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DFB-Hoffnung exklusiv! "Gigant"? "Ich lese das ohnehin nicht"

So will Bisseck zurück in die DFB-Elf

Yann Aurel Bisseck nimmt bei Inter Mailand wieder eine wichtige Rolle ein. Der deutsche Innenverteidiger hat die WM 2026 fest im Blick und ist davon überzeugt, auch der Nationalmannschaft helfen zu können, wie er im exklusiven Interview verrät.
Yann Aurel Bisseck spricht im SPORT1-Interview über die Gerüchte, die ihn im Herbst mit einem Abschied von Inter Mailand in Verbindung gebracht haben.
Yann Aurel Bisseck nimmt bei Inter Mailand wieder eine wichtige Rolle ein. Der deutsche Innenverteidiger hat die WM 2026 fest im Blick und ist davon überzeugt, auch der Nationalmannschaft helfen zu können, wie er im exklusiven Interview verrät.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten zu Beginn der Saison ist Yann Aurel Bisseck wieder in der Erfolgsspur. Seine Verletzung aus dem Champions-League-Finale hat der Star von Inter Mailand überstanden und sich anschließend zurück in die Startelf der Italiener gekämpft. Beim 2:1-Sieg seiner Mannschaft am vergangenen Wochenende in Genua traf er sogar und wird von Teilen der italienischen Presse als „Gigant“ gefeiert.

Im exklusiven Interview mit SPORT1 spricht der 25-Jährige über seine Pläne, seine Ziele, seine mentale Kraft und seine Chancen auf einen Platz im deutschen WM-Kader. Nach seinem DFB-Debüt im Frühjahr möchte Bisseck unbedingt auch wieder in der Nationalmannschaft angreifen und Bundestrainer Julian Nagelsmann von seiner Qualität überzeugen. Aktuell stehen die Chancen nicht schlecht.

SPORT1: Herr Bisseck, Gratulation zum Sieg in Genua und vor allem auch zu Ihrem Treffer. Wie geht es Ihnen und auf welchem Level sehen Sie sich derzeit?

Yann Aurel Bisseck: Ich fühle mich sehr, sehr gut. Vor allem physisch fühle ich mich top und stehe sehr gut im Saft. Auch mental bin ich motivierter denn je – schließlich war die Saison bislang nicht immer leicht. Ich bin in sehr guter Form und arbeite täglich daran, dass es so bleibt.

Meister mit Inter? „Der Druck ist enorm“

SPORT1: Wie so oft in Italien ist es derzeit an der Spitze der Tabelle sehr eng. Wer ist aus Ihrer Sicht aktuell der Favorit auf den Titel?

Bisseck: Das kommt vermutlich darauf an, wen man fragt. Natürlich ist Neapel als aktueller Meister einer der Favoriten, aber wir sind nun mal Inter und stehen oben. Milan ist aktuell in allen Wettbewerben gut dabei. Aber wenn wir unsere Aufgaben erledigen, haben wir eine sehr gute Chance auf den Titel.

SPORT1: Wie groß ist der Druck, Meister zu werden?

Bisseck: Der Druck ist enorm – weil wir eine richtig gute Mannschaft sind. Das muss man aber ausblenden. Angesichts des Verlaufs der vergangenen Saison ohne Titel wäre es natürlich schon wichtig, jetzt Titel zu holen.

SPORT1: Sie sprechen die vergangene Spielzeit ohne Trophäe an: Wie war im Sommer nach all den Enttäuschungen die Stimmung innerhalb der Mannschaft?

Bisseck: Im Sport gehört es einfach dazu, dass man manchmal seine Ziele nicht erreicht. Wir haben eine tolle Saison gespielt. Manche würden sagen, dass das ohne einen Titel nichts wert ist, aber das ist in meinen Augen nicht die richtige Einstellung. Wir haben die Saison gemeinsam verdaut und hatten dann mit dem neuen Trainerteam ohnehin eine neue Situation. Die Enttäuschung ist raus aus unseren Köpfen.

Bisseck hat sich zurückgekämpft

SPORT1: Hat die Klub-WM bei diesem Prozess geholfen? Beim FC Bayern spricht man zum Beispiel davon, dass diese Zeit in den USA die Mannschaft noch mehr zusammengeschweißt hat.

Bisseck: Wenn man außerhalb des gewohnten Umfelds viel Zeit miteinander verbringt, macht das sicherlich etwas mit der Mannschaft – auch gemeinsame private Unternehmungen sind da wichtig. Hätten wir uns nach der Niederlage im Champions-League-Finale längere Zeit nicht gesehen, wäre das vielleicht anders gelaufen.

SPORT1: Sie hatten einen schwierigen Start in die Saison und haben nur wenig Spielzeit erhalten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Bisseck: Es war eine schwierige und herausfordernde Phase – schließlich war ich in der Saison davor richtig gut und habe viel gespielt. Wenn ein neuer Trainer kommt, ist man natürlich besonders motiviert, aber ich hatte bekanntlich das Pech, dass ich mich im Finale der Champions League verletzt habe. Daher konnte ich den Großteil der Vorbereitung nicht mitmachen. Daher bin ich unter dem neuen Trainer mit einem kleinen Rückstand gestartet. Inzwischen bin ich aber wieder voll im Team dabei, bekomme viele Einsatzminuten und spüre das Vertrauen des Trainers. Wir sprechen hier aber auch von Inter Mailand – wir haben eine hohe Anzahl an internationalen Top-Verteidigern.

SPORT1: Stichwort Verletzung und Ersatzbank: Was hat Ihnen damals geholfen?

Bisseck: Ich hatte in meinem Leben schon häufiger Erwartungen, die sich dann – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfüllt haben. Ich bin in dieser Hinsicht gut geschult und wusste, dass es aus so einer Situation keinen leichten Ausweg gibt. Man muss trotzdem kämpfen. Das habe ich gemacht und ernte jetzt die Früchte. Jetzt muss es aber natürlich so weitergehen.

„Spiele auf der Bank sind nicht das Schlimmste auf der Welt“

SPORT1: Ihr Karriereweg ist ja durchaus ein besonderer. Hat das zuletzt auch eine Rolle gespielt?

Bisseck: Ja, sicherlich. Wenn man so wie ich auch schon einmal davorstand, die Karriere zu beenden, sind ein paar Spiele auf der Bank nicht das Schlimmste auf der Welt. Ich habe dieses Mindset und versuche, das zu meinen Gunsten zu nutzen.

SPORT1: Welche Rückmeldung gab es von Trainer Cristian Chivu?

Bisseck: Ich bin keiner, der viel meckert oder lamentiert. Ich schaue immer zuerst darauf, was ich besser machen muss. Ich habe nicht aufgegeben und jetzt läuft es wieder richtig gut. Man muss das beeinflussen, was man auch wirklich beeinflussen kann – zum Beispiel die Trainingsleistung.

SPORT1: Wenn Sie gemeckert hätten, hätte das vermutlich auch nichts geholfen, oder?

Bisseck: Ich hatte in anderen Mannschaften immer wieder mal Kollegen, die sofort beim Trainer an der Tür geklopft haben. Ich halte mich da lieber zurück.

SPORT1: Zuletzt wurden Sie in der italienischen Presse als „Gigant“ bezeichnet. Was macht das mit Ihnen?

Bisseck: Man darf da nicht zu viel hineininterpretieren. Da wird viel geschrieben – in jede Richtung. Aber ich lese das ohnehin nicht. Meine Eltern lesen alles und schicken es mir dann ab und zu in unseren Familien-Gruppenchat. Da kriege ich dann manchmal doch etwas mit. (lacht)

Bisseck baut auf den Rückhalt der Familie

SPORT1: Interessiert Sie das wirklich überhaupt nicht?

Bisseck: Wenn man etwas über sich selbst liest, kann nichts Gutes dabei herauskommen. Ist es positiv, neigt man vielleicht dazu, sich zu überschätzen. Bei schlechten Schlagzeilen bekommt man unter Umständen Selbstzweifel.

SPORT1: Wo holen Sie sich denn dann Feedback?

Bisseck: Bei den Menschen, die mir wichtig sind und die Ahnung von Fußball haben. (lacht) Denen vertraue ich und auf deren Urteil verlasse ich mich. Und natürlich höre ich auf das Trainerteam.

SPORT1: Wie wichtig ist hier Ihre Familie?

Bisseck: Sehr wichtig. Ich hoffe, dass sie stolz auf mich sind, weil sie zu meinem Weg natürlich auch viel beigetragen haben. Sie haben für mich viel geleistet und geopfert.

SPORT1: Können Sie sich denn in Italien noch frei bewegen oder werden Sie sofort von Fans umringt? Gibt es viele Schulterklopfer?

Bisseck: Mailand ist fußballverrückt, deswegen ist das schwierig. Aber man merkt im persönlichen Kontakt, dass das, was im Internet steht, in vielen Fällen überhaupt keinen Sinn ergibt. Wenn man direkt auf die Menschen trifft, hört man nie Kritik und die Leute wollen Fotos. Im Netz ist das anders. Wenn man das erlebt, weiß man: Was im Internet über einen steht, ist ziemlich egal.

Der Traum von der WM-Teilnahme

SPORT1: Wie groß ist Ihr Traum von der WM-Teilnahme?

Bisseck: Ich hoffe, dass ich weiterhin auf dem Radar des Bundestrainers bin – auch wenn es am Anfang der Saison für mich schwierig war. Ich versuche, mich über den Verein zu empfehlen. Am Ende gehört aber auch ein bisschen Glück dazu. Ich werde jedenfalls mein Bestes geben.

SPORT1: Merken Sie, dass es Ihnen in Italien schwerer fällt, in den Fokus der deutschen Öffentlichkeit zu geraten? Bundesliga-Profis haben da vermeintlich einen Vorteil.

Bisseck: Das liegt in der Natur der Sache. Wenn es um die Nationalmannschaft geht, schauen viele natürlich vor allem auf Deutschland. Ich kann mich nicht beschweren, denn das ist wahrscheinlich in jedem Top-Land so. Und dann bin ich auch noch Verteidiger. Wir Verteidiger stehen grundsätzlich immer etwas weniger im Fokus als der Starstürmer mit 25 Saisontoren.

Nagelsmann meldete sich bei Bisseck

SPORT1: Wie sah zuletzt Ihr Kontakt zu Bundestrainer Julian Nagelsmann aus?

Bisseck: Nach meiner Verletzung hat er sich sofort gemeldet. Das fand ich sehr gut und respektvoll von ihm. Vor der Nominierung des Kaders im September haben wir telefoniert und er hat mir gesagt, dass ihm Spielzeit wichtig ist. Das Gespräch war auch gut. Seitdem ist nicht mehr der große Kontakt da, aber das erwarte ich auch nicht. Julian Nagelsmann hat genug zu tun und wenn ich wieder meine Leistung zeige, wird der Kontakt sicher wieder da sein.

SPORT1: Können Sie die Marschroute des Bundestrainers verstehen, dass er vor allem auf Spieler setzen will, die viele Einsatzminuten bekommen?

Bisseck: Ich kann das nachvollziehen. Wenn jemand viel spielt, zeigt das ja, dass er fit und bereit ist. Dass es deshalb bei mir zum Saisonanfang nicht gereicht hat für eine DFB-Nominierung, war ein Stück weit logisch. Umso besser und wichtiger, dass ich jetzt wieder sehr regelmäßig spiele bei einem internationalen Top-Verein.

SPORT1: Wie haben Sie die Länderspiele verfolgt? Immerhin war beispielsweise die Partie in Luxemburg nicht gut.

Bisseck: Länderspiele sind nicht leicht. Klar wird gegen vermeintlich kleinere Gegner erwartet, dass man hoch gewinnt. Man muss sich in der Nationalmannschaft aber auch ein bisschen kennen. Wenn man weiß, was der andere tut, fällt es einem leichter, erfolgreich zu sein. Aber letzten Endes muss man sich einfach qualifizieren – egal wie. Und das ist gelungen.

Bisseck: „Kann der Nationalmannschaft helfen“

SPORT1: Behalten Sie denn Ihre Konkurrenten um einen Platz in der DFB-Elf im Auge?

Bisseck: So viel Fußball schaue ich gar nicht an. (lacht) Aber im Ernst: Das sind Dinge, die ich nicht kontrollieren kann. Natürlich weiß ich, wer die Konkurrenz ist. Aber das sind alles coole Jungs, denen ich nichts Schlechtes wünsche. Ich habe die Überzeugung, dass wenn ich in Form bin und wenn ich meine Spielzeit habe, ich auch der Nationalmannschaft helfen kann. Der Überzeugung bin ich voll und ganz.

SPORT1: Würden Sie anderen deutschen Spielern einen Wechsel nach Italien empfehlen?

Bisseck: Das Leben ist wunderbar. Das Essen ist super und die Menschen sehr freundlich. Es gibt viel zu sehen. In Sachen Fußball geht es in der Bundesliga natürlich mehr hin und her. Ein 4:4 oder ein 5:5 wird man in der Serie A eher nicht sehen. Um den Fußball in Italien zu lieben, muss man sich für Taktik interessieren. Hier ist Fußball wie ein Schachspiel. Aber gerade für mich als Verteidiger ist das eine tolle Gelegenheit, mich weiterzuentwickeln. Hier muss die ganze Mannschaft wie eine perfekte Maschine laufen. Ich habe jedenfalls schon viel gelernt.

SPORT1: Werden Verteidiger in Italien mehr geachtet als woanders?

Bisseck: Ja, das hat sicherlich mit der Historie zu tun. Es gibt vermutlich kein Land, das mehr Weltklasse-Verteidiger hervorgebracht hat. Das wird auch immer so bleiben, weil man hier auch sehr stolz darauf ist. Das unterscheidet Italien von anderen Ländern. Aber: Im Fußball zählen nun mal Tore. Daher werden auch die Stürmer respektiert.

SPORT1: Wie steht es um Ihr Italienisch?

Bisseck: Es ist mein drittes Jahr hier. Ich würde daher schon sagen, dass ich es fließend beherrsche. Was die Italiener darüber sagen, weiß ich nicht, aber ich kann mich unterhalten und gut ausdrücken.

Inter-Abschied? Bisseck wird deutlich

SPORT1: Im Herbst gab es einige Gerüchte um einen möglichen Abschied aus Mailand. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Bisseck: Wenn man ein paar Spiele nicht spielt, geht es sehr schnell, dass Gerüchte aufkommen. Das gehört dazu. Ich habe nie groß an einen Wechsel gedacht. Ich brauche im Moment keinen Vereinswechsel, weil ich weiß, was ich kann. Ich bin davon überzeugt, dass ich der Mannschaft weiterhin helfen kann. Zudem sind solche Spekulationen ja auch ein Kompliment, dass man – obwohl man weniger gespielt hat – trotzdem Interesse weckt. Aber konkrete Wechselgedanken hatte ich nicht wirklich.

Abschied von Inter? Das sagt Bisseck

SPORT1: Zumal es kaum größere Vereine als Inter gibt…

Bisseck: Das kommt hinzu. Inter ist ein sehr, sehr großer Verein. Wenn man meinen Karriereweg ansieht, ist es eine hervorragende Sache, hier spielen zu dürfen. Aber in meinem Alter stellt mich das allein nicht zufrieden. Ich bin stolzer Inter-Spieler. Ich will viele Spiele machen, Titel holen und in die Nationalmannschaft. Ich habe noch viel vor.