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"Das, was er abbekommen hat, würde niemanden kalt lassen"

„Das würde niemanden kalt lassen“

Gregor Kobel geht in seine fünfte Saison als Nummer 1 von Borussia Dortmund. Im Trainingslager spricht der BVB-Keeper mit SPORT1 über Kapitän Emre Can, „Arschtreter“ Niko Kovac - und seine Hobbys.
Im Exklusiv-Interview mit SPORT1 verrät Torhüter Gregor Kobel, welche Titel-Ambitionen er mit dem BVB hat.
Gregor Kobel geht in seine fünfte Saison als Nummer 1 von Borussia Dortmund. Im Trainingslager spricht der BVB-Keeper mit SPORT1 über Kapitän Emre Can, „Arschtreter“ Niko Kovac - und seine Hobbys.

Nach vielen Jahren in der Schweiz schlägt Borussia Dortmund erstmals sein Sommer-Trainingslager im österreichischen Saalfelden auf.

Für die meisten ist alles neu – nur nicht für einen: Gregor Kobel ist mit der Region bestens vertraut. Erst vor wenigen Wochen verbrachte der BVB-Keeper seinen Urlaub im Nachbardorf Leogang. Mit seinem Vater ging er einem seiner größten Hobbys nach: Fliegenfischen. Nach eigenen Angaben auch sehr erfolgreich.

Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Dortmunds Nummer 1 über Titel-Ambitionen, die Herausforderungen als werdender Papa und wie „Arschtreter“ Niko Kovac sein Torwartspiel verändert hat. Außerdem verrät der 27-Jährige, wie er mit Kritik umgeht und wie kompetitiv die Golfrunden mit den Mannschaftskollegen sind.

BVB durch Klub-WM „auf jeden Fall eingespielter“

SPORT1: Gregor Kobel, die letzten Jahre ging es immer nach Bad Ragaz. Diesen Sommer sind Sie erstmals in Saalfelden im Trainingslager. Wie gefällt es Ihnen bislang?

Kobel: In den Bergen ist es immer wunderschön. Am Anreisetag hat es zwar leider geregnet, aber jetzt ist es sonniger und die Plätze sind top. Wir können hier richtig gut arbeiten.

SPORT1: Wegen der Klub-WM fiel der Urlaub kurz aus. Auf der einen Seite ist das natürlich eine immens hohe Belastung, auf der anderen sind Sie gut eingespielt. Überwiegen die Vor- oder die Nachteile?

Kobel: Letzte Saison hatte ich wegen des Champions-League-Finals und der EM sogar noch weniger Urlaub als diese. Da hatte ich nicht einmal die zehn Tage nach Ende der Bundesliga, die es jetzt gab. Für mich war das also alles normal. Die größte Herausforderung war immer, dass ein Teil der Mannschaft schon mit dem Training angefangen hat, und die Nationalspieler erst später dazugekommen sind. Diesmal haben alle gemeinsam gestartet. Durch die Klub-WM sind wir auf jeden Fall eingespielter.

Kobel: „Jeder Spieler will immer Titel gewinnen“

SPORT1: Die vergangene Saison war sehr turbulent: fehlende Konstanz, Trainerwechsel, fulminanter Endspurt. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser überschaubaren Hinrunde?

Kobel: Ich glaube, es macht gar nicht so viel Sinn, tief in dieses Thema hineinzugehen. Wir müssen uns darauf fokussieren, was uns in der zweiten Hälfte der Rückrunde stark gemacht hat: die Siegesserie, als wir Spiele gewonnen haben und in einen Flow gekommen sind. Wir müssen uns auf das Positive konzentrieren und in Zukunft dieselbe Energie an den Tag legen. Das bedeutet: Viel arbeiten und Spaß haben. Nur so wird man erfolgreich - hoffentlich.

SPORT1: Sie gehen in Ihre fünfte Saison mit dem BVB. Ein Titel war noch nicht dabei. Ist das ein Ziel für die kommende Spielzeit?

Kobel: Jeder Spieler will immer Titel gewinnen. Ich auch, auch darum bin ich beim BVB - das ist doch klar. Für uns ist der Weg dahin aber auch ganz wichtig. Wir müssen jeden Tag alles geben, fokussiert sein und versuchen, das Maximum rauszuholen.

SPORT1: Sie und Ihre Partnerin erwarten bald ein Kind. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, früher aus dem Trainingslager abreisen zu müssen?

Kobel: Prozentual weiß ich das gar nicht. Die Hauptsache ist, dass alles glatt läuft. Ich denke, dass es diese Woche mit dem Trainingslager noch klappen sollte. Das Handy ist aber auf jeden Fall auf laut. (lacht)

Wie Kovac Kobels Torwartspiel verändert hat

SPORT1: Sie trainieren aktuell sehr viel im Bereich Spielaufbau. Legt Ihr Trainer Niko Kovac darauf den Fokus?

Kobel: Du hast in einer Vorbereitung immer unterschiedliche Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Unser Fokus ist und wird weiterhin auf Pressing, hohen Ballgewinnen, Laufbereitschaft und Intensität liegen. Das hat uns früher ausgezeichnet und soll es auch in Zukunft.

SPORT1: Inwiefern hat sich Ihr Torwartspiel unter Niko Kovac verändert?

Kobel: Ich habe mehr Freiheiten in der Entscheidungsfindung. Gerade im Spielaufbau.

SPORT1: Das bedeutet, Sie müssen nicht immer über die Mitte aufbauen und nicht immer in einem bestimmten Muster agieren? Nimmt Ihnen das den Druck?

Kobel: Das ist jetzt sehr individuell und situationsbedingt, ich kann das selbst entscheiden. Meine Hauptaufgabe liegt aber darin, Bälle zu halten. Deshalb stehe ich im Tor.

Kobel: „Auch ich werde erwachsen“

SPORT1: In der vergangenen Saison haben Sie Ihrer Mannschaft einige Male aus der Patsche geholfen. Viele Spiele wären ohne Sie wohl anders ausgegangen. Werden Sie von Jahr zu Jahr besser?

Kobel: Ich hoffe zumindest, dass ich mich weiterentwickle. (lacht) Ich investiere jedes Jahr viel in meine Karriere und versuche, jeden Tag besser zu werden. Dazu gehört gutes Training, aber auch Themen wie Schlaf, Ernährung oder nochmals individuelle Trainingsschwerpunkte, die ich mit meinem persönlichen Trainer mache.

SPORT1: Ihr Schlafverhalten wird sich in Zukunft mit Nachwuchs zuhause vermutlich deutlich ändern ...

Kobel: Das stimmt. Normal versuche ich immer, auf meine acht oder neun Stunden zu kommen. Mit den Reisen und Abendspielen ist der Rhythmus aber ohnehin nicht der beste. Wie wir das in Zukunft lösen, müssen wir uns noch überlegen. Ich will natürlich helfen, wo es nur geht. Aber ich werde mich sicherlich in den richtigen Momenten auch mal zurückziehen. Auch wenn es deutlich weniger Schlaf werden wird: Das wird eine super Zeit und ich freue mich richtig darauf, Papa zu werden.

SPORT1: Sie übernehmen auch abseits des Platzes viel Verantwortung, stellen sich zum Beispiel nach den Spielen nahezu immer in Interviews. Gerade Ihr sehr gutes Englisch fiel während der Klub-WM positiv auf. Inwiefern haben Sie sich abseits des Platzes weiterentwickelt?

Kobel: Ich war von Anfang an oft in englischsprachigen Gruppen unterwegs. Früher mit Erling (Haaland, Anm. d. Red.), Manu (Akanji), Jude (Bellingham) und jetzt unter anderem mit Felix (Nmecha) und Jobe (Bellingham). Da sprechen wir viel Englisch. Aber ich gucke tatsächlich auch viele englische Filme und Serien. Außer Filme, die ich kenne. Die schaue ich lieber auf Deutsch. Sonst finde ich das immer komisch. (lacht) Aber auch ich werde erwachsen. Als ich zum BVB gekommen bin, war ich gefühlt noch ein Jugendlicher. Jetzt werde ich Papa.

Kritik an Kapitän Can? „War sehr hart und auch nicht fair“

SPORT1: Emre Can bleibt Kapitän der Mannschaft, seine Stellvertreter sind weiterhin Julian Brandt und Nico Schlotterbeck. Hätten Sie die Binde auch gerne gehabt?

Kobel: Für mich ändert sich nichts. Egal, ob ich Kapitän bin oder nicht, ich werde weiterhin die Mannschaft pushen und für meine Mitspieler da sein. Daran würde auch eine Binde nichts ändern. Das ist Teil meines Jobs.

SPORT1: Ihr Kapitän Can musste in der Vergangenheit viel Kritik einstecken. Wie verfolgen Sie die Berichterstattung grundsätzlich? Lesen Sie regelmäßig Artikel über sich?

Kobel: Für Emre war das sehr hart und auch nicht fair. Das, was er abbekommen hat, würde niemanden kalt lassen. Am Ende ist jeder von uns ein Mensch. Sofern Kritik sachlich ist, ist das auch okay. Man muss lernen, damit umzugehen. Trotzdem würde ich niemandem raten, jeden Tag jeden Instagram-Kommentar zu lesen. Das tut niemandem gut. Jeder muss auf seine Kopfhygiene achten.

SPORT1: Wie gehen Sie damit um?

Kobel: Für mich sind Familie und Freunde enorm wichtig, um auch mal auf andere Gedanken zu kommen. Das gibt mir neben dem Fußball viel Energie.

SPORT1: ... und Fliegenfischen oder Golf?

Kobel: Auf jeden Fall! (lacht) Das kann ich nur jedem empfehlen. Das ist wunderschön und macht wahnsinnig viel Spaß. Hobbys neben dem Fußball sind enorm wichtig, um später auf dem Platz wieder volle Leistung bringen zu können.

SPORT1: Emre Can sprach auch davon, wie „heftig“ die Trennung von Nuri Sahin war und wie „weh“ das allen im Verein tat. Wieso war das so ein harter Schlag für Sie?

Kobel: Nuri hat sehr viel mit allen von uns gesprochen. Eine Trainerentlassung hat niemand gerne. Das ist kein schönes Zeichen. Das bedeutet nämlich auch, dass du als Team nicht überzeugt hast.

SPORT1: In der Rückrunde gab es einige Spekulationen um Ihre Zukunft. War ein Abschied jemals Thema bei Ihnen?

Kobel: Ich bin super happy, hier zu sein. Jedes Spiel in unserem Stadion macht unfassbar viel Spaß. Ich beteilige mich aber nicht an Spekulationen. Das habe ich noch nie gemacht.

Ramaj? „Konkurrenz gehört immer zu unserem Geschäft“

SPORT1: Der BVB hat Torwart Diant Ramaj nach Heidenheim verliehen. Ihr Kollege macht keinen Hehl daraus, dass er irgendwann in der Zukunft die Nummer 1 in Dortmund werden will. Wie kommt das bei Ihnen an? Motiviert Sie das?

Kobel: Persönlich kenne ich ihn noch nicht so gut. Natürlich will jeder sein Ziel und das Maximum erreichen. Als Torwart ist das nochmal schwieriger. In der Bundesliga gibt es nur 18 freie Posten. Das ist nicht viel. Konkurrenz gehört immer zu unserem Geschäft dazu. Du hast immer jemanden hinter dir, der Druck macht. Ich denke aber nicht allzu viel darüber nach, sondern versuche, jeden Tag mein Bestes zu geben.

SPORT1: Kurz vor der Klub-WM wechselte Jobe Bellingham zum BVB. Sie kennen auch seinen Bruder Jude, haben mit ihm zusammengespielt. Wie ähnlich sind die beiden sich - und kann Jobe den BVB auch auf ein anderes Niveau heben?

Kobel: Das sind zwei spezielle Typen, die sich in gewissen Sachen unfassbar ähnlich sind. Sie sind wahnsinnig reif für ihr Alter. Auf dem Platz sind sie aber zwei unterschiedliche Typen. Jobe ist, genauso wie sein Bruder, unglaublich ambitioniert, physisch stark, haut sich rein und will immer gewinnen. Er kann uns nur guttun.

SPORT1: In den letzten Jahren hatten Sie in der Hinrunde immer massive Probleme. Stichwort: „Herbstfluch“. Wieso wird das in der kommenden Saison nicht passieren?

Kobel: Wir haben eine gute Klub-WM gespielt und sind auch jetzt schon auf einem guten Niveau. Dazu macht es Niko richtig gut. Wenn er das Gefühl hat, er muss uns in den Arsch treten, dann tritt er uns in den Arsch. Das tut uns gut. Wir sind eine starke Truppe, jetzt müssen wir es nur wieder auf den Platz bringen.

SPORT1: Wie sieht dieses „Arschtreten“ aus? Gibt es dann viele Läufe oder kitzelt er Sie verbal?

Kobel: Die Läufe gehören sowieso dazu. Meine Schwerpunkte liegen aber nicht zwingend auf Dauerlauf. Niko kann aber auch verbal deutlich werden.

SPORT1: Bis Samstag sind Sie noch hier im Trainingslager. Donnerstag ist frei, um die Ecke ist ein Golfplatz. Wen nehmen Sie mit?

Kobel: Julian Ryerson ist sicher dabei. Ich hoffe, Niki Süle, Daniel Svensson und Gio Reyna auch. Zu viert werden wir aber auf alle Fälle sein. Da wird mit Sicherheit auch Feuer drin sein. (lacht) Wir sind eben eine Fußballtruppe, da geht es immer ums Gewinnen.