Als die Deutsche Fußball Liga (DFL) vor der Saison 2017/18 beschloss, künftig alle Spiele der 1. Bundesliga vom „Video Assistant Referee“ (VAR) begleiten und die Entscheidungen der Schiedsrichter vom Kölner Keller überprüfen zu lassen, waren damit große Hoffnungen verbunden. Fehlentscheidungen sollten deutlich minimiert werden, die immer wieder lautstark geäußerte Kritik an den Unparteiischen verstummen.
Revolution sorgt für Aufruhr
Doch mehr als sieben Jahre später sieht die Realität anders aus. Die hohen Erwartungen haben sich nicht so erfüllt, wie einst erhofft. Stattdessen vergeht nach wie vor kaum ein Wochenende, an dem Spieler, Trainer, Funktionäre und Fans nicht erbitterte Kritik am VAR üben. Einer der großen Streitpunkte: Dass die Zuschauer bei Toren der eigenen Mannschaft oft verfrüht jubeln, bevor der Schiedsrichter nach Minuten des Rätselratens die Treffer wieder aberkennt.

DFL will mehr Transparenz haben
Über die Begründung für die Entscheidung blieben die Fans im Stadion bislang im Unklaren.
Ein Punkt mit offensichtlich großem Verbesserungspotenzial, an dem die DFL ansetzen will - und zwar schon am kommenden Wochenende in ausgewählten Stadien, wenn eine erste Testphase mit Schiedsrichter-Durchsagen beginnt.
Das heißt: Nach VAR-Eingriffen sollen die Unparteiischen ihre Entscheidungen noch auf dem Rasen dem Stadion-Publikum kurz erläutern, wie man es etwa aus der NFL kennt. Mehr Transparenz lautet das Ziel. Im Trainingslager in Portugal haben sich die Schiedsrichter in der kurzen Winterpause auf die technische Neuerung vorbereitet.
Test in der Allianz Arena des FC Bayern
Am kommenden Wochenende soll dann der Ernstfall geprobt werden. Den Start macht am Samstag die Zweitliga-Partie zwischen Fortuna Düsseldorf und dem SSV Ulm (13 Uhr), es folgen die Begegnungen des FC Bayern gegen Holstein Kiel und St. Pauli gegen den FC Augsburg in der Bundesliga (15.30 Uhr).
Am Sonntag werden die Durchsagen auch in den Stadien von Eintracht Frankfurt (gegen den VfL Wolfsburg, 15.30 Uhr) und von Bayer Leverkusen (gegen die TSG Hoffenheim, 17.30 Uhr) zu hören sein.
„Wir haben überlegt, wie wir mehr Verständnis bei den Menschen wecken und die Transparenz in den Stadien erhöhen können. Die bleiben oft ratloser zurück als die Leute vor den TV-Bildschirmen“, sagte Bayern Münchens Sportvorstand Max Eberl als Mitglied der Kommission Fußball: „Wir finden, dass dieses Announcement für die Transparenz im Stadion und für das Verständnis für den Schiedsrichter ein Fortschritt sein kann.“ Man halte diese Testphase „für sehr, sehr gut“.
So läuft die Neuerung
„Der Schiedsrichter wird dabei immer dann zum Publikum sprechen, wenn er zur Überprüfung einer Entscheidung am Monitor in der Review Area am Spielfeldrand war – oder wenn er eine Entscheidung auf Hinweis des Video-Assistenten ändert“, heißt es in einer Pressemitteilung der DFL. „Die Durchsage erfolgt über das Mikrofon des Schiedsrichter-Headsets und wird über die Stadionlautsprecher zu hören sein. Dabei wird der Unparteiische die Zuschauer informieren, welche Spielszene überprüft wurde, zu welchem Ergebnis die Überprüfung geführt hat und wie die endgültige Entscheidung lautet. Die Bekanntgabe wird auch in die Live-Übertragung der Medienpartner integriert.“
Die Meinung der aktiven Unparteiischen selbst zu dieser Innovation sei sehr „heterogen“, das Projekt stoße „nicht auf 100-prozentige Zustimmung“, hatte Schiedsrichter-Chef Knut Kircher vor zwei Wochen im „Stahlwerk Doppelpass“ auf SPORT1 betont. Die Schiedsrichter fürchteten demnach technische Ausfälle oder Versprecher, die in einen Shitstorm in den Sozialen Netzwerken münden könnten.
Pilotprojekt stößt bei Schiedsrichtern auf Ablehnung
Nach SPORT1-Informationen stößt die Neuerung bei den Unparteiischen daher auf breite Skepsis und sogar Ablehnung. Einige Unparteiische machten daher einen Gegenvorschlag: Die Fans sollten auf den Leinwänden in den Arenen die Bilder sehen, die auch die Schiedsrichter auf ihren kleinen Monitoren am Rand des Spielfelds betrachten - das sei transparent genug.
Der Schiedsrichter GmbH des DFB als Dienstleister der DFL reicht das aber nicht. Sie möchte die komplette Transparenz. Die Zuschauer sollen mit dem sogenannten Public Announcement direkt erfahren, welche Szene mit welchem Ergebnis überprüft wurde.
„Wir sehen im Public Announcement einen wichtigen Schritt, um die Entscheidungen im Stadion verständlicher zu machen“, wurde Kircher in einer Vorab-Information von DFB und DFL zitiert.
Am kommenden Wochenende, so viel steht jetzt schon fest, werden die Schiedsrichter noch mehr im Fokus stehen als ohnehin schon.