Es ist ja nicht so, als ob Ronny Blaschke je mit Langeweile zu kämpfen hätte. Die Monate vor und die Wochen während der WM in Katar waren für den Journalisten und Buchautoren aber dennoch eine besonders betriebsame Zeit.
"Nüchtern und kälter auf den Fußball blicken" - Ronny Blaschke über die WM in Katar und westliche Arroganz
„Nüchtern auf Fußball blicken“
Weil er das Emirat in der Vergangenheit mehrfach bereist hat und sich in der Region auch durch weitere Recherchetouren besser auskennt, als viele Kolleg*innen, war Blaschke ein gefragter Experte zu den Themen rund ums Turnier.
Für ihn selbst ist das nicht zuletzt Teil einer persönlichen beruflichen Entwicklung.
- „Flutlicht an! Im Gespräch mit der Wortpiratin“, der Podcast auf SPORT1, in dem Journalistin und Autorin Mara Pfeiffer Menschen in den Mittelpunkt stellt, die im schnelllebigen und lauten Fußballgeschäft oft zu wenig im Rampenlicht stehen.
Geboren in Rostock, wird Blaschke Fan von Hansa – und träumt zunächst davon, den Verein durch die journalistische Begleitung enger zu begleiten. Mit den Jahren verschiebt sich sein berufliches Interesse weg von dem Geschehen auf dem Platz hin zu den Verbindungen von Sport und Politik, und das in aller Welt und in unterschiedlichen politischen Systemen.
Auf der ganzen Welt unterwegs
Lange Recherchereisen in verschiedene Länder werden Teil von Blaschkes Arbeit. Er macht sich ein Bild vor Ort, spricht mit Menschen, überprüft dabei auch immer wieder die eigenen Vorstellungen auf mögliche Klischees und Vorurteile.
Die Reisen, sagt Blaschke heute, haben ihm nicht nur andere Länder und Menschen nähergebracht, sondern ihn gelehrt, Privilegien zu reflektieren, die er zuvor überhaupt nicht als solche wahrgenommen hatte.
Für sein Buch „Machtspieler“, in dem der Journalist auf 254 Seiten dokumentiert, wie Fußball in unterschiedlichen Ländern von Machthabenden benutzt wird, aber auch, was er den Fans in aller Welt bedeutet, war Blaschke unter anderem in Argentinien, China, Ruanda und eben Katar.
Die Reisen finanziert er als freiberuflicher Journalist selbst, was gerade zu Beginn dieser Arbeit eine große Herausforderung war. Inzwischen gibt es Phasen wie die angesprochene rund um die Katar-WM, in der er besonders gefragt ist, erzählt Blaschke. Mit dem Verdienst aus diesen Monaten kann er wiederum Reisen für kommende Bücher finanzieren.
Chile: Militärputsch während WM 1974
Von einem solchen Recherchetrip ist er gerade zurück. Unter anderem hat der ihn nach Chile gebracht, wo sich im September der Militärputsch gegen den zuvor demokratisch gewählten sozialistischen Präsident Salvador Allende zum 50. Mal jährt.
Das Nationalstadion wurde in der Zeit zum Internierungslager, bis zu 40.000 Gefangene sollen hier untergebracht worden sein. Der Ball rollte weiter, das Nationalteam qualifizierte sich zur WM 1974 in der BRD.
Blaschke erzählt, wie viel er auf den Reisen lerne, und betont, es liege für ihn ein Wert darin, über den Fußball Dinge zu erkennen und Themen zu beackern, zu denen ihm sonst vielleicht Berührungspunkte gefehlt hätten.
Dabei hat der Journalist sich längst mit der Fehlbarkeit des Sports und seiner Funktionäre abgefunden. Er betrachtet diesen unromantisch: „Ich versuche immer, dafür zu werben, dass wir nüchtern und vielleicht auch kälter auf den Fußball blicken.“
Die Emotionalität im Sport verhindere zu oft auch öffentlich den analytischen Blick. „Da hätten wir doch eigentlich ein bisschen mehr zu bieten, als Empörung und Zorn.“ Der Fußball zeige Themen auf, die in Wirtschaft und Politik gang und gäbe seien – und biete die Möglichkeit, sie hier zu adressieren. Und genau in dieser Rolle findet Blaschke ihn besonders spannend.