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Das Staunen der Handballwelt wird immer größer

Das Staunen wird immer größer

Im Welthandball spielten die Färöer-Inseln bislang nur eine untergeordnete Rolle. Doch zuletzt sorgten die Färinger international mit ihren Leistungen sowie Nachwuchsspielern für Ausrufezeichen. Woran liegt dieser Aufschwung?
Im Juni findet die U21-WM im Handball statt. Deutschland geht als Titelverteidiger an den Start. Alle Infos zum Turnier in Polen.
Im Welthandball spielten die Färöer-Inseln bislang nur eine untergeordnete Rolle. Doch zuletzt sorgten die Färinger international mit ihren Leistungen sowie Nachwuchsspielern für Ausrufezeichen. Woran liegt dieser Aufschwung?

Ein europäischer Zwergstaat mit etwa 54.000 Einwohnern sorgt seit einigen Jahren für Furore und Ausrufezeichen im Welthandball! Die Färöer-Inseln mausern sich - angeführt von drei internationalen Top-Talenten - von einem kleinen, unbedeutenden Underdog zu einem ernstzunehmenden Favoritenschreck.

Die Verwunderung und gleichzeitige Überraschung bei der U21-Weltmeisterschaft war riesig. Färöer schlug Frankreich mit 28:27, warf die Handball-Großmacht damit endgültig aus dem Turnier und zog als Gruppenzweiter ins Viertelfinale ein.

„Gesprungen, gejubelt, getanzt“

„Ich war zu Hause mit meiner Familie und muss zugeben, dass in den letzten Minuten des Spiels viel gejubelt, gesprungen und durchs Zimmer getanzt wurde”, berichtet Gunn Ellefsen, die Präsidentin des Färinger Handballverbands (HFS), im Gespräch mit SPORT1. Dieser Sieg werfe ein großes Licht auf den Handball in ihrem Land, denn „ganz Färöer jubelt“, so die 49-Jährige.

„Für die Färöer-Inseln ist das eine ganz tolle Sache“, meint auch die deutsche Handball-Legende Christian „Blacky“ Schwarzer im Gespräch mit SPORT1 und verwies dabei auf die sehr gute Nachwuchsarbeit vor Ort.

Der beste 19-jährige Handballer der Welt?

Der alles überragende Spieler - schon seit Beginn des Turniers - ist Oli Mittun, der gegen die Franzosen neun Tore erzielte und neun weitere Treffer vorbereitete.

Doch nicht erst seit der WM steht der Färinger im Rampenlicht, denn Mittun brillierte bereits bei der U19-WM 2023 als auch U20-EM 2024 – jeweils war er Torschützenkönig. Nicht verwunderlich, dass internationale Topklubs schnell auf den Rückraumspieler aufmerksam wurden. So steht bereits seit Herbst 2024 fest, dass Mittun ab der kommenden Spielzeit für den dänischen Spitzenklub Gudme Oure Gudbjerg (GOG) auflaufen wird. Dort unterschrieb er einen Vertrag bis 2029.

Bei der Verkündung des Transfers stellte GOG-Boss Kasper Jörgensen fest: „Oli Mittun wird oft als der beste 19-jährige Handballer der Welt bezeichnet und dies ist eine der größten Verpflichtungen im dänischen Handball in der letzten Zeit.“

Das Aushängeschild des Färingers Handballs

Mittuns Cousin ist sogar schon einen Schritt weiter, denn Elias Ellefsen á Skipagøtu gilt als Aushängeschild des Färinger Handballs. Der 23-Jährige steht seit 2023 in der Handball-Bundesliga beim THW Kiel unter Vertrag. Zuvor spielte er beim schwedischen Topklub IK Sävehof, gewann mit seinem Team die Meisterschaft und wurde 2022 zum Liga-MVP gewählt. Bei der Verkündung des Transfers sagte Kiels Geschäftsführer Viktor Szilagyi: „Elias gehört zu den größten Talenten Europas auf Rückraum Mitte.“

Ellefsen ist nicht der einzige Färinger in der HBL, denn ebenfalls 2023 wechselte Hakun West av Teigum zu den Füchsen Berlin. Im Juni gewann er mit den Füchsen den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Zusammen mit Ellefsen verkörpert er wie kein anderer Spieler den Aufbruch und die positive Entwicklung des Färinger Handballs.

Anfangsschwierigkeiten in der HBL

Dennoch hatten beide Anfangsschwierigkeiten, sich in Deutschland zurechtzufinden. „Die Bundesliga ist ein großer Schritt“, stellte die HFS-Präsidentin fest und ergänzte: „Sie ist die stärkste Liga der Welt und physisch sehr fordernd. Daran muss man sich erstmal gewöhnen.“ Trotzdem betonte Ellefsen, dass sich ihre beiden Landsleute gesteigert hätten und als Spieler gereift wären.

Auch für Schwarzer ist es ein ganz normaler Prozess: „Man sieht, dass sie Eingewöhnungszeit brauchen. Sie sind aber noch sehr jung und dürfen sich das leisten.“ Der Weltmeister von 2007 erklärte, dass sie zwar schnell mit älteren bzw. erfahreneren Akteuren verglichen werden, aber man ihnen die Zeit zur Entwicklung geben müsse.

Der Färinger Weg

Doch woher stammt der plötzliche Handball-Aufschwung auf den Färöer-Inseln?

Der HSF hat den „Färinger Weg“ festgelegt sowie einen Entwicklungsplan erstellt, wie Spieler von klein auf ausgebildet werden sollen. Zudem wurde sich auf eine klare Spielphilosophie geeinigt, die sich durch alle Jugendmannschaften zieht. In dem Plan heißt es, dass „die Spieler schnell sein und sich sowohl in der Abwehr als auch im Angriff gut bewegen können müssen“.

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Insgesamt soll das Abwehrspiel offensiv ausgerichtet und das Angriffsspiel druckvoll sein. „Die Nationalmannschaften sollen mit hohem Tempo spielen, mit Betonung auf den individuellen Fähigkeiten der Spieler“, lautet es in dem Plan.

„Dieser Plan ist entstanden, weil wir erkannt haben, dass wir Handball nicht unbedingt so spielen müssen wie viele andere Nationen. Wir haben nicht viele große Spieler, also mussten wir andere Wege finden, das zu kompensieren“, verrät die Präsidentin SPORT1. Man wolle schnellen Handball spielen und starke Eins-gegen-Eins-Spieler entwickeln. „Man könnte auch sagen, dass sich der moderne Handball in eine Richtung entwickelt hat, die uns entgegenkommt“, so die 49-Jährige.

„In gewissermaßen ein Wettbewerbsvorteil“

Auf einen weiteren Punkt ging in der Vergangenheit schon einmal ihr Sohn in einem Interview mit dem Internationalen Handballverband (IHF) ein: „Auf den Färöer-Inseln sind die Hallen immer offen. Wir sind jeden Tag hingegangen und haben ein paar Stunden trainiert.“ Der Rückraumspieler ergänzte, dass sie dadurch immer besser wurden.

Diese Herangehensweise lobt Schwarzer ausdrücklich: „In den nordischen Ländern herrscht ein anderes Sportsystem und der Sport hat einen anderen Stellenwert. Man kann immer zocken, wenn man will. Das ist bei uns nicht so.“ Er berichtet, dass es in Deutschland genaue Hallenzeiten gebe, die die Kommunen bzw. Städte bestimmen würden. „Das ist schon ein großer Vorteil der nordischen Länder und in gewissermaßen auch ein Wettbewerbsvorteil.“

Auf SPORT1-Nachfrage in einer Medienrunde kritisierte dies auch der deutsche U21-Coach Martin Heuberger: „Wenn bei uns jemand außerhalb der Schule in die Halle möchte, dann steht der Hausmeister da und verbietet den Kindern den Eintritt in die Sporthalle.“ Trotzdem verwies er darauf, dass es vermessen wäre, darüber zu diskutieren, da man keinen Vergleich zwischen den Färöer-Inseln und Deutschland ziehen könnte.

Der eingeschlagene Weg der Färinger führt dazu, dass die Spieler bereits im Jugendalter bereit sind, bei den Senioren zu spielen und auch früh internationale Erfahrung sammeln können.

„In den nordischen Ländern spielen teilweise Jungs im Alter 16 oder 17 Jahren schon in der Herrenmannschaft“, meint Schwarzer und fügt hinzu: „Unseren Jungs sollte man eigentlich ein paar Jahre Entwicklung in den nordischen Ländern empfehlen, damit sie dann ausgebildet wieder zurückkommen.“

Werden die Färöer-Inseln eine Top-Nation?

Die Färöer-Inseln haben eine junge Basis geschaffen, auf die sich bei den kommenden Turnieren aufbauen lässt. Wie weit kann der Weg künftig also führen? Das Land qualifizierte sich 2024 erstmals für eine Europameisterschaft und es gelang direkt ein kleines Ausrufezeichen, als die Mannschaft angefeuert von 5.000 Färinger Fans sensationell dem haushohen Favoriten Norwegen in Berlin ein Remis abverlangte.

Verbands-Boss Ellefsen geht stark davon aus, dass die Leistungskurve auch künftig weiter nach oben zeigt und betont: „Wir sind eines der Länder, welches bei allen kommenden Welt- und Europameisterschaften – von der Jugend bis zu den Senioren – vertreten ist.“ Ihrer Meinung nach sind die Färöer-Inseln eine aufstrebende Nation, die inzwischen auf einem Niveau ist, auf dem „man uns zu den Ländern im Mittelfeld zählen kann“.

Für Schwarzer ist klar: „Sie werden immer wieder für eine Überraschung gut sein.“ Er geht davon aus, dass die Mannschaft stetig die nächsten Entwicklungsschritte machen wird und dann „können sie zu den europäischen Top-Nationen zählen“.