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FC Bayern - BVB: Jürgen Kohler - „Ein Störfeuer war und ist das Thema Haaland“

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FC Bayern - BVB: Jürgen Kohler - „Ein Störfeuer war und ist das Thema Haaland“

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Kohler: „Schafft auch Nagelsmann nicht“

Vor dem Topspiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund spricht Jürgen Kohler im SPORT1-Interview über seine beiden Ex-Klubs und gibt einen Tipp zum Ausgang der Partie ab.
Die Bayern können am Samstag Meister werden. Julian Nagelsmann spricht schonmal über die Feierlichkeiten und freut sich sogar auf eine mögliche Bierdusche.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Jürgen Kohler hat in seiner Karriere fast alles gewonnen, was glänzt und in die Vitrine passt. Seine erfolgreichste Zeit hatte der 1990er-Weltmeister beim FC Bayern, bei Juventus Turin und Borussia Dortmund. Mit den Schwarz-Gelben gewann er 1997 die Champions League.

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Vor dem Topspiel zwischen dem FC Bayern und dem BVB spricht der 56-Jährige im SPORT1-Interview über seine beiden Ex-Klubs, Marco Rose, Julian Nagelsmann - und wundert sich über Bayerns Transferpolitik. (Bundesliga: FC Bayern - Borussia Dortmund - Samstag 18.30 Uhr im LIVETICKER).

SPORT1: Herr Kohler, wie sehen Sie die Machtverhältnisse vor dem Gipfeltreffen FC Bayern gegen Borussia Dortmund?

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Jürgen Kohler: Die Bayern werden das Spiel und damit auch die Meisterschaft für sich entscheiden. Generell war es aber für die Münchner wie auch für den BVB keine zufriedenstellende Saison. Beide haben enttäuscht. Ein Titel ist für Bayern einfach zu wenig. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

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SPORT1: Was waren die Gründe für diese unbefriedigende Runde bei den Bayern?

Kohler: Die Bayern haben ganz klar ihre Ziele in dieser Saison nicht erreicht. Das hätte man vor der Saison nicht gedacht und es ist natürlich enttäuschend bei diesem hochwertigen Kader. Es lag sicher an der einen oder anderen Verletzung wie zum Beispiel bei Leon Goretzka und an ständigen Systemumstellungen. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Kohler: Haaland ist ein Störfeuer beim BVB

SPORT1: Und was war bei den Dortmundern los?

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Kohler: Es gab viele Probleme. Egal, ob es viele Verletzungen waren oder andere Dinge. Ein Störfeuer war und ist natürlich das Thema Haaland. Die Diskussionen um seine Zukunft können keine Ruhe zulassen. Das ist nicht förderlich für die Mannschaft.

SPORT1: Wird Haaland überbewertet?

Kohler: Das glaube ich nicht. Er ist schon ein Stürmer, der zuverlässig seine Tore macht, wenn er fit ist. Leider war Haaland über weite Strecken der Saison sehr verletzungsanfällig. Das ist nicht gut für die Gesamtsituation und für ihn. In England gibt es noch mehr Spiele und weniger Urlaub. Und schlechteres Wetter, auf das er sich einstellen muss, wenn er tatsächlich zu ManCity wechseln sollte. Ich bin gespannt, ob er sich da durchsetzen wird.

BVB-Legende: Luft nach oben bei Nagelsmann und Rose

SPORT1: Für Marco Rose und Julian Nagelsmann ist es die erste Saison im neuen Klub. Welches Zeugnis stellen Sie den beiden aus?

Kohler: Bei beiden gibt es noch Luft nach oben. Da muss man ehrlich sein. Bei der Klasse der Mannschaft ist es eigentlich nur logisch, dass da in der Champions League und im Pokal mindestens das Halbfinale rausspringt. Das gelang leider nicht. Der BVB ist verdient sehr früh in der Königsklasse ausgeschieden und die Bayern sind auch überraschend gescheitert. Da gilt es, die Dinge in der nächsten Saison besser zu machen.

SPORT1: Ist es richtig, mit beiden auch in die neue Spielzeit zu gehen?

Kohler: Selbstverständlich. Auch ein Jürgen Klopp hat beim BVB damals Zeit gebraucht, damit sich die Mannschaft finden und entwickeln konnte, wie er sich das vorgestellt hat. Das hat bei ihm zwei, drei Jahre gedauert. Ob die Verantwortlichen diese Zeit auch Rose und Nagelsmann geben, wage ich zu bezweifeln. Jürgen hatte schon immer die besondere Gabe, Menschen mitzunehmen und auch die Klub-Bosse zu überzeugen. Und er hat dann auch zurückgezahlt. Geduld ist so wichtig im Fußball. Doch die haben viele nicht mehr. Jeder muss immer gleich liefern. Der erste Reflex ist bei einem Lizenzspieler-Etat von 150 Millionen Euro, dass es funktionieren muss.

SPORT1: Sie haben noch mit Sebastian Kehl zusammengespielt und die Meisterschale gewonnen. Trauen Sie ihm zu in die großen Fußstapfen von Michael Zorc zu treten?

Kohler: Sebastian macht das schon jetzt in der Übergangsphase sehr souverän. Man muss natürlich sehen, dass beim BVB bereits ein Umbruch stattfindet. Für die Defensive wurde Niklas Süle verpflichtet, vielleicht kommt auch Nico Schlotterbeck. Und wenn Haaland geht, dann auch in der Offensive. Man darf gespannt sein, wie der Übergang vonstatten geht. Aber ich traue Kehl das auf jeden Fall zu. Es wartet viel Arbeit auf ihn.

Kohler: Dortmund ist auch nächstes Jahr nicht stark genug

SPORT1: Wie sehen Sie als früherer Innenverteidiger die Entwicklung von Schlotterbeck? Ist es richtig vom BVB ihn zu holen?

Kohler: Der BVB ist sicher nochmal eine andere Hausnummer als der SC Freiburg. Bei allem Respekt vor der großartigen Arbeit, die dort seit vielen Jahren geleistet wird. Ganz aktuell mit dem Einzug ins Pokalfinale. Bei den Freiburgern erwartet man diesen Erfolg aber nicht, beim BVB schon. Da bist du als Spieler sofort im Fokus, es geht um Titel und das ist ein ganz anderer Anspruch, das muss Schlotterbeck wissen.

SPORT1: Sollte Schlotterbeck kommen, ist dann eine Innenverteidigung mit ihm und Süle stark genug für den Meistertitel 2023?

Kohler: Nein.

SPORT1: Warum nicht?

Kohler: Weil das nicht nur von zwei Spielern abhängt. Die Dortmunder haben ein nächstes Problem, falls Haaland geht. Man muss da jemanden finden, der die Haaland-Lücke schließt. Da gibt es das größte Problem. Dann muss man sich in meinen Augen Sorgen auf den beiden Außenverteidiger-Positionen machen, die nicht optimal besetzt sind. Das gilt auch für die 6er-Position. Und ein Torwart Kobel ist sicher auch noch leistungsfähiger als in der aktuellen Runde. Eine Menge Baustellen warten auf Kehl.

„Olli und Brazzo brauchen noch Zeit“

SPORT1: Wie sehen Sie die Situation beim FC Bayern? Ist der Umbruch von Rummenigge und Hoeneß zu Kahn und Salihamidzic geglückt?

Kohler: Das würde ich jetzt noch nicht bestätigen, es ist viel zu früh, um das wirklich beurteilen zu können. Man darf nicht vergessen, dass die Pandemie uns allen schwer zu schaffen gemacht haben - das hält nach wie vor an. Auch der FC Bayern hat Corona deutlich zu spüren bekommen, weil die wirtschaftliche Situation vor zwei Jahren noch eine ganz andere war. Alle Nationen bis auf die Engländer mussten den Gürtel enger schnallen. Olli und Brazzo brauchen einfach noch Zeit. Außerdem führen sie den Verein bestimmt ganz anders als Kalle und Uli.

SPORT1: War Ihnen Kahn bisher nicht zu ruhig bei entscheidenden Themen?

Kohler: Ganz schwer zu sagen. Ich glaube, dass er sich das auch alles genau anschauen muss. Er muss dafür erstmal ein Gefühl entwickeln. Olli war ein Jahr an der Seite von Kalle, hat sicher viel lernen können. Aber es ist für ihn etwas anderes, nun tatsächlich in der Verantwortung zu stehen und bei allen Dingen maßgeblich beteiligt zu sein. Er wird sich die Dinge erstmal anschauen, für sich selbst bewerten und danach seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. Er wird vor allem immer mehr ein Gefühl dafür bekommen, wann er auch öffentlich vorpreschen muss und wann er nur intern etwas sagen sollte. Olli muss jetzt kein Titan mehr sein.

SPORT1: Stand jetzt, werden die Bayern keinen Süle-Ersatz holen. Ist das riskant oder ausreichend?

Kohler: Das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Die Bayern haben auch keinen 6er, der mal in der Innenverteidigung spielen kann. Okay, Benjamin Pavard kann da spielen, denn dort spielt er am liebsten, aber die Frage ist doch, was der Markt her gibt? Ich sehe da nicht so viele Top-Innenverteidiger.

SPORT1: Was halten Sie generell von Bayerns Innenverteidigern? Speziell von dem jungen Nianzou, der zuletzt überzeugt hat. Er könnte davon profitieren, dass kein neuer Innenverteidiger geholt wird.

Kohler: Das könnte sein, man wird sehen, wie der Junge sich weiter in diesem Star-Ensemble zeigt und behauptet. Auch David Alaba hat einige Jahre gebraucht, um in eine Führungsrolle bei den Münchnern reinzuwachsen. Das ist nicht so einfach beim FC Bayern. Man muss Nianzou weiter beobachten, das wird spannend bleiben, denn er ist ein interessanter Spieler. Stand jetzt, ist er aber noch nicht so weit. Man muss abwarten, wie er an den ersten zehn Spieltagen der nächsten Saison zum Einsatz kommt und sich da dann zeigt.

Bayern fehlen Alaba und Boateng

SPORT1: Sie waren früher ein absoluter Leitwolf in der Abwehr, haben lautstark Kommandos gegeben. Mit Alaba fiel ein Lautsprecher weg, mit Jerome Boateng ein weiterer Leader. Fehlt ein solcher Spielertyp den Bayern?

Kohler: Ein bisschen schon. Natürlich gibt es auch Spieler, die sich überraschend schnell dahin entwickeln. Es kommt auch mit einem gewissen Alter und der nötigen Erfahrung. Wichtig ist eine Persönlichkeitsentwicklung, die unabhängig des Alters passieren kann. Am Ende des Tages wird immer die Leistung entscheidend sein. Ohne Leistung kein Führungsspieler.

SPORT1: Geht das nicht auch vom Trainer aus?

Kohler: Nein. Man kann als Trainer keinen Führungsspieler einfach so bestimmen. Das schafft auch Nagelsmann nicht. Häufig können die jungen Spieler das noch gar nicht umsetzen, wenn sie zu viel Verantwortung bekommen. Das ist eher eine Belastung als eine Befreiung. Die Spieler wachsen nicht auf den Bäumen, das dauert viele Jahre auf konstant hohem Niveau. Dann wird der Einfluss größer und die Stimme kräftiger. Wenn du Anweisungen gibst, dann müssen diese auch Sinn und Verstand haben. Einer, der nur rumbrüllt, wird zwar draußen gehört, aber nicht auf dem Platz. So eine Rolle wie die von Alaba oder Boateng muss sich entwickeln.

SPORT1: Wie geht es aus am Samstag?

Kohler: Ich würde mir ein Unentschieden wünschen. Ein 2:2 nach einem schönen Spiel mit vielen Torchancen auf beiden Seiten. Aber ich denke, dass die Bayern klar mit 3:1 gewinnen werden. Ich freue mich jedenfalls auf das Spiel.

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