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Matthäus wundert sich über FC Bayern: "Da hat man vielleicht irgendwo zu lange weggeschaut"

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Matthäus wundert sich über FC Bayern: "Da hat man vielleicht irgendwo zu lange weggeschaut"

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Matthäus: „Ich wundere mich“

Lothar Matthäus spricht im SPORT1-Interview über Harry Kane, die Torwart-Situation beim FC Bayern - und welcher Spieler ihn am ersten Bundesliga-Spieltag überzeugte.
Auf einer Pressekonferenz vergleicht Fußball-Legende Lothar Matthäus Harry Kane mit Bayern-Urgestein Thomas Müller,
Jonas Nohe
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Myriam Wetter
Myriam Wetter

Lothar Matthäus spielte als aktiver Fußballprofi unter anderem für den FC Bayern München und Inter Mailand. Mit der deutschen Nationalmannschaft wurde er Welt- und Europameister und gewann 1990 den Ballon d‘Or. Im Interview mit SPORT1 spricht Matthäus über Bayern-Neuzugang Harry Kane und die weitere Karriere von Julian Nagelsmann.

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Außerdem erzählt der 62-Jährige am Rande eines Termins seines Sponsors „Interwetten“ im Münchner Nobel-Hotel Vier Jahreszeiten, welcher Spieler ihn am ersten Spieltag besonders beeindruckt hat und äußert sich zusätzlich zu den neuen Regeln, die der DFB für den Nachwuchsbereich einführen möchte.

SPORT1: Herr Matthäus, die Bundesliga-Saison ist gestartet. Gab es einen neuen Spieler, der Sie besonders beeindruckt hat, den man vielleicht vorher so gar nicht auf dem Zettel hatte?

Matthäus: Ich weiß, was Boniface, der neue Stürmer von Bayer Leverkusen, imstande ist zu leisten. Der hat mich jetzt bei dem Spiel (gegen Leipzig, Anm. d. Red.) nicht so übermäßig beeindruckt, aber ich habe ihn letztes Jahr ein paar Mal live im Stadion gesehen. Er ist ein attraktiver Spieler, bei dem es Spaß macht zuzuschauen. Er schießt viele Tore, legt aber auch den Ball mal für die Mitspieler auf, wie er es beim ersten Tor gemacht hat. Deswegen freue ich mich auch für Bayer Leverkusen, weil sie sich meiner Meinung nach enorm verstärkt haben. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass Leverkusen, wenn sie hinten stabil sind und weniger Gegentore bekommen, auch ein ernsthaftes Wort ganz oben mitreden kann.

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FC Bayern: „Kane weiß, wo das Tor steht“

SPORT1: Der große Name, der im Sommer kursierte, war aber natürlich Harry Kane. Ist mit ihm für die Bayern sogar wieder der Angriff Richtung Champions-League-Titel möglich?

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Matthäus: Mit Kane alleine nicht, die Mannschaft muss wieder funktionieren. Der Verein muss funktionieren und da sind sie auf dem besten Weg. Atmosphärisch gesehen spricht man wieder positiv in München über den Verein. Das war monatelang nicht der Fall. Da ist nur gegrantelt worden, wie man in München so schön sagt.

SPORT1: Und doch hat man den Eindruck, dass er der Mannschaft auch einen neuen Impuls mitgegeben hat. Was macht ihn so besonders?

Matthäus: Mit Harry Kane hat man einen Mittelstürmer geholt, der zu den Top-3- oder Top-5-Mittelstürmern der Welt gehört. Er weiß, wo das Tor steht. Das hat er in Tottenham, in der Premier League und auch international in der englischen Nationalmannschaft bewiesen. Deswegen hat Bayern München sich auch so gestreckt, was die Ablöse betrifft, weil man ihn unbedingt holen wollte - weil man auch wusste, er will unbedingt zu uns kommen.

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Matthäus über die Torwart-Situation beim FCB

SPORT1: Auf der anderen Seite des Spielfelds - im Tor - wurden auch viele Namen gehandelt. Yann Sommer und Alexander Nübel sind gegangen. Am Ende ist jetzt Sven Ulreich vorerst mal die Nummer eins. Ist er am Ende die richtige, die beste Entscheidung in der Situation gewesen?

Matthäus: Absolut. Für mich ist es keine Überraschung, dass Nübel und Sommer gegangen sind, weil sie den Anspruch haben, die Nummer eins zu sein. Jeder weiß, dass Manuel Neuer zurückkommt. Ich gehe davon aus, dass der kleine Eingriff gut verlaufen ist, mit dieser Metallplatte, die da entnommen worden ist. Deswegen hat man dann von großen Torhütern Abstand genommen, es setzt sich kein großer Torhüter auf die Bank. Man weiß, wenn Neuer fit ist, dann spielt er, weil er auch die Leistungen wahrscheinlich wieder bringen wird. Ulreich kennt das. Ulreich ist ein stiller und ruhiger Vertreter. Er ist mit dem ganz sicher innerlich nicht zufrieden, aber er hat diese Position so angenommen, wie sie ist.

SPORT1: Jetzt steht mit Daniel Peretz ein Keeper von Tel Aviv im Mittelpunkt der Transferbemühungen, wieder ein externer Kandidat und keine interne Lösung.

Matthäus: Ich persönlich wundere mich, dass man in den letzten Jahren nicht einen eigenen Torhüter aus dem eigenen Stall hochgeholt hat. Ich glaube, dass wir auch im Nachwuchsbereich bei Bayern München immer wieder tolle Torhüter gehabt haben, die hier zwei, drei Jahre miterlebt haben. Da waren ganz sicher talentierte Torhüter dabei und da hat man vielleicht irgendwo mal zu lange weggeschaut, um da einen Torhüter nach oben zu bringen - zumindest als Nummer drei hinter Neuer und Ulreich.

Ist der Stanisic-Wechsel sinnvoll?

SPORT1: Auch in der Defensive gibt es noch Fluktuation im Kader, Josip Stanisic geht für ein Jahr auf Leihbasis nach Leverkusen. Ist das ein sinnvoller Deal?

Matthäus: Ja, er hatte hier zu wenig Einsatzzeit. Er ist kroatischer Nationalspieler und hat sich entwickelt. Man konnte sich auch bei seinen Einsätzen, egal, auf welcher Position er gespielt hat, immer auf ihn verlassen. Auch in der Vorbereitung hat er zwei Tore gemacht, bei der Asien-Reise. Ich glaube, da war er sogar Torschützenkönig bei den Bayern. (lacht)

SPORT1: Was könnte dann der Grund für einen Wechsel gewesen sein?

Matthäus: Das ist ein Spieler, der natürlich spielen will. Er hat auch seine Ziele, nicht nur was Bayern München betrifft, sondern auch als kroatischer Nationalspieler. Jetzt sieht er seine Chancen in Leverkusen größer als beim FC Bayern. Aber auch in Leverkusen hat er eine große Konkurrenz. Da gibt es auch keinen Freifahrtschein für ihn. Trotzdem glaube ich schon, dass es Sinn ergibt, vor allem weil Bayern München im sportlichen Bereich entschieden hat, dass man auf ihn verzichten kann.

Sané: Dann ist er ein Weltklassespieler

SPORT1: Ein Spieler, der zuletzt trotz der Niederlage im Supercup die Fans in München mit seinem Tempo begeisterte, ist Leroy Sané. Wie sehen Sie seine Entwicklung und was ist für ihn möglich?

Matthäus: Ich bin da vorsichtig. Ich bin überzeugt, dass er Weltklasse-Qualitäten hat, aber die müssen dann auch im Kopf umgesetzt werden. Natürlich darf er seine eigenen Interessen nicht vergessen - und was mir auch am Freitag in Bremen gefallen hat: dass er zwei-, dreimal 60 Meter nach hinten gesprintet ist. Nur muss er eben auch diese Leidenschaft und diese Lust häufiger mitbringen. Ich will jetzt gar nicht sagen immer, denn ich erwarte nicht immer zwei Tore von ihm. Aber, dass er seine Qualitäten, die er mitbringt, die ihm der liebe Gott oder das Elternhaus gegeben hat - die Eltern sind ja beide Leistungssportler gewesen - häufiger umsetzt. Dann ist er ein Weltklassespieler, der nicht nur Bayern helfen kann, sondern vor allem auch der Nationalmannschaft.

„Ich bin für das Leistungsprinzip“

SPORT1: Leroy Sané hat selbst einige U-Nationalmannschaften durchlaufen. Gerade dort, im DFB-Nachwuchs, setzt man in den jugendlichen Strukturen künftig auf weniger Wettbewerb. In der U19- und U17-Bundesliga soll es keinen Abstieg mehr geben, sondern die Leistungszentren sollen unter sich spielen. Ist das der richtige Weg?

Matthäus: Das ist der amerikanische Weg. Man kauft sich ein Ticket und dann darf man da spielen. Wird ein Ticket verkauft, kann ein anderer Eigentümer das nehmen. Ich persönlich bin immer für das Leistungsprinzip, Auf- und Abstieg gehört dazu. Das muss man auch im Nachwuchsbereich lernen. Es gibt ja auch die Idee, dass man weiter unten dann ohne Torhüter spielt. Ein Fußballspiel hat Torhüter - und die Jungs, die Fußball spielen im Nachwuchsbereich, die wollen, dass der Ball ins Netz geht. Die wollen auch eine Tabelle, den Wettbewerb haben. Man nimmt ihnen was, was sie später dann automatisch haben müssen. Ich bin da mit diesem Regelwerk vielleicht noch „old fashioned“.

SPORT1: Gibt es denn nur Nachteile der Jugend-Reform beim DFB?

Matthäus: Ich wüsste nicht, welche Vorteile das bringen sollte, wenn ich keine Ab- und Aufstiege habe. Hertha BSC und Hamburg müssen in der Bundesliga bleiben und Heidenheim darf nicht hoch - was soll das denn? Heidenheim hat das Recht, mit der sportlichen Leistung aufzusteigen. Und die anderen haben das nicht das Recht, in der Bundesliga zu spielen, wenn sie es sportlich nicht geschafft haben. Das ist ja der sportliche Anreiz und die Motivation. Ich bin nicht unbedingt ein Befürworter, genau wie ich auch im kleineren Nachwuchs kein Befürworter bin, ohne Torwart zu spielen. Auch dort brauchen wir Ausbildung, sonst kriegen wir keinen Manuel Neuer mehr.

Wie geht es mit Nagelsmann weiter?

SPORT1: Auch bei der Frage um den A-Nationaltrainer ist lange keine Ruhe eingekehrt, ein Name tauchte unentwegt auf: Julian Nagelsmann. Zwischenzeitlich hatte er Klubs wie Tottenham oder PSG abgesagt, zuletzt ist es ruhiger geworden um ihn. Wo sehen wir ihn vielleicht mal wieder?

Matthäus: Das weiß ich nicht, denn ich kenne Julians Pläne nicht. Natürlich will er zurück ins Geschäft. Ein paar Wochen Auszeit tun gut, aber es ist jetzt schon fast ein halbes Jahr. Ich bin der Meinung, dass er natürlich mit den Hufen scharrt, aber es war eben nichts Passendes dabei, wo man eine Einigung geschafft hat. Er ist ja nach wie vor Angestellter von Bayern München. Das heißt, wenn er irgendwo hingeht, kostet er eine Ablösesumme. So einfach ist es dann also auch wieder nicht. Ich weiß, dass er ein hochqualifizierter Trainer ist, der auch bei Bayern München meiner Meinung nach einen guten Job gemacht hat. Er hat einige Sachen nicht ganz richtig gemacht, aber das passiert jungen Menschen.