Jan-Christian Dreesen hatte sich sichtlich viel vorgenommen. Auf der Jahreshauptversammlung wollte der CEO des Rekordmeisters zum einen dem Eindruck entgegenwirken, der FC Bayern nage am Hungertuch.
Dieses Bayern-Dilemma ist kaum lösbar
Dieses Bayern-Dilemma ist kaum lösbar
Zum anderen hatte er mit Blick auf die vergleichsweise niedrigen Einnahmen der Bundesliga aus der Auslandsvermarktung eine Botschaft an die Deutsche Fußball-Liga im Gepäck: „Deswegen muss die DFL mehr tun, aber wir alle müssen mehr tun.“
Damit dürfte Dreesen vor allem die nationale Konkurrenz meinen, denn anschließend forderte er „mehr Sichtbarkeit“: „Wir sollten nicht jammern über Spiele, sondern neue Wettbewerbe auch als Chance sehen. Wir müssen neue Märkte erobern.“
Bayern ist auf Konkurrenz angewiesen
Der CEO fuhr damit weiter die Linie, die er bereits im Sommer 2024 während der Korea-Tour der Bayern predigte. In Seoul forderte er damals die anderen Bundesligisten dazu auf, ebenfalls PR-Reisen ins ferne Ausland zu unternehmen.
Zur Erinnerung: Bayer Leverkusen drückte sich damals – obwohl man gerade Meister geworden war – vor einer solchen Tour. In München kam das nicht gut an.
Schließlich ist man an der Säbener Straße bei allem Wunsch nach Dominanz auch auf eine gewisse Stärke der Konkurrenz angewiesen.
Eine langweilige Liga lässt sich in anderen Ländern eher schlecht verkaufen, doch angesichts der Siegesserie der Münchner ist klar: Die Bundesliga hat ein Attraktivitätsproblem. Ausländische TV-Sender und Streaming-Dienste bezahlen vor allem für spannende Partien und Wettbewerbe.
Auch Bayern hat die Lösung noch nicht gefunden
Für die Bayern entsteht so ein doppeltes Problem, das in einem Teufelskreis mündet. Um weiterhin an die großen Geldtöpfe der UEFA in der Champions League zu gelangen, muss man teure Spieler einkaufen. Die sorgen gleichzeitig allerdings dafür, dass Bayerns Vormachtstellung in der Bundesliga ausgebaut wird und der dortige Wettbewerb langweilig wird.
Die Folge: Deutschland kassiert im Ausland weniger TV-Gelder. Eine Entwicklung, die sich bereits über Jahre beobachten lässt. Eine Exit-Strategie ist derweil nicht in Sicht – auch nicht bei den Münchner Bossen. Es ist ein kaum lösbares Problem und der FCB gerät in eine Zwickmühle.
Als Dreesen von SPORT1 im Anschluss an die JHV nach konkreten Lösungen gefragt wurde, blieb der CEO vage. „Es ist mir auch zu einfach, es darauf zu reduzieren, dass wir nicht attraktiv genug sind als deutsche Bundesliga, weil der FC Bayern so gut dasteht. Das ist mir zu einfach“, sagte der 58-Jährige.
Und weiter: „Es wird ganz oft gesagt: ‚Der Wettbewerb ist nicht intensiv genug.‘ Oder: ‚Es wird immer derselbe Meister.‘ Wir laden jeden ein, sich mit uns in den Wettbewerb zu begeben und es auch zu versuchen. Und dann sind wir auch attraktiv.“
Spannung allein bringt die Bundesliga nicht voran
Worte, die man in Leverkusen oder Dortmund sicherlich vernommen haben dürfte. Die Lücke zu den Bayern lässt sich aber nur schwer schließen – über Nacht geht das ohnehin nicht. Die beiden vermeintlichen Top-Konkurrenten müssen regelmäßig ihre besten Spieler verkaufen, um aus dem Wettbewerb kein Rattenrennen machen zu müssen. Und: Der Wunsch nach Solidarität ist bei den Vereinen weiterhin groß.
Dreesen und die Bayern begeben sich auf einen schmalen Grat, wenn sie von den finanziell deutlich schwächeren Gegnern mehr Engagement verlangen.
Doch wenn es um die reine Spannung in der Liga geht, macht der Münchner CEO einen wichtigen Punkt: Ein abwechslungsreicher Meisterkampf allein macht eine Liga nicht attraktiv. Beispiel Italien: Dort holten in den vergangenen sechs Jahren vier verschiedene Mannschaften den Titel – und trotzdem nimmt man sogar noch weniger Geld ein als die Bundesliga.
„Irgendwas falsch im Gebälk“
Deswegen richtet sich Dreesens Blick besonders nach England oder Spanien. „Wenn der Erste der Premier League mehr als das Doppelte des FC Bayern bekommt, wenn der Letzte im vergangenen Jahr, Southampton, noch immer 25 Prozent höhere Medieneinnahmen hat, als der Deutsche Meister, dann ist irgendwas falsch im Gebälk“, so der bayerische CEO auf der JHV.
Das wolle und könne man nicht mehr akzeptieren.
Seine Lösung lautet offenkundig „Sichtbarkeit“, doch gleichzeitig bekannte er, dass er kein Freund von deutschen Pflichtspielen im Ausland sei.
Es dürfte also darauf hinauslaufen, dass sich Dreesen innerhalb der DFL für mehr PR-Reisen stark macht. Ob das den Kollegen der anderen Vereine schmeckt, steht auf einem anderen Blatt.