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Frauen-WM: Lena Oberdorf macht DFB-Team Hoffnung! Künftige Weltfußballerin?

Von wegen „Z-Promi“

Lena Oberdorf ist nach einer Oberschenkelverletzung gegen Kolumbien zurück auf dem Platz - und zeigt trotz der Niederlage, warum sie für das DFB-Team unverzichtbar ist. Bereits jetzt gehört die 21-Jährige zu den besten Spielerinnen der Welt.
Zweiter Auftritt der deutschen Nationalmannschaft bei der Frauen-WM: Warum kam Deutschland gegen Kolumbien so schlecht ins Spielt? Das erklärt euch SPORT1 Moderatorin Lili Engels zusammen mit Profifußballerin Noreen Günnewig
Lena Oberdorf ist nach einer Oberschenkelverletzung gegen Kolumbien zurück auf dem Platz - und zeigt trotz der Niederlage, warum sie für das DFB-Team unverzichtbar ist. Bereits jetzt gehört die 21-Jährige zu den besten Spielerinnen der Welt.

Es war eine bezeichnende Szene. Als am Sonntag die 56. Minute im Spiel der DFB-Frauen gegen Kolumbien lief, hielt Lena Oberdorf an der Seitenlinie den Fuß gegen Leicy Santos drüber. Zurecht sah die Deutsche dafür die erste Gelbe Karte im Spiel.

Doch noch viel wichtiger: Sie setzte ein Zeichen - kurz nachdem die Deutschen 0:1 in Rückstand geraten waren. Auch danach machte sie dem Team Mut, setzte Akzente. Im Anschluss an eine Ecke schoss sie im Fallen fast selbst ein Tor - verfehlte den Kasten aber um Zentimeter. Kurz vor Schluss war sie maßgeblich am zwischenzeitlichen 1:1 beteiligt, als sie im Strafraum von Kolumbiens Torfrau abgeräumt wurde. Das Resultat: Elfmeter und Ausgleich.

Auch wenn das Spiel am Ende mit 1:2 verloren ging, gehörte Oberdorf zu den besten Akteurinnen auf dem Platz und zeigte, warum sie für das DFB-Team bei dieser Weltmeisterschaft unverzichtbar ist.

Die defensive Mittelfeldspielerin absolviert trotz ihrer erst 21 Jahre bereits ihre zweite Weltmeisterschaft. Das erste Gruppenspiel gegen Marokko hatte sie noch wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel verpasst, die sie sich in der WM-Vorbereitung zugezogen hatte.

DFB-Frauen: Oberdorf könnte den Unterschied ausmachen

Doch gegen Kolumbien sorgte sie in der sonst durch Verletzungen geschwächten deutschen Mannschaft direkt für Stabilität, zeigte dabei als klassische Sechserin enorme Präsenz im Mittelfeld. Gegen die körperlich agierenden Kolumbianerinnen hielt sie dagegen, war quasi der „Aggressive Leader“ im Team.

Sollte es für die DFB-Frauen im Turnier weit gehen, könnte Oberdorf den Unterschied ausmachen, den es in den ganz wichtigen Spielen braucht. Das deutete sich bereits im vergangenen Jahr an. Denn spätestens seit vergangenem Sommer hat die gebürtige Gevelsbergerin (südliches Ruhrgebiet) den internationalen Durchbruch geschafft.

Auf Vereinsebene gewann sie mit dem VfL Wolfsburg 2022 die Meisterschaft, wurde DFB-Pokalsiegerin, in diesem Jahr stand sie mit ihrem Team im Champions-League-Finale. Individuell regnete es Auszeichnungen für Oberdorf. Bei der EM, wo sie mit dem DFB-Team Vize-Europameisterin wurde, erhielt sie die Auszeichnung der besten jungen Spielerin. Außerdem wurde sie zur drittbesten Spielerin Europas gekürt und landete beim Ballon d‘Or féminin sensationell auf dem vierten Platz.

Lena Oberdorf: weniger Edeltechniker Messi, mehr Abräumer Casemiro

Ihre defensiven Qualitäten kamen offenbar schon in ihrer Kindheit zum Tragen, wie die 21-Jährige kürzlich im NDR verriet. Es gebe ein Video von ihr aus Kindertagen, auf dem sie bei einem Turnier einen kleinen Jungen von den Beinen hole. „Ich glaube, es hat sich früh abgezeichnet, in welche Richtung es geht: Nicht so Edeltechniker Messi, sondern mehr so Abräumer Casemiro vielleicht“, resümierte Oberdorf.

In der Öffentlichkeit wird sie schon seit Jahren als „Jahrhunderttalent“ bezeichnet. Spätestens seit der erfolgreichen EM und ihren individuellen Auszeichnungen wird sie auch häufiger auf der Straße erkannt. Sie selbst ist aber bescheiden, bezeichnete sich scherzhaft als „Z-Promi“.

Ohnehin dürfte sie unter Fans und Experten längst nicht mehr nur als Talent wahrgenommen werden. In bereits zwei großen Turnieren hat sie Erfahrung auf höchstem Niveau gesammelt, dabei beständig Top-Leistungen etabliert. Ihre Zweikampfstärke und Robustheit suchen selbst auf internationaler Ebene ihresgleichen. In der Defensive läuft sie Lücken zu, fängt Pässe ab und ist deshalb oft eine der stärksten Balleroberinnen.

In einem Interview mit SPORT1 Ende 2020, verriet sie, dass sie sich als „Leader-Typ“ auf dem Platz sehe. „Ich bin relativ laut und setze gerne ein Zeichen, wenn es nicht läuft“, sagte sie damals. Ihr Vorbild sei ihr Bruder. Der trete auf dem Platz ähnlich auf und übernehme viel Verantwortung.

Ohnehin pflegt Oberdorf eine enge Beziehung zu ihrem Bruder Tim. Der steht bei Fortuna Düsseldorf in der 2. Bundesliga auf dem Platz. Angesprochen auf seine Schwester, verriet der Innenverteidiger am Samstag am SPORT1-Mikrofon: „Wir versuchen schon, uns jeden Tag auszutauschen.“ Wegen der Zeitverschiebung nach Australien und Neuseeland sei das aber gar nicht so leicht. Die beiden hätten nur „ein kurzes Zeitfenster“.

Oberdorf gab WM-Debüt mit 17 Jahren und fünf Monaten

Seine Schwester verfolgt bei der WM derweil große Ziele. Zum Turnierstart sagte Oberdorf bei SPORT1, dass sie sich den WM-Titel vornehme, aber auch „dass alle fit bleiben und man Deutschland weiter begeistert und einen guten Fußball zeigt“.

Dass sie nun im Fokus der Öffentlichkeit steht, ist für die 21-Jährige dabei nichts Neues. Ihr außergewöhnlicher Karriereweg sorgte dafür, dass das Interesse an ihr stetig stieg. 2014 debütierte sie als damals 12-Jährige in der U15-Nationalmannschaft. Bis zur B-Jugend spielte sie auf Vereinsebene noch in den Männermannschaften mit.

2018 folgte der Schritt in die Frauen-Bundesliga. Zuerst spielte sie bei der SGS Essen, 2020 wechselte sie nach Wolfsburg. Schon 2018 zur Nationalmannschaft gestoßen, gab sie 2019 mit 17 Jahren, fünf Monaten und 20 Tagen ihr WM-Debüt. Damit löste sie DFB-Legende Birgit Prinz ab, die den Rekord als jüngste deutsche WM-Spielerin zuvor hielt. Inzwischen steht Oberdorf trotz des jungen Alters bereits bei 38 Länderspielen.

Bei SPORT1 beschrieb sie ihren steilen Aufstieg schon 2020 als „Rausch“ - ohne damals wissen zu können, dass sie zwei Jahre später bereits zu den besten Fußballerinnen der Welt zählen würde.

Doch das geht auch an der bodenständigen Spielerin nicht vorbei. Im Vogue-Interview verriet Oberdorf kürzlich, dass sie Druck spüre, ihre guten Leistungen konstant bestätigen zu müssen. „Ich möchte ja nicht, dass in drei oder vier Jahren über mich gesagt wird: ‚Ach, das war doch damals diese Spielerin, die auch ausgezeichnet wurde, aber heute hört man von ihr gar nichts mehr!‘“

Dadurch „habe ich fast den Spaß am Fußball verloren“

Dadurch „habe ich fast den Spaß am Fußball verloren, weil es für mich plötzlich eine Pflichtaufgabe war, die ich erfüllen musste“, erklärte sie. Doch seit Oberdorf mit einem Mental-Coach beim VfL Wolfsburg daran arbeite, könne sie auch besser mit dem Druck umgehen.

Die Nationalspielerin ist dafür bekannt, nicht nur auf dem Feld als Leaderin voranzugehen. Auch abseits dessen ergreift Oberdorf häufiger das Wort und äußert sich zu gesellschaftlichen Themen. So wurde eines ihrer Statements bei der EM 2022 in England zum Fußballspruch des Jahres gekürt. „Frauenfußball, Männerfußball. Es ist ein Fußball“, sagte sie damals, um auf Gleichberechtigung in ihrem Sport hinzuweisen.

Im Gespräch mit der Sports Illustrated sagte sie kürzlich, die Gehälter im Männerfußball „liegen vollkommen außerhalb unserer Reichweite“. Die Dimensionen, um die es dabei gehe, seien „eigentlich gar nicht mehr tragbar“.

Auch zum Thema Homosexualität äußerte sie sich bereits, appellierte dabei für mehr Toleranz - auch für die männlichen Kollegen. „Ich wünsche mir, dass sich jeder schwule Fußballer outen kann und von allen akzeptiert wird. Die Gesellschaft macht es den Männern wirklich schwer“, sagte die Wolfsburgerin dem britischen Guardian.

Ob auf oder abseits des Platzes: Lena Oberdorf nimmt schon jetzt eine Schlüsselrolle im DFB-Team ein. Im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea (Donnerstag, ab 12 Uhr im SPORT1-LIVETICKER), aber spätestens in möglichen K.o.-Spielen wird es auf ihre Qualitäten ankommen. Nicht ausgeschlossen, dass sie in der Liste der weltbesten Fußballerinnen dann noch weiter nach oben klettert.