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"Eberls Abgang hat den Klub erschüttert"

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"Eberls Abgang hat den Klub erschüttert"

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„Die Mannschaft hat komplett versagt!“

Borussia Mönchengladbach spielt schon wieder eine verkorkste Saison. Die Stimmung im Umfeld des Klubs ist schlecht. Bei SPORT1 redet Ex-Gladbach-Trainer Bernd Krauss nun Klartext. Auch zwei Insider legen den Finger in die Wunde und sagen, was beim Bundesligisten schiefläuft.
Borussia Mönchengladbach scheitert im DFB-Pokal blamabel am 1. FC Saarbrücken. Trainer Gerardo Seoane will nicht über seine Person reden.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Zahlen und Fakten lügen bekanntlich nicht. Wieder mal steht Borussia Mönchengladbach in dieser Phase der Saison vor einem Scherbenhaufen. Das Pokal-Aus im Viertelfinale beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken (1:2) hat die Stimmung im Umfeld endgültig umschlagen lassen.

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25 Punkte wurden nach einer Führung verspielt, der 1. FC Köln erzielte sechs seiner 20 Saisontore gegen die Fohlen, in den sechs Spielen gegen die drei Letzten der Bundesligatabelle gelang kein Sieg. Und seit zwei Jahren gab es keine zwei Liga-Siege in Folge mehr. Seit zwei Jahren!

Bernd Krauss feierte 1995 mit den Gladbachern den DFB-Pokalsieg
Bernd Krauss feierte 1995 mit den Gladbachern den DFB-Pokalsieg

Bernd Krauss ist der bislang letzte Trainer, der mit Borussia einen Titel gewann. Krauss, der von November 1992 bis Dezember 1996 Cheftrainer in Gladbach war, gewann 1995 mit den Fohlen durch einen 3:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg den DFB-Pokal. Fast 30 Jahre ist das her.

„Das ist der Wahnsinn“

„Im Pokal wurde eine Riesenchance vertan, die so schnell nicht mehr kommen wird. 30 Jahre ist der Pokalsieg schon her, das ist der Wahnsinn“, sagt der 66-Jährige im Gespräch mit SPORT1. Das Pokal-Aus war nur die Spitze des Eisbergs, die Probleme bei der Borussia - nach 25 Spieltagen Tabellen-12. - liegen viel tiefer.

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Am Samstag müssen die Gladbacher beim 1. FC Heidenheim antreten (ab 15.30 Uhr im LIVETICKER).

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„Es gibt jedes Jahr einen Klub, der auf einem Platz steht, wo man ihn gar nicht erwartet hätte. Aber bei Borussia muss alles hinterfragt werden. Es war ja in den vergangenen Jahren nicht gut. Man muss sich fragen, ob das Scouting richtig läuft, ob die richtigen Spieler geholt werden. Offenbar nicht, sonst wäre nicht jeder Trainer gescheitert. Es müssen neue Ideen her“, schimpft Krauss.

Trainer verzweifeln an Gladbach

Mit Gerardo Seoane, seit Saisonbeginn in Mönchengladbach tätig, verzweifelt gerade der dritte Trainer in Folge am Verein. Die Mannschaft hat personell kaum noch etwas mit dem Team gemeinsam, an dem Adi Hütter (jetzt bei AS Monaco) und Daniel Farke (bei Leeds United) gescheitert sind.

Was ist es also, was den Fan verzweifeln lässt? „Das Grundübel in Gladbach ist nicht der Trainer. Seoane ist ein super Trainer. Er hat in Leverkusen gute Arbeit abgeliefert. In Gladbach ist alles Friede, Freude, Eierkuchen“, findet Krauss. „Alle leben in einer Blase, jeder ist zufrieden, es gibt keine Reibungspunkte und alles ist eingefahren. In Gladbach ist es fünf vor zwölf.“

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Der Journalist Karsten Kellermann schreibt seit 25 Jahren für die Rheinische Post über den Verein. Er legt den Finger in die Wunde. „Die Stimmung ist nach dem Pokal-Aus natürlich am Boden. Die Fans, der Klub, alle haben geträumt, doch der Traum von Berlin, vielleicht vom ersten Titel seit 1995 ist geplatzt“, sagt der 53-Jährige SPORT1.

„Pokal-Enttäuschung nicht wettzumachen“

„Was bleibt ist eine Saison voller Rückschläge und eine Borussia im Mittelmaß, es fehlt an Konstanz, der oft zitierte Prozess verläuft schleppend. Die Pokal-Enttäuschung ist nicht wettzumachen, aber es müssen dringend Siege her, um nicht alles komplett kippen zu lassen.“

Wirtschaftlich gehen dem Klub mindestens 3,5 Millionen Euro durch die Lappen, „für einen Klub wie Gladbach ist das enorm schmerzhaft, weil Einnahmen aus dem Sport dringend nötig sind“, erklärt Kellermann. „Zum Beispiel hätte das für eine feste Verpflichtung von Jordan Siebatcheu helfen können.“

Der 27-Jährige ist ein US-amerikanisch-französischer Fußballspieler. Der Mittelstürmer steht als Leihspieler von Union Berlin bei der Borussia unter Vertrag. Seine Profikarriere begann Siebatcheu 2015 beim französischen Fußballklub Stade Reims.

Sportliche Chance weg

Sportlich sei die Chance weg, die Saison aufzuwerten und vielleicht den ersten Titel seit 1995 zu holen - „und Borussia damit mal wieder ins Rampenlicht zu stellen“, wie Kellermann sagt.

Auch Frank Landzettel, 1. Vorsitzender des größten Borussia-Fanclubs „Odenwälder Fohlen“, spricht bei SPORT1 Klartext: „Ich denke, die Fans gingen den Weg des Umbruchs mit, die Stimmung war bis Dienstag gar nicht so schlecht. Es gab zwar einige sportliche Rückschläge und Enttäuschungen, aber das DFB-Pokalfinale war ein großes Ziel und sportlich so machbar wie lange nicht. Seit dem Pokal-Aus ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt, denn die Mannschaft hat komplett versagt und sich selbst jeglichen Restzuspruch von den Fans verspielt.“

Was die Anhänger zudem extrem trifft: In den vergangenen Jahren sei auch die Einstellung zum Derby gegen den 1. FC Köln völlig verloren gegangen. In den zurückliegenden sieben Derbys gingen die Gladbacher nur ein einziges Mal als Sieger vom Platz. Auch dieser Fakt spricht Bände über die Identifikation der Spieler mit dem Klub.

Fanclub-Chef vermisst Drecksäcke

Es fehlen die Führungsspieler, die „Drecksäcke“, wie es Landzettel nennt, „die den Rest der Truppe mitziehen“. Und er merkt an: „Solche Spieler zu finden, sollte eine Hauptaufgabe der Verantwortlichen sein. Über einen erneuten Trainerwechsel nachzudenken, halte ich persönlich für vollkommenen Unsinn.“

Borussia kommt momentan wie ein angeschlagener Boxer daher. Seit der Trennung Marco Rose (jetzt RB Leipzig) agiert die Mannschaft ohne jede Konstanz, wechseln sich brauchbare mit unterirdischen Auftritten ab.

„Man muss wirklich alles hinterfragen. Das fängt im Jugendbereich an. Aus dem unteren Bereich kommt wenig nach. Vor der Runde wurde Platz zehn ausgegeben, das ist doch nicht Borussia-like“, meint Krauss. Und er erinnert sich an seine Zeit: „Wir hatten früher nichts und ab Platz neun wurde nicht mehr bezahlt. Da gab es Verträge nur bis Rang acht.“

Vergleiche mit Schalke und HSV?

Landzettel will nicht alles schwarzmalen - obwohl schon Vergleiche mit Schalke 04 und dem Hamburger SV die Runde machen. „Natürlich hat man solche Beispiele immer vor Augen und auch Angst, dass es dem eigenen Verein ähnlich ergehen könnte. Ich bin aber der Meinung, dass die Borussia immer noch gut aufgestellt ist und aus aktuellen Fehlern lernt.“

Gladbach-Fans würden zum Fatalismus neigen - „das lehrt sie schon die Geschichte des Klubs“, weiß Kellermann. In dieser Saison seien die Teams hinter den Gladbachern zu schwach, „da dürfte keine Gefahr bestehen“. In der neuen Saison müsse der Kader dann aber deutlich weiterentwickelt werden, um nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben.

Auffällig ist: Mit Max Eberls Weggang im Januar 2022 verschärfte sich die Krise.

„Eberls Abgang hat den Klub durchaus erschüttert. Die Hoffnung, sich mit Marco Rose oben zu etablieren, trog. Seitdem ist die Identität, die zuvor aufgebaut wurde, verloren gegangen, noch ist Borussia auf der Suche nach einer neuen, stabilen Identität“, sagt Kellermann. „Durch das sportliche Absacken und Corona fehlt das Geld für große Shopping-Touren. Es wird ein langwieriger Wiederaufbau mit dem schon dritten Trainer.“

Das Ziel müsse es sein, sich mittelfristig wieder in der Einstelligkeit wiederzufinden - mit Blick auf die unteren internationalen Plätze. „Erst mal aber geht es wohl darum, nicht weiter abzusacken“, betont Kellermann. „Darum wäre es wichtig, jetzt stark zu punkten und möglich sogar noch besser dazustehen als vergangene Saison als Zehnter, um eine Basis für die neue Saison zu schaffen.“