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Frauen-EM: Ein höchst pikanter Verdacht

Ein höchst pikanter Verdacht

Der sportliche Höhenflug Spaniens bei der EM wird von einem unterschwelligen Konflikt begleitet. Jennifer Hermoso, die durch den Kuss-Skandal bei der WM 2023 in den Fokus geriet, fehlt im Kader. Zwischen ihr und Trainerin Tomé fliegen die Giftpfeile.
Der ehemalige spanische Fußballchef Luis Rubiales wurde wegen sexueller Belästigung schuldig gesprochen, nachdem er Spielerin Jennifer Hermoso nach dem WM-Finale 2023 auf den Mund küsste.
Der sportliche Höhenflug Spaniens bei der EM wird von einem unterschwelligen Konflikt begleitet. Jennifer Hermoso, die durch den Kuss-Skandal bei der WM 2023 in den Fokus geriet, fehlt im Kader. Zwischen ihr und Trainerin Tomé fliegen die Giftpfeile.

Zwei Siege, elf Tore und nach nur zwei Spielen vorzeitig für das EM-Viertelfinale in der Schweiz qualifiziert – die Laune bei Topfavorit Spanien sollte eigentlich bestens sein. Aber ein Vorfall nach dem großen WM-Triumph vor zwei Jahren hallt bis heute nach.

Im Mittelpunkt steht der Kuss-Skandal um Rekordtorschützin Jennifer Hermoso, die bei der laufenden Europameisterschaft nicht im Kader steht und mit einem Interview kurz vor Turnierstart für Aufsehen sorgte.

Nicht-Nominierung für EM? „Weder vergeben noch vergessen“

„So sehr es auch bedeutet, das Kriegsbeil zu begraben… ich für meinen Teil bin völlig ruhig und unterstütze meine Teamkolleginnen. Aber es gibt Dinge, die weder vergessen noch vergeben sind“, sagte die 35-Jährige beim spanischen TV-Sender RTVE.

Das Ziel ihrer Kritik war niemand Geringeres als Nationaltrainerin Montserrat Tomé. Hermoso fuhr fort, dass sie lieber auf dem Platz stehen würde als im Studio zu sitzen, doch es gebe Dinge, die nicht in ihrer Hand lägen.

Die Stürmerin spielt seit Anfang 2024 für Tigres Femenil in Mexiko und performt dort auf einem konstant guten Niveau. Bereits nach ihrer Nicht-Nominierung Anfang Juni hatte es daher Gerüchte gegeben, diese hätte persönliche Gründe, wenngleich Spaniens Kader so gut besetzt ist, dass viele auch die sportliche Begründung nachvollziehen können.

Beide Seiten geizten danach nicht mit deutlichen Worten.

Tomé und Hermoso üben gegenseitig Kritik

Die Trainerin beteuerte damals beim spanischen Radiosender Cadena Ser, ein „reines Gewissen“ zu haben, da sie „professionell gearbeitet“ habe. Außerdem war Tomé der Meinung, dass Hermoso „wütend ist und damit klarkommen muss“.

Die Spielerin konterte daraufhin auf X: „Tomé sollte sich darauf konzentrieren, Spanien zum EM-Titel zu führen – auch wenn wir das vermutlich ohne sie sogar besser schaffen würden.“

Den Weg über den Social-Media-Kanal habe sie gewählt, da dies „die einzige Möglichkeit“ sei, die sie noch hätte, „um ein ‚Gespräch‘ zu führen“.

Auf die neuesten Aussagen von Hermoso vor dem ersten Gruppenspiel gegen Portugal reagierte Tomé nun allerdings besonnener. Sie wollte vermeiden, dass während der EM eine Schlammschlacht zwischen ihr und der einstigen Starspielerin in den Fokus rückt.

„Ich hatte keine Zeit, es (Hermosos TV-Auftritt, Anm. d. Red.) mir anzuschauen, aber ich habe davon gehört und habe nichts dazu zu sagen", teilte die Trainerin lediglich mit.

Kuss-Skandal um Rubiales bei der WM 2023 als Auslöser?

Gerüchten zufolge sollen die persönlichen Differenzen auf den Kuss-Skandal nach Spaniens WM-Sieg 2023 zurückzuführen sein.

Damals geriet Hermoso nicht nur aufgrund ihrer guten sportlichen Leistung in den Fokus, sondern auch aufgrund einer Szene bei der Siegerehrung, als der damalige Verbandspräsident Luis Rubiales sie ungefragt auf den Mund küsste.

Die Spielerin erstattete Anzeige gegen den früheren Funktionär, der später von seinem Amt zurücktrat und von der FIFA für drei Jahre gesperrt wurde.

Tomé war zur Zeit des Skandals Co-Trainerin und damit auch Vertraute des damaligen Coaches Jorge Vilda. Dieser gab vor Gericht zu, dass er Hermoso im Anschluss überreden wollte, den Vorfall herunterzuspielen.

Nationaltrainerin pocht auf sportliche Gründe bei Nominierung

Hermoso übte schon einige Wochen vor der EM Kritik, als sie für Nation-League-Spiele im Vorfeld des Turniers ebenfalls nicht berücksichtigt wurde.

„Ich bin es leid, meinen Namen inmitten von so viel Falschheit zu hören. Die Dinge offen und ehrlich zu sagen, sollte nicht so schwer sein. Es gibt keinen Grund, um den heißen Brei herumzureden, wenn man direkt zur Sache kommen kann“, sagte sie und spielte damit offensichtlich darauf an, dass sie aufgrund des Kuss-Skandals nicht zum Kader gehören würde.

Dass die Nicht-Nominierung für die EM mit diesem Ereignis zu tun hat, dementierte Spaniens Trainerin jedoch: „Ob es etwas außerhalb des Sports ist? Nein. Ich würde keine Spielerin aus dem Kader ausschließen, die die Leistung der Mannschaft verbessern kann, denn genau darum geht es. Auf dieser Grundlage bewerten wir alle Spielerinnen.“

Dennoch gilt die Nicht-Berücksichtigung von Hermoso als risikoreich, denn schon unmittelbar nach dem Skandal schlugen sich mehrere Spielerinnen auf die Seite ihrer Mitspielerin.

Spanien wird daher hoffen, dass das Thema nicht erneut hochkocht und zu einer Spaltung im Team führt.