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Kritik von Flick! Hat Niklas Süle das verdient?

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Kritik von Flick! Hat Niklas Süle das verdient?

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Hat Süle das verdient?

Seit Jahren schleppt Niklas Süle einen Rucksack mit sich rum. Kritiker sagen, er habe Übergewicht und eine mangelhafte Einstellung. Jetzt fehlt der Dortmunder plötzlich sogar im DFB-Kader, Bundestrainer Hansi Flick übt öffentlich Kritik. Zu Recht?
Der DFB-Kader für die Länderspiele im Juni gegen die Ukraine, Polen und Kolumbien wurde bekanntgegeben. Hansi Flick erklärt seine Entscheidung und Vorhaben im Sommer.
Bjarne Lassen
Bjarne Lassen

Seit Jahren raten die Deutschen das genaue Gewicht von Niklas Süle, als wären es die Lottozahlen.

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Lag der Innenverteidiger unter Bayern Münchens 100-Kilo-Grenze? Kam er mit vier oder mit zwölf Kilo Übergewicht zu Borussia Dortmund? Und wie viel nimmt der Profi eigentlich zu, wenn er bei McDonald‘s isst?

Die Geschmacksgrenze ist bei der allgemeinen Körper-Kritik an Süle längst überschritten. Trotzdem musste sich Süle die Sprüche bislang stets gefallen lassen, schließlich ist er Profi-Sportler, sein Körper sein Kapital.

Zuletzt kritisierte nun auch ausgerechnet Bundestrainer Hansi Flick seinen ehemaligen Bayern-Schützling in einem FAZ-Interview, warf ihm mangelnde Einstellung und Form vor.

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Aber ist die ständige Kritik an dem 27-Jährigen überhaupt berechtigt? Was sagen Süles Leistungsdaten zu den Vorwürfen, die ihm immer wieder von unterschiedlichsten Seiten gemacht werden?

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„Antritt wie eine Wanderdüne“: Ist Süle laufscheu?

Im vergangenen Sommer wechselte Süle von der Isar an die Ruhr, wurde dort aber sofort von einer Muskelverletzung ausgebremst. Die ersten zwei Saisonspiele verpasste er verletzt, debütierte dann ausgerechnet bei Dortmunds historischer 2:3-Heimpleite gegen Bremen. Süle kam in der 62. Minute für Mats Hummels ins Spiel, als der BVB 2:0 noch führte, dann kassierte die Hintermannschaft um Süle zwischen der 89. und der 90+5. Minute noch drei Treffer.

Niklas Süle erlebt ein Bundesliga-Debüt für den BVB, das für ihn kaum bitterer hätte verlaufen können. Auch ein weiterer BVB-Neuzugang legt einen Auftritt zum Vergessen hin.
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Niklas Süle mit bitteren Fehlern, Fremdkörper Modeste: BVB-Probleme vs. Bremen

Daraufhin sagte Guido Schäfer, Journalist der Leipziger Volkszeitung und Ex-Profi von Mainz 05, im STAHLWERK Doppelpass bei SPORT1, Süle habe „einen Antritt wie eine Wanderdüne“. Stefan Effenberg fügte in derselben Sendung hinzu: „Ich bin der Meinung, dass Süle als linker Innenverteidiger den Ball sehr wohl blocken kann, wenn er da im richtigen Tempo hingeht“.

Auch Friedhelm Funkel tadelte den 1,95-Meter-Mann direkt nach Abpfiff bei Sky: „Der Pass, der vor dem 3:2 in die Tiefe gespielt wird, den muss Süle einfach ablaufen.“ Und Stefan Reuter vom FC Augsburg sagte zu Süles zähem Debüt in Schwarz-Gelb, es hätte ausgesehen, als „hätte er noch nicht die optimale Verfassung“.

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Ein Blick ins Statistik-Fach der abgelaufenen Bundesliga-Saison spricht gegen solche Vorwürfe. Bei der Anzahl der Sprints landet Süle mit 374 vor seinen Dortmund-Kollegen Nico Schlotterbeck (370) und Mats Hummels (357). Beim Blick zu Süles Ex-Klub nach München überrascht, dass Süles Erbe Matthijs de Ligt deutlich weniger Sprints anzog (345), der Niederländer in der Öffentlichkeit aber meist für seinen Fleiß und seine Gedankenschnelligkeit gefeiert wurde.

Falls Laufbereitschaft also ein Einsatzmerkmal ist, kann man diese dem 27-Jährigen nicht absprechen.

Flick und Süle: Schon beim FC Bayern war es kompliziert

Wie das Schicksal es wollte, hatte Süle seine Münchner Glanzzeiten unter Flicks Vorgänger. Im Herbst 2019, als Bayern unter Niko Kovac durch die Liga stolperte und zeitweise sogar aus den Champions-League-Rängen fiel, war Süle noch Bayerns Bester.

Beim 1:5 in Frankfurt, das Kovac seinen Job kostete, fehlte Süle verletzt: Wenige Tage bevor Flick vom Co- zum Chef-Trainer befördert wurde, riss sich Süle das Kreuzband. Der einstige Abwehrchef musste sieben Monate lang von außen zuschauen, wie Flick aus einem Hühnerhaufen einen Champions-League-Sieger formte.

Ein Jahr später, Corona-Herbst 2020: Es fröstelte gewaltig zwischen Spieler, Trainer und Führungsetage. In München hieß es, Süle sei nach seiner Länderspielreise im November mit zwei Kilo Übergewicht an die Säbener Straße zurückgekehrt.

Hansi Flick und Niklas Süle 2021 beim Spiel des FC Bayern gegen Schalke
Hansi Flick und Niklas Süle 2021 beim Spiel des FC Bayern gegen Schalke

Danach ließ Flick den Verteidiger bei wichtigen Champions-League-Spielen und Bundesliga-Partien zuhause, gab in der Öffentlichkeit bloß einen „Trainingsrückstand“ als Grund an. Mysteriös, schließlich ist in Süles Krankenakte zumindest öffentlich für diesen Zeitraum keine Erkrankung oder Verletzung verzeichnet.

Süles FCB-Vertrag hatte damals noch eine Restlaufzeit von anderthalb Jahren, doch die Bayern-Bosse sollen ernsthaft an Süles Arbeitseinstellung gezweifelt haben. Sie waren unsicher, ob sie den Vertrag mit dem Abwehrschrank überhaupt verlängern wollten. „Vor der Aufnahme von Vertragsgesprächen spielt der Nationalspieler erst einmal auf Bewährung“, schrieb die Sport Bild.

Übergewicht hin oder her: In der Pandemie-Spielzeit 2020/21 lag Süles Top-Speed von 34,05 km/h nur knapp hinter der Maximalgeschwindigkeit von Stuttgarts Konstantinos Mavropanos (34,06 km/h), dem wohl noch niemand vorgeworfen hat, behäbig zu spielen oder langsam zu sein.

Erst in der Folgesaison unter Julian Nagelsmann knickte Süle auch hier ein: In der Spielzeit 2021/22 war er mit einem Top-Speed von 33,66 km/h nur auf Rang 137 der Bundesliga.

Die Glas-halb-leer Brigade der Bayern dürfte sich ob dieser Zahlen im Recht fühlen, schließlich durfte Süle den Klub nach seiner tempoarmen Saison ablösefrei verlassen.

Berater Volker Struth: Süle-Gewicht egal, wenn er Leistung bringt

Süle verließ die Bayern bekanntermaßen gen Dortmund - und tauchte beim BVB prompt mit sattem Übergewicht auf. Stolze 110 Kilo soll er bei seiner Ankunft im Sommer 2022 gewogen haben, verriet SPORT1-Reporter Kerry Hau im SPORT1-Podcast „Die Bayern-Woche“.

Winter-Trainingslager in Marbella: Niklas Süle beim Testspiel gegen den FC Basel
Winter-Trainingslager in Marbella: Niklas Süle beim Testspiel gegen den FC Basel

Dabei war Süles Vorliebe für Fast Food sogar in den BVB-Verhandlungen ein Thema gewesen!

Die Dortmund-Bosse hatten ihren Wunschspieler im persönlichen Gespräch ganz direkt gefragt: „Niklas, man sagt dir ja nach, dass du gerne mal einen Hamburger isst oder vielleicht auch mal ein Bierchen trinkst.“ So zitierte Süles Berater Volker Struth die Verantwortlichen bei Bild.

„Das hat der Junge ehrlicherweise mit Ja beantwortet“, lachte Struth. Dem Berater zufolge sagte Süle den Dortmund-Verantwortlichen auch: „Bei mir wird halt ein bisschen öfter darüber gesprochen. Und bei mir sieht man die zwei Kilo, die ich mehr wiege, auch.“

Ein Jahr Borussia Dortmund hat Süle nun auf dem Buckel. Mit ihm in der Mannschaft gelang fast der erste Bundesliga-Titel seit elf Jahren. Süle und Dortmund: Das passt.

Ein Erfolgsgarant ist dabei Sebastian Kehl. Als sich verschiedene Sportmedien im Sommer 2022 uneinig waren, wie viele Kilos genau Süle nun auf die Waage bringen würde, nahm Kehl seinen Star-Zugang in Schutz. „Ich finde es gegenüber Niklas nicht in Ordnung, dass das Thema wieder aufgemacht wird. Wir sollten einen Haken darunter machen“, sagte der Sportdirektor auf einer Pressekonferenz.

Süle: Viertbester Passgeber der Liga, nie gelbgesperrt

Dieses Statement verlieh Süle offenbar Flügel. Denn in seiner ersten Saison in Schwarz-Gelb erreichte Süle - ob übergewichtig oder nicht - einen Top-Speed von 34,59 km/h. Das ist persönlicher Bestwert. Bei den Innenverteidigern waren nur Mavropanos (34,69 km/h), Bayerns Lucas Hernandez (34,75 km/h) und das Wolfsburg-Trio aus Sebastian Bornaauw (34,83 km/h), Maxence Lacroix (35,23 km/h) und Micky van de Ven (35,97 km/h) flinker als Süle. Spitzenreiter ist allerdings Bayerns neuer Abwehrboss Dayot Upamecano (35,67 km/h).

Außerdem ist Süle einer der fairsten und effizientesten Spieler der Bundesliga. Er kommt trotz seiner Statur fast ohne Fouls aus. Süle war in zehn Jahren Bundesliga noch nie (!) gelbgesperrt. Eine unterschätzte Statistik, zeigt sie doch, dass der Verein des Verteidigers sich stets auf seinen Einsatz verlassen kann, egal, welcher Gegner als nächstes wartet.

Kein Vorbeikommen: Die Top 5 Defensivaktionen am 32. Bundesliga-Spieltag. Süle, Janko, Lenz und  retten in letzter Sekunde.
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Top 5 Defensivaktionen vom 32. Spieltag: Süle, Janko, Lenz, Thorsby

Zu guter Letzt wäre da noch der Spielaufbau, eine elementar wichtige Qualität im modernen Fußball. Diese lässt sich unter anderem aus der Passgenauigkeit der Fußballer erlesen. Hier verkörpert Süle trotz Körpermasse absolute Spitzenklasse.

Matthäus schützt Süle: „Von der Statur her so gebaut“

Die offizielle Passquoten-Statistik der Bundesliga liest sich wie ein „Who is Who“ der besten Verteidiger. Niklas Süle ist ligaweit auf der Vier, brachte diese Saison 92,56 Prozent seiner Pässe an einen Mitspieler. Der Dortmunder ließ dabei Hochkaliber wie WM-Entdeckung Josko Gvardiol, Bayern-Star Joshua Kimmich und den umworbenen Köln-Motor Ellyes Skhiri hinter sich. Nur die Pässe von Nico Elvedi (94,25 Prozent), Matthijs de Ligt (93,82 Prozent) und Jonathan Tah (92,9 Prozent) kamen noch akkurater als die von Süle.

Süle hatte großen Anteil am Dortmunder Aufschwung, spielte speziell in der Rückrunde stark auf. Lothar Matthäus scherzte am Finalabend der Conference League live bei RTL Nitro: „Also ich möchte nicht unbedingt gegen ihn spielen.“

„Süle schaut fit aus“, sagte der ehemalige Weltfußballer und heutige TV-Experte. Der Körper des Profis wirke laut Matthäus einfach fülliger als er in Wirklichkeit ist: „Das sieht aber bei Serge Gnabry ähnlich aus. Sie sind einfach von der Statur her so gebaut und so muss man sie nehmen“.

Ex-Dortmund-Stürmer Karl-Heinz-Riedle betonte zudem, dass er die Kritik von Flick nicht mitgehen könne, weil Süle eine gute Saison für den BVB gespielt habe.

Vielleicht bekommt der bekennende Fast-Food-Liebhaber ja bei der Länderspielpause im September die Chance, auch Bundestrainer Flick persönlich von seinen Qualitäten zu überzeugen.