Wer den Namen Jens Lehmann bei Google eingibt, bekommt als erstes „Skandale“ angeboten. Das hat er nicht zuletzt der 2022 Aufsehen erregenden Kettensäge-Attacke gegen Nachbars Garage, die ihm die Sicht auf den Starnberger See verstellte, zu verdanken.
Als Jens Lehmann zum Schuhdieb wurde
Als Lehmann zum Schuhdieb wurde
Auch auf dem Platz sorgte er für die eine oder andere Kapriole. Erstmals auffällig wurde er mit 23 Jahren bei Schalke. Beim Spiel in Leverkusen hielt er 1993 schlecht, die Fans verhöhnten ihn und Trainer Jörg Berger nahm ihn in der Halbzeit besser raus.
Wie das Spiel ausging, interessierte ihn nicht mehr sonderlich, er fuhr, noch während es lief, mit der S-Bahn nach Hause. Das Geld für den Fahrkartenautomaten lieh er sich von einem gleichsam frustriert früher abhauenden Fan und zahlte es Jahre später an dessen Sohn zurück. Das war noch lustig.
Bundesliga: Lehmann und ein unrühmlicher Rekord
In seiner Vita stehen auch fünf Platzverweise allein in der Bundesliga, natürlich Rekord für einen Torwart. Im Februar 2003 glückte ihm sogar das seltene Kunststück, nach einer Attacke gegen einen Mitspieler, Marcio Amoroso, vom Platz zu fliegen – ausgerechnet im Revierderby, nun als BVB-Keeper.
Auch in der Nationalmannschaft sorgte er häufiger für Aufsehen. Legendär seine Scharmützel mit Rivale Oliver Kahn („Was soll ich mit dem reden? Ich habe keine 24-jährige Freundin, ich habe ein anderes Leben“).
Man war also einiges gewohnt von Lehmann, als der damals fast 40-Jährige 2008 hochdekoriert aus der Premier League nach Deutschland zurückkehrte und beim VfB Stuttgart anheuerte.
Dass er zum Abheben neigte, konnten die Trainingskiebitze bezeugen. Sahen sie doch mehrmals Lehmann in einen Helikopter steigen, um die 250 Kilometerreise zu seinem Wohnsitz am Starnberger See zu beschleunigen. Dort landete er auf dem örtlichen Fußballplatz, bis sich lärmgeplagte Anwohner diese Extravaganz mit Erfolg verbaten.
Lehmann als „Stinkstiefel der Liga“ tituliert
In der Saison 2008/09 kamen dann einige Sachen zusammen, die ihm von der Bild die Bezeichnung „Der Stinkstiefel der Liga“ einbrachten.
Im September riss er Hoffenheims Stürmer Demba Ba einfach mal um und zeigte Schiedsrichter Felix Brych ungestraft den Vogel. Im November trat er gegen Kölns Roda Antar nach.
Im Januar kritisierte er nach dem Pokal-Aus gegen die Bayern die Vorbereitung sowie einige Mitspieler und musste dafür 12.000 Euro in die Mannschaftskasse zahlen.
Mitte Februar riss er Mitspieler Khalid Boulahrouz beim Spiel in St. Petersburg das Stirnband vom Kopf und warf es hinter das Tor. Grund: der Kollege hatte ein Kopfballduell verloren. Auch im hohen Fußballer neigte der überehrgeizige Keeper noch zum Ausrasten.
Lehmann klaut den Schuh von Salihovic
Dann kam der 21. Februar 2009 - und mit ihm kamen die Himmelsstürmer aus Hoffenheim ins einstige Neckar-Stadion. Der Aufsteiger war auf Anhieb Herbstmeister geworden und stand vor der Partie auf Platz zwei, Lehmanns VfB auf Platz sieben. 54.000 Zuschauer sahen ein packendes Spiel mit wechselnden Führungen.
Nach 80 Minuten stand es 3:3, schon die schiere Anzahl der Gegentore war womöglich ein Grund für Lehmanns Dünnhäutigkeit. Nach einem Foul von Sami Khedira an Hoffenheims Standardspezialisten Sejad Salihovic verlor dieser seinen rechten Schuh. Der lag 20 Meter vor dem VfB-Tor und hatte da natürlich nichts verloren.
Doch musste ausgerechnet Lehmann ihn entsorgen? Fußballer, die keine Schuhe tragen, bekommen bekanntlich die Gelbe Karte. Der bereits verwarnte Salihovic hatte schon eine gesehen und stand nun vor dem Platzverweis.
Doch der Schiedsrichter bemerkte es nicht, obwohl Salihovic wohl eine halbe Minute suchend umherirrte. Er hatte ja nicht mitbekommen, wohin Platzreiniger Lehmann das Utensil befördert hatte: schwungvoll und hinterrücks auf das Tornetz.
Möglicherweise nicht ganz beabsichtigt, aber trotzdem unsportlich. Salihovic humpelte schließlich zum VfB-Kasten und schüttelte seinen Treter herunter.
Gästetrainer Ralf Rangnick zürnte: „So etwas habe ich noch nie erlebt. Diese Mätzchen soll er mit seinen Mitspielern machen.“ Er fand: „Dafür hätte er die Gelbe Karte verdient.“ Salihovic fand die Aktion zumindest „nicht lustig“.
Salihovic verpasst Revanche spät
Lehmann verteidigte sich, er tue dies „mit allen Dingen in und um meinen Strafraum herum“. Bloß war halt noch nie ein Schuh eines Gegenspielers dabei.
Dessen Besitzer bot sich die große Chance, sich dafür zu rächen, als der Nachmittag in Stuttgart eine besondere Pointe bekam. In der 90. Minute entschied Michael Kempter auf Foulelfmeter für die TSG – und Salihovic trat an.
Ob der Schuh noch nicht richtig saß? Jedenfalls drosch er den Ball über Lehmanns Tor und es blieb beim 3:3. Lehmann war wieder mal davon gekommen: keine Strafe, keine Sperre, keine Niederlage.
Änderte er sich dadurch?
Nicht wirklich. Im Dezember 2009 verursachte er einen Elfmeter in Mainz, der den Sieg kostete, flog zudem vom Platz.
Von einem VfB-Fan auf dem Weg zum Bus deshalb kritisiert, nahm Lehmann ihm die Brille ab und gab sie erst auf mehrfache Aufforderung zurück. Dabei hatte der Mann keineswegs unhöflich, geschweige denn unberechtigt, nur gefragt: „Geht’s einmal normal, Herr Lehmann?“