das verschlossen ist.“
Elgert über Sané: „Es gehört Klarheit dazu“
Doch Elgert will nicht missverstanden werden, denn Klarheit und ein fester Rahmen gehören genauso dazu wie Wertschätzung. „Das Feedback dient dazu, dass die Spieler dahin kommen, wo sie hinwollen. Es gehört auch Klarheit dazu, wenn Dinge korrigiert werden müssen.“
Ein gutes Beispiel sei Sané: „Als ich Leroy Sané in der U19 mal ausgewechselt habe, obwohl er schon bei den Profis war, war das eine unschätzbare Lernerfahrung für ihn. Was er heute auch so sieht. Damals hat er das auch nicht so gesehen. Damals habe ich ihm gesagt: ‚Das mache ich nicht, um dich zu ärgern, ganz im Gegenteil, aber wenn du hier auf den Platz gehst und für Schalke spielst, dann erwarte ich 100 Prozent. Du darfst Fehler machen, aber darfst nichts zurückhalten, was deiner Mannschaft helfen könnte.‘“
Die Jungs immer wieder mit der Realität zu konfrontieren, sieht Elgert als wesentliches Element. „Unseren Jungs geht‘s gut. Die Kühlschränke sind voll, alle haben ein Dach über dem Kopf und die Grundbedürfnisse sind sehr stark abgedeckt. Die Kritikfähigkeit hat im Laufe der Jahre nachgelassen. Wir leben in einer Welt, die nicht ganz einfach ist, und darauf müssen die Jungs vorbereitet werden. Profifußball ist ein hartes Geschäft, da geht es zur Sache. Und auch darauf müssen sie vorbereitet sein. Im Training oder zwischendurch, da knallt es eben auch mal richtig situativ.“
Dadurch sollte sich ein Lerneffekt einstellen. „Die Jungs müssen kapieren, dass sie nicht nur Talent für die Sportart brauchen, sondern Talent, um die Hindernisse und Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Wir dürfen es ihnen nicht zu leicht machen.“
Elgert mit Mount-Everest-Vergleich
Sein Gleichnis: „Wenn der Jugendspieler nicht gelernt hat, auf die Zugspitze zu kommen, wie soll er später auf den Mount Everest kommen? Wenn wir ihnen da alles aus dem Weg räumen, dann werden sie den Anforderungen später nicht standhalten.“
Auch Elgert hat beobachtet: „Wir haben zuletzt mehr Befehlsempfänger und ausführende Roboter auf dem Platz gehabt und die Kreativität, Intuition, Spielfreude ist unterdrückt worden. Aber das ist erkannt worden und der deutsche Fußball ist dabei, das zu korrigieren.“
Doch wie funktioniert das mit der mentalen Stärke? Elgert sieht in der Stressresistenz eine Haupteigenschaft für den Erfolg junger Spieler.
Elgert: Das haben Özil und Neuer gezeigt
„Mentale Stärke heißt für mich, dann gut zu sein, wenn es drauf ankommt. Das sind ja moderne Gladiatoren, da musst du schon belastbar sein. Jungs wie Özil, Neuer oder Draxler haben früh gezeigt, dass sie dem Druck standhalten. Die waren früh in der Lage, ihr Potenzial zu zeigen, egal ob vor 100.000 oder 100 Zuschauern.“
Ein wichtiger Wegbegleiter, so offenbart Elgert, war zeit seiner Karriere der erfolgreiche Otto Rehhagel.
„Zu ihm habe ich eine enge Bindung. Ich durfte ihn in ganz jungen Jahren mal treffen, als ich in Wattenscheid Trainer war. Wir siezten uns. Ich fragte ihn: ‚Herr Rehhagel, bin ich nicht viel zu sensibel für den Job im Profibereich?‘ Da hat er gesagt: ‚Wissen Sie was, junger Mann, wir haben alle eine Seele, und wenn Sie nicht sensibel sind, dann können Sie Menschen nicht führen.‘“
Mounir Zitouni (51) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Sportler, Trainer und Führungskräfte in punkto Auftreten, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de.