70 Sekunden und drei Ballkontakte - mehr brauchte Florian Thauvin am Freitagabend nicht, um seine Rückkehr in die französische Nationalmannschaft mit einem Traumtor zu krönen.
Ein unwahrscheinliches Comeback, an das er selbst nicht glaubte
Ein wirklich unglaubliches Comeback
Sechs Jahre und drei Monate nach seinem letzten Einsatz für die Équipe Tricolore wurde der 32-Jährige beim 3:0-Sieg gegen Aserbaidschan in der 83. Minute für Kylian Mbappé eingewechselt und traf nur wenige Augenblicke später per artistischem Seitfallzieher.
Mit Küssen auf das französische Emblem und einem Blick gen Himmel zeigte Thauvin, wie viel ihm dieser Moment bedeutete. Besser hätte sich der Weltmeister von 2018 wohl nicht auf der großen Bühne zurückmelden können, nachdem seine Karriere zwischenzeitlich einen großen Knick erfahren hatte.
Frankreich-Rückkehrer krönt emotionales Comeback
„Ich gebe zu, dass ich Sterne in den Augen habe. Ich habe mir immer gesagt, dass ich alles geben würde, wenn ich die Gelegenheit hätte, dieses Trikot wieder zu tragen“, erklärte der sichtlich bewegte Rückkehrer nach der Partie. „Ich war sehr gerührt, weil alle Jungs in der Umkleidekabine sich sehr für mich gefreut haben.“
Dass sich jene Szenen am Freitagabend im Pariser Prinzenpark ereignen würden, hätte wohl niemand für möglich gehalten - nicht einmal Thauvin selbst: „Es gab einen Moment, in dem ich näher dran war, meine Karriere zu beenden, als in die französische Nationalmannschaft zurückzukehren. Mein größter Stolz ist es, nicht aufgegeben zu haben“, blickte der Routinier zurück.
Einst galt Thauvin als einer der vielversprechendsten Spieler seines Landes. Speziell nach der Saison 2017/18, als er im Trikot von Olympique Marseille beeindruckende 22 Tore und elf Assists in 35 Ligaeinsätzen verbuchte, schien seiner Karriere keine Grenze gesetzt.
Bayern wollte Thauvin angeblich als Ribéry-Nachfolger
In der Folge wurde der Offensivspieler mit europäischen Top-Klubs in Verbindung gebracht, Ablösesummen von bis zu 100 Millionen Euro kursierten in seinem Umfeld.
Auch der FC Bayern mischte 2018 angeblich im Werben um Thauvin mit. Der Franzose, der sowohl auf den Flügeln als auch im Angriffszentrum agieren kann, galt als potenzieller Nachfolger für Arjen Robben oder Franck Ribéry. Letzterer war ebenfalls 2007 aus Marseille nach München gekommen.
Landsmann Benjamin Pavard, der im Sommer 2019 vom VfB Stuttgart zum FCB wechselte, konnte sich eine Thauvin-Verpflichtung gut vorstellen. „Das würde mir sehr gefallen“, sagte der Verteidiger im Frühjahr 2019 über den Mann aus Orléans.
Verletzung bremst Marseille-Superstar aus
Doch statt eines Wechsels blieb Thauvin zunächst dem Klub von der Mittelmeerküste treu und führte OM weiter als Schlüsselspieler an. Der September 2019 markierte jedoch vorerst das Ende seines Aufschwungs: Thauvin musste sich einer Operation unterziehen, um eine schwerwiegende Knöchelverletzung aus der Welt zu schaffen.
Erst im März 2020 feierte der Angreifer sein Comeback, das jedoch nach einem Spiel abrupt beendet war. Dieses Mal machte die Corona-Pandemie Thauvin einen Strich durch die Rechnung, die Saison wurde vorzeitig abgebrochen.
Als im Sommer 2021 sein Vertrag in Marseille auslief, entschied sich Thauvin für einen durchaus überraschenden Wechsel nach Mexiko zu Tigres UANL.
Vertrag aufgelöst: „Tiefpunkt“ in Mexiko
Dieser Schritt entpuppte sich später als großes Missverständnis. Nach zwei Jahren und acht Toren in lediglich 38 Einsätzen löste der mexikanische Klub Thauvins Vertrag im Januar 2023 plötzlich auf, um einen anderen Spieler registrieren zu können.
„Der Verein hat mich schlecht behandelt. In Mexiko habe ich den Tiefpunkt erreicht“, sagte Thauvin im Juni dieses Jahres in einem Interview mit L‘Équipe. „Sie haben mein Niveau so sehr infrage gestellt, dass sie mich schließlich entlassen haben.“
Nach seinem gescheiterten Ausflug nach Übersee fand Thauvin in Italien bei Udinese Calcio wieder Halt. Dort war er wieder als Stammspieler gesetzt und knüpfte in seinen insgesamt 73 Einsätzen (15 Tore, zehn Vorlagen) phasenweise an alte Zeiten an.
Rückkehr in die Ligue 1 und die Nationalmannschaft
Im Juli 2025 folgte schließlich die Rückkehr in Frankreichs Fußball-Oberhaus: Thauvin unterschrieb für drei Jahre beim RC Lens, der immerhin sechs Millionen Euro für dessen Dienste nach Italien überwies.
Nur drei Monate später folgte das unerwartete Comeback im Nationaltrikot - begünstigt durch eine Verletzungswelle in der französischen Offensive. So sagte neben den verletzten Offensivspielern Ousmane Dembélé, Désiré Doue und Marcus Thuram am vergangenen Montag auch noch Bradley Barcola ab.
Als sich im Spiel gegen Aserbaidschan Kylian Mbappé verletzte, blieb Nationaltrainer Didier Deschamps keine andere Wahl, als Thauvin zu bringen und diesem zu seinem elften Länderspiel zu verhelfen.
Der 32-Jährige ließ sich nicht lange bitten: Eine halbhohe Flanke von links pflückte er gekonnt herunter und verwandelte per Seitfallzieher ins rechte Eck.
Auch ein Kandidat für die WM 2026?
Nach der Partie wurde Deschamps gefragt, ob Thauvin mit dieser Leistung ein Kandidat für die WM 2026 sei. Der Coach wich zwar aus, lobte aber: „Das ist sehr gut für uns und für ihn. Er hatte schon immer seine technischen Qualitäten und sein Geschick. Er ist mit viel Enthusiasmus ins Spiel gekommen.“
Als erfahrener Spieler ohne Allüren, der sich in den Dienst der Mannschaft stellt und bei Einwechslungen sofort Wirkung zeigen kann, könnte Thauvin womöglich zu einer Option für das Turnier in den USA, Kanada und Mexiko werden.
Dann war jener Freitagabend vielleicht nicht sein letzter großer Moment im Trikot der Équipe Tricolore.