Als Uli Hoeneß Ende Februar im CHECK24 Doppelpass auf SPORT1 über den Umbruch des FC Bayern sprach, hatte er seine frühere Überzeugung längst über Bord geworfen.
Wie Hoeneß sein Erbe sichern will
"Wir haben entschieden, [...] nächste Saison zu klotzen. Wenn sie wüssten, was wir schon für nächstes Jahr haben...", kündigte der 67-Jährige ohne mit der Wimper zu zucken an. Keine drei Wochen später präsentierte der Rekordmeister mit Lucas Hernandez den ersten 80-Millionen-Transferhammer.
Das Dogma des Bayern-Präsidenten, unter keinen Umständen eine derart hohe Summe für einen einzigen Spieler auszugeben, hat sich angesichts der sich immer schneller drehenden Geldspirale auf dem internationalen Transfermarkt aufgelöst.
"Ich bin der Meinung: Kein Spieler der Welt ist 100 Millionen Euro wert", sagte er im Jahr 2017 zur Sport Bild. Doch der Markt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, die Ablösen sind in die Höhe geschossen.
Hoeneß, der Lautsprecher in Transfersachen
Das weiß auch Hoeneß. Und er definiert sich neuerdings als Lautsprecher in Sachen Transfers, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic halten sich da eher zurück.
Der wahre Grund, warum Hoeneß seine innerste Überzeugung aufgab, dürfte aber viel mit seinem Erbe zu tun haben. Als Präsident ist er noch bis zum Herbst 2019 gewählt, eine weitere dreijährige Amtszeit gilt als sicher.
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Nach eigenen Angaben hat er zwar noch nicht entschieden, ob er sich im Herbst erneut zur Wahl stellt. "Ich habe mal gesagt: 'Das war's noch nicht!' Aber der Tag ist nicht mehr fern, an dem ich sage: 'Das war's!' Und zwar, weil ich a) loslassen kann und b) der Zeitpunkt bald passen wird“, wird Hoeneß im vereinseigenen Bayern-Magazin „51“ zitiert.
Im CHECK24 Doppelpass auf SPORT1 kündigte er eine Entscheidung im Frühjahr an. Fast alle Argumente sprechen für eine erneute Kandidatur.
Hoeneß will Bayern als europäisches Schwergewicht übergeben
Das hieße, dass der Machtmensch vom Tegernsee bis in den Herbst 2022 hinein die Fäden an der Säbener Straße in der Hand halten wird - um sie dann höchstwahrscheinlich an seinen Nachfolger abzugeben.
Hoeneß will in den letzten Jahren seines Bayern-Schaffens um jeden Preis ein bestelltes Feld übergeben - eines, das auch auf der europäischen Bühne mit den Schwergewichten mithalten kann. Nicht umsonst kündigte er jüngst das "größte Investitionsprogramm, das der FC Bayern je hatte" an.
Klar ist: Mit den Verpflichtungen der beiden Weltmeister Hernandez und Benjamin Pavard für zusammen 115 Millionen Euro ist noch lange nicht Schluss. Die Bayern werden weiter einkaufen und das Festgeldkonto plündern.
Überhaupt gibt sich Hoeneß in jüngster Zeit selbstbewusster denn je – und refektierter. "Bis auf meine Steuergeschichte habe ich nicht so viele gravierende Fehler gemacht. Ich habe den Beruf immer geliebt und mein Herzblut investiert", erklärte er.
Hoeneß mit verbalem Rückzug
Dennoch will er sich in Zukunft verbal zurückhalten, Klartext sei heute nicht mehr erwünscht, deshalb habe er sich auch lange aus der Diskussion um die Ausbootung des Bayern-Trios aus der DFB-Elf herausgehalten.
Während mit Oliver Kahn ein Nachfolger von Vorstandsboss Rummenigge (Vertrag bis Ende 2021) schon in naher Zukunft herangezogen werden soll, steht ein Hoeneß-Nachfolger noch nicht fest. Hoeneß, dessen Zukunftsentscheidung spätestens zum Saisonende stehen soll, will seinen Nachfolger selbst vorschlagen.
Bis es soweit ist, investiert der amtierende Bayern-Präsident seine Energie darauf, sein Lebenswerk im bestmöglichen Zustand an seinen Nachfolger zu übergeben. Ihm selbst ginge es zwar nicht "um irgendein Lebenswerk", dennoch möchte er seine Bayern zum Abschluss seiner Ära wieder dahinführen, wo der Klub dem bayrischen Selbstverständnis nach hingehört – an Europas Spitze.
Spätestens seit dem Achtelfinal-Aus des deutschen Rekordmeisters in der Champions League gegen Jürgen Klopps FC Liverpool hat auch Hoeneß erkannt: Die Bayern sind international nur noch oberes Mittelmaß.
Hoeneß' Mission bis zu seinem Abschied ist, dafür zu sorgen, dass sich das wieder ändert. Auch deshalb bläst er zu einem (letzten) Großangriff. Und ein schöneres Abschiedsgeschenk, als der dritte Königsklassen-Titel seiner Amtszeit bei den Bayern, könnte er sich wohl selbst kaum machen.