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WM 2022: "Musiala kann ein Chef sein!" 1990er-Held Andreas Brehme im Interview

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WM 2022: "Musiala kann ein Chef sein!" 1990er-Held Andreas Brehme im Interview

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„Musiala kann ein Chef sein“

Andreas Brehme ist der Finalheld der deutschen Weltmeister von 1990. Im SPORT1-Interview spricht er über die Erwartungen für die WM in Katar.
Langsam wird es aus richtig ernst in Sachen WM(-Vorbereitung). Die deutsche Mannschaft tat sich gegen den Oman sehr schwer. Droht ein böses Erwachen in Katar?
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Andreas Brehme hat Deutschland 1990 mit einem Elfmeter im Finale gegen Argentinien zum Weltmeister-Titel geschossen.

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Vor dem WM-Start in Katar hat sich der 62-Jährige zum Interview mit SPORT1 bei seinem Lieblings-Italiener verabredet. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)

SPORT1: Herr Brehme, Sie haben gerade Ihre Autobiografie veröffentlicht. Wie kam es dazu?

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Andreas Brehme: Das ist meine zweite Biografie, das erste Buch „Das war‘s Freunde“ hatte ich 1998 zu meinem Abschiedsspiel veröffentlicht. Das kam sehr gut an. Jetzt meinte mein Berater, ob wir nicht nochmal ein etwas anderes Buch rausbringen wollen. Ich war dafür immer mal wieder in Italien und habe intensiv daran gearbeitet. Es war brutal viel Arbeit, aber es hat irre Spaß gemacht, weil ich alle Bilder meiner Karriere wieder im Kopf hatte. Von Barmbek, wo alles begann, bis San Siro.

SPORT1: Das Buch heißt „Beidfüßig“ und steht natürlich für Ihr Markenzeichen als Fußballer.

Brehme: Ich wäre gar nicht auf diesen Titel gekommen. Aber es drückt alles aus. Das Buch kommt auch auf Italienisch, Englisch und Spanisch raus. Das freut mich natürlich.

Brehme: „Es herrscht nullkommanull Euphorie“

SPORT1-Reporter Reinhard Franke traf Weltmeister Andreas Brehme zum Interview
SPORT1-Reporter Reinhard Franke (re.) traf Weltmeister Andreas Brehme (li.) zum Interview

SPORT1: Wie schaut es mit Ihrer Vorfreude auf die WM aus? (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)

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Brehme: (überlegt etwas) Die Stimmung in Deutschland ist eine ganz andere als bei einer Sommer-WM. Das merkt man überall. Dafür muss man den Leuten die Schuld geben, die bei der FIFA für Katar abgestimmt haben. Da drüben sind es über 60 Grad im Sommer und das war das erste von einigen Problemen. Es ist für alle unglücklich, diese WM im November/Dezember zu spielen. Man sieht keine einzige Deutschland-Fahne an den Autos oder an den Restaurants. Auch meine Eltern wundern sich. Es herrscht nullkommanull Euphorie. Das ist schade.

SPORT1: Es ist auch für die Spieler schade, oder?

Brehme: Na klar. Für jeden Profi ist es doch das Größte, bei einer Weltmeisterschaft dabei zu sein.

SPORT1: Wie stark schätzen Sie die den deutschen Auftaktgegner Japan ein?

Brehme: Man sagt über die Japaner, dass sie sehr gut sein sollen, aber wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen, was andere Leute über Japan sagen. Wir dürfen sie nicht unterschätzen.

SPORT1: Niclas Füllkrug ist in aller Munde. Was halten Sie von ihm?

Brehme: Das ist ein klasse Spieler. Füllkrug hat gegen den Oman gleich sein Tor gemacht. Man braucht einen guten Stürmer. Man kann auch Thomas Müller vorne reinstellen. Ich hatte zuletzt schon gesagt, dass ich mir auch Simon Terodde hätte vorstellen können. Wenn er reinkommt, ist er sofort da. Aber Flick hat sich für Füllkrug entschieden. Ich hätte beide mitgenommen. Es kann ja immer etwas passieren. Dass Füllkrug gleich sein Tor gemacht hat, freut mich sehr für ihn. Das wird ihm jetzt vor dem Turnier ordentlich Auftrieb geben.

Füllkrug wird „daran nicht zerbrechen“

SPORT1: Glauben Sie, dass der Hype um seine Person Füllkrug pusht oder hemmt?

Brehme: Er wird daran nicht zerbrechen. Füllkrug kann nur gewinnen. Jetzt hat er ein Tor erzielt, das den Sieg sicherte. Der Junge wird daher noch mehr vor Selbstvertrauen sprühen und das wird Hansi im Training auch merken.

SPORT1: Jetzt winkt Füllkrug gegen Japan sogar ein Platz in der Startelf.

Brehme: Wir müssen abwarten, was mit Thomas Müller wird. Wie weit ist er nach seiner Verletzung? Er ist ja länger ausgefallen. Aber warum sollte Füllkrug nicht seine Chance bekommen? Er wird dem Team mit seiner Unbekümmertheit gut tun. Ich bin gespannt, wie sich Hansi entscheidet.

SPORT1: Die Leistung gegen den Oman war erschreckend schwach.

Brehme: Das stimmt. Die Mannschaft hat gegen den Oman schlecht gespielt, da braucht man gar nichts schönreden. Aber die WM geht jetzt los und dann muss jeder zeigen, was er abliefern kann. Es tut mir leid, dass die Italiener nicht dabei sind. Ich glaube, in Deutschland sehen das viele Fans so. Ich spreche jeden Tag mehr Italienisch als Deutsch. Mir tut das im Herzen weh, dass die Squadra Azzurra bei der WM zuschauen muss. Alle Italiener werden weinen.

Brehme: „Ich bin absolut überzeugt von Hansi“

SPORT1: Die entscheidende Frage nach dem Oman-Spiel: Ist die Zeit für Ausreden vorbei?

Brehme: Auf alle Fälle. Jetzt beginnt die WM und da kannst du nicht mehr auf ein zweites oder drittes Spiel setzen, die Mannschaft muss sofort da sein und ein Zeichen setzen. Du musst das erste Spiel gleich gewinnen. Ein guter Start ins Turnier ist so wichtig. Das war 1990 bei uns auch, da haben wir 4:1 gegen Jugoslawien gewonnen und waren sofort drin im Turnier. Wir hatten Selbstvertrauen ohne Ende.

SPORT1: Was war das Geheimnis 1990 im Team? (DATEN: WM-Spielplan 2022)

Brehme: Das Wichtigste war unser Selbstverständnis. Als wir zum ersten Spiel gefahren sind, waren auf dem Weg dorthin 95 Prozent deutsche Fans auf der Straße. Alle waren in Weiß gekleidet und da bekam ich schon Gänsehaut. Und auf dem Platz war eine geniale Stimmung, so dass wir eigentlich nichts falsch machen konnten. Alle 22 Mann im Kader waren heiß auf den Erfolg. Und beim Franz (Beckenbauer, Anm. d. Red.) bekamen wir sowieso Gänsehaut, das ist heute noch so, wenn ich mit ihm telefoniere. (lacht)

SPORT1: Wo ist Flick konkret gefordert? (DATEN: WM-Spielplan 2022)

Brehme: Er ist mit Sicherheit auch ein Motivator, auch wenn er ein anderer Typ als Jürgen Klopp ist. Aber Hansi hat nicht einfach so die Titel mit dem FC Bayern gewonnen. Er weiß, wie er die Spieler heiß macht für so ein Turnier. Ich bin absolut überzeugt von Hansi. Außerdem muss man keine Spieler bei einer WM extra motivieren. Wenn einer motiviert werden muss, kannst du ihn gleich nach Hause schicken. Die Spieler müssen geil auf diese WM sein. Und ich will keine Ausreden von wegen Katar hören. Das ist von anderer Stelle entschieden worden. Feierabend.

SPORT1: Was sagen Sie zur Ausbootung von Mats Hummels? Stefan Effenberg sagte im STAHLWERK Doppelpass, dass Hummels hätte dabei sein müssen, wenn es nach dem Leistungsprinzip ginge.

Brehme: Ich sehe es wie Stefan. Ich war total überrascht, als ich davon hörte. Hummels hätte mit dabei sein müssen. Ich hätte ihn tausendprozentig mitgenommen. Er ist ein toller Fußballer und hätte mit Sicherheit kein Problem damit gehabt, nicht immer von Anfang an zu spielen. Süle hat in Dortmund in der Hinrunde nicht überragend gespielt wie eigentlich alle, aber er ist, denke ich, zu Recht mit dabei in Katar.

„Die Deutschen sind sowieso immer dabei“

SPORT1: Ist die deutsche Elf ein Mitfavorit auf den WM-Titel?

Brehme: Schon. Die Deutschen sind sowieso immer dabei. Wir waren immer eine Turniermannschaft. Aber Frankreich, Brasilien und Argentinien müssen hier auch genannt werden. Und auch die Holländer schätze ich sehr stark ein.

SPORT1: Es blieb kaum Zeit, sich gezielt auf die WM vorzubereiten. Wie gefährlich ist das?

Brehme: Für jede Nation ist es die gleiche Ausgangslage. Es gibt keine Ausreden mehr. Jamal Musiala hat bei den Bayern Weltklasse-Leistungen gezeigt, er wird mit einer unbändigen Freude aufspielen, da bin ich mir sicher. Bei Musiala schlägt mein Herz schneller. Gegen den Oman wollte sich Flick bestimmt nochmal die anderen Spieler anschauen.

SPORT1: Kann in der Kürze der Zeit dennoch ein Teamspirit entstehen?

Brehme: Der muss einfach entstehen. Anders geht es nicht. Natürlich ist das nicht wie 2014 in den Wochen im Campo Bahia. Ich bin zuversichtlich, dass es in der Mannschaft einen guten Zusammenhalt geben wird, sobald es am Mittwoch losgeht.

Brehme: Götze hat Nominierung „absolut verdient“

SPORT1: Was erhoffen Sie sich von Mario Götze? Sie beide sind ja die Helden der beiden letzten gewonnenen deutschen WM-Endspiele. (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)

Brehme: Mario hat das absolut verdient, in Katar dabei zu sein. Er hat bei der Eintracht eigentlich immer gut gespielt und auch in Eindhoven waren seine Leistungen top, auch wenn oft gesagt wird, dass die niederländische Liga nicht so stark ist. Ich finde es gut, dass er nach Frankfurt gewechselt ist. Ich erwarte keine Zauberdinge von ihm. Aber er ist eine Bereicherung für die deutsche Mannschaft und wird eine starke Leistung bei der WM bringen, davon bin ich überzeugt.

SPORT1: Ist er mental so gereift, dass er den Druck gut verkraftet?

Brehme: Das denke ich schon. Er ist 30 und wird eine gehörige Portion Verantwortung übernehmen.

„Musiala ist der Wahnsinn“

SPORT1: Sie haben Musiala schon angesprochen. Wie sehen Sie ihn?

Brehme: Musiala ist der Wahnsinn. Er ist schnell, technisch stark und er macht wichtige Tore. Und das beim FC Bayern. Musiala ist ein genialer Spieler. Hansi kennt den Jungen und ich finde es gut, dass die Bayern sieben Spieler für die Nationalmannschaft stellen. Musiala kann durchaus auch ein Chef auf dem Platz sein, ich traue ihm das zu.

SPORT1: Sie waren einer der weltbesten Linksverteidiger. Warum gibt es seit Philipp Lahm keine Außenverteidiger mehr von Weltklasseformat?

Brehme: Wenn ich das wüsste. Darüber habe ich zuletzt noch mit Manni Kaltz gesprochen. Auch er kann sich das nicht erklären. So ein Spielertyp rechts fehlt doch heutzutage. Man muss richtig gute Außenverteidiger ausbilden. Profis sollten flexibler werden und zwei, drei Positionen spielen können. Ich habe damals als junger Spieler in Saarbrücken auch nicht Linksverteidiger gespielt, sondern musste das erst lernen. Ich habe von links und rechts Flanken bis zum Abwinken geübt.