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Bundesliga: Chefscout von Mainz 05 Bernd Legien spricht über seine Arbeit

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Bundesliga: Chefscout von Mainz 05 Bernd Legien spricht über seine Arbeit

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Das Geheimnis der Diamantenaugen

Eine gute Scoutingabteilung ist ein Erfolgsfaktor für viele Mannschaften im Profifußball. Bernd Legien, Chefscout des FSV Mainz 05, hat die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre aus nächster Nähe verfolgt und aktiv mitgestaltet.
Eintracht Frankfurt hat sich mit dem sechsten Sieg im siebten Liga-Spiel in der Tabelle an Mainz 05 vorbeigeschoben. Beim 1:0 gegen den vormaligen Tabellennachbarn war ein Konter aus dem Lehrbuch spielentscheidend.
cmichel
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Diamanten-Auge oder Perlentaucher: Scouts haben sich in den vergangenen Jahren zu Stützen im Hintergrund im Fußball-Business entwickelt. Einer der ersten Bundesliga-„Späher“, wie die korrekte Übersetzung des Wortes lautet, ist inzwischen beim FSV Mainz 05 tätig. Bernd Legien startete seine Karriere in dieser Branche im Jahr 2002 beim Hamburger SV.

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Scouts hatten zwar alle Vereine, doch eine strukturierte, eigene Abteilung gab es zu diesem Zeitpunkt nur beim FC Bayern München mit Wolfgang Dremmler und den nach Brasilianern spähenden Leverkusener mit Norbert Ziegler. Legien startete seine Mission, die ihn über die Stationen RB Salzburg, FC Ingolstadt und Eintracht Frankfurt im Oktober 2018 bei den Rheinhessen landen ließ. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

So startete Legien mit dem Scouting beim Hamburger SV

Der Scouting-Bereich hat sich innerhalb dieser zwei Jahrzehnte rasant entwickelt. Legien erinnerte sich bei SPORT1 an seine Anfänge in Hamburg vor beinahe genau 20 Jahren zurück: „Für die Gründung unserer Scouting-Abteilung haben wir einen Büroraum bekommen. In der Ecke standen drei Stofftüten mit VHS-Kassetten und der Ordner des Vorgängers. Das war die Übergabe.“ Der Franke erklärte schmunzelnd: „Die VHS-Kassetten waren die Spiele, die auf Premiere liefen. Entweder waren es Mitschnitte von der TV-Produktion oder ein Berater hat uns die VHS-Kassette per Post geschickt.“

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Legien musste den Neuaufbau bewältigen, dabei strategisch-kreativ denken und verschiedene Mitarbeiter einstellen: „Kurt Jara war Trainer in Hamburg. Wir haben überlegt: Welcher Spieler passt zum HSV? Welche Länder sind spannend? Wir hatten danach eine Liste mit interessanten Spielern aus beispielsweise Holland, Belgien, Dänemark, Österreich und der Schweiz erstellt.“

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Für die Suche benötigte er Unterstützung. Es gab daher eine Art Scout-Casting, für das sich unter anderem auch Ex-Profis wie Uwe Bein oder Harald Spörl beworben hatten. Final stand ein Team zusammen, das im ersten Schritt auf einen technischen Stand gebracht werden musste.

Zeitreise für Legien: „Wie kam damals ein Bericht zu uns? Per Fax!“

Es ist eine Reise in eine andere Zeit, wenn Legien sich zurückerinnert: „Wie kam damals ein Scoutingbericht zu uns? Per Fax. Wir wollten diese Berichte aber per E-Mail haben. Wir mussten den Kollegen die Umstellung von Fax auf E-Mail erklären. Das war eine längere Angelegenheit.“

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Peu à peu wurden die Prozesse vorangetrieben. Die DVD ersetzte die VHS-Kassette, E-Mail-Postfächer das Faxgerät. „Wir hatten nach einiger Anlaufzeit ausführliche Berichte über Spieler und dazugehörige Bilder. Das war ein echter Fortschritt zu den drei Tüten voller VHS-Kassetten in der Ecke“, so Legien.

Die Scouting-Abteilung des HSV konnte sich Mitte der 2000er Jahre sehen lassen. Hochinteressante Profis wie Rafael van der Vaart, Nigel de Jong, Daniel van Buyten, Khalid Boulahrouz, Eric-Maxim Choupo-Moting oder David Jarolim fanden den Weg in die Millionenstadt.

Die Scouts des HSV hatten den richtigen Riecher: Rafael van der Vaart und David Jarolim prägten den Verein über Jahre
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Wenn eine Sitzung mit Sportdirektor und Trainer auf der Agenda stand, konnten sich die Späher vorbereiten, eine DVD brennen und das Material dann bereits auf einen Stick ziehen. Die Möglichkeiten wurden schrittweise vielfältiger, vor allem das Internet brachte eine ganz neue Dynamik in diesen Bereich. „Dieser Fortschritt war Wahnsinn“, betonte Legien.

Stärken und Schwächen werden in Echtzeit analysiert

Vereine hatten sich Datenbanken aufgebaut, die Mitarbeiterstäbe vergrößerten sich. Der Markt endete plötzlich nicht mehr an der bayerischen, hessischen, hanseatischen oder deutschen Grenze.

Aus der ganzen Welt kommen Spieler in die Bundesliga, auch der Fußballkosmos wurde im Zuge dessen globaler. Schrieb die Mannschaft von Energie Cottbus 2001 mit elf Ausländern in der Startelf noch Geschichte, so ist das heute keine Besonderheit mehr.

Die Tribünen sind schließlich regelmäßig mit Scouts aus aller Herren Länder besetzt. Dort schreiben sie Berichte über einzelne Spieler, die für Kollegen sofort sichtbar sind. Legien deutet auf sein Handy und zeigt die Qualität der App „Wyscout“. Videoausschnitte einzelner Profis, Berichte über Stärken und Schwächen, Daten über Schnelligkeit, Passgenauigkeit und Zweikampfstärke. Auf kurzem Wege lassen sich alle denkbaren Akteure finden, die Stärken und Schwächen in Echtzeit analysieren.

Die drei Säulen des Scoutings

Doch alleine darauf sollten sich Vereine nicht verlassen. Legien nannte die drei fundamentalen Säulen des Scoutings: „Daten-, Live- und Videoscouting.“ Sprich: Zunächst wird anhand von Daten nach dem passenden Spieler gesucht – und anschließend geprüft, ob dieser überhaupt im finanziellen Rahmen liegt. Anschließend kann per Videoanalyse ein erster Eindruck entstehen, der dann durch Liveeindrücke bestärkt - oder aber abgeschwächt wird.

Die Größe der Abteilungen variiert daher von Verein zu Verein. Legien selbst setzt bei Mainz auf eine kleine Abteilung mit fünf Mitarbeitern und kurzen Wegen. Bei Nachbar Eintracht Frankfurt etwa baut Ben Manga, Direktor Profifußball, auf ein großes Netzwerk mit 15 bis 20 Mitarbeitern.

Das ist das große Ziel der Scoutingabteilung

Am Ende des Tages geht es um ein großes Ziel: „Die Scoutingabteilung versucht die maximale Anzahl an Spielern zu kennen. Du musst optimal für den Tag X ausgerüstet sein.“

Um im Mainzer Kosmos zu bleiben: Wenn einer der Stars Jeremiah St. Juste, Moussa Niakhaté oder Jonathan Burkardt den Klub verlassen würde, dann benötigt der Klub adäquaten Ersatz.

Legien vermeidet dafür den Begriff „Schattenkader“ und nimmt stattdessen das Wort „Shortlist“ in den Mund. Diese sei nicht statisch, sondern ändere sich Tag für Tag. Dafür kann es verschiedene Gründe geben: „Ein Spieler verletzt sich, ist zu teuer oder wechselt zu einem anderen Verein. Es gibt so viele Einflussfaktoren. Die Shortlist muss aber immer aktuell sein.“

Pausen gibt es keine beim Scouting

Es sei ein Job, so betonte Legien, der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember allerhöchste Aufmerksamkeit erfordere.

Der Fußball macht keine Pause - und die Scoutingabteilung somit ebenfalls nicht. Die Zeiten mit drei Tüten VHS-Kassetten in der Ecke jedenfalls sind Geschichte – wenngleich Legien diese Erlebnisse in seiner Laufbahn wohl nicht mehr missen möchte.

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