Jonathan Clauss war gegenüber der französischen Zeitung Le Parisien ganz offen und machte Verhandlungen mit Atlético Madrid öffentlich: „Ich hatte ein Gespräch. Aber nicht bis zu dem Punkt, an dem ich eine Entscheidung getroffen hätte“, so der französische Nationalspieler. (Nations League: Österreich - Frankreich am Freitag ab 20.45 Uhr im LIVETICKER)
Vom Briefträger zum Fußball-Star
Normalerweise ist diese Transfernachricht keine Besonderheit. Doch das wird sie durch die außergewöhnliche Laufbahn des Mittelfeldspielers. Immerhin waren Topklubs für den Mann lange Zeit ganz weit entfernt.
Denn eigentlich war die Fußball-Karriere von Clauss schon vorbei, bevor sie so richtig begonnen hatte.
In der Jugend spielte er beim französischen Erstligisten Racing Straßburg und hoffte wie alle seiner Teamkollegen auf den Sprung ins Profi-Geschäft.
Clauss startete Karriere als Briefträger
Allerdings musste der Rechtsaußen acht Jahre lang warten, ehe er tatsächlich zum Profi wurde.
Vor seinem steilen Weg nach oben musste Clauss einige Täler durchlaufen. 2010 wechselte er von Racings A-Jugend zum Lokalrivalen ASPV Straßburg.
Dort verdiente Clauss zwar etwas Geld, doch war das kaum vergleichbar mit den Millionen-Summen, die sonst im Profi-Business fließen. Die Konsequenz: Der damals 18-Jährige startete einen zweiten Berufszweig, entschied sich für einen Job als Briefträger.
Clauss mit Tour durch Amateurligen
Den Fußball wollte Clauss dennoch nicht aufgeben, spielte weiter unterklassig. So wechselte er 2013 in die deutsche Verbandsliga zum SV Linx und ging dort auf Torejagd.
Nach zwei Jahren kehrte der Mittelfeldspieler zurück nach Frankreich und schloss sich dem Fünftligisten US Raon an. Die nächste Adresse war der Drittligist US Avranches, ehe er in der Saison 2017/18 für US Quevilly in der zweiten französischen Liga spielte.
So richtig vorangehen wollte es für Clauss trotzdem nicht. So stand er 2018 vor der Frage, ob er seine Fußballschuhe endgültig an den Nagel hängen und sich vollkommen auf seinen Job als Briefträger konzentrieren soll.
Bielefeld mit wichtiger Rolle für Clauss
Ein entscheidender Anruf veränderte indes alles. Arminia Bielefeld, als damaliger Zweitligist, wurde auf Clauss aufmerksam. (DATEN: Tabelle der Bundesliga)
Clauss wechselte 2018 auf die Bielefelder Alm. Der Franzose übertraf die kühnsten Träume, trug mit fünf Treffern und acht Vorlagen maßgeblich dazu bei, dass 2020 die Rückkehr in die Bundesliga gelang.
Die Folge: Höherklassige Vereine begannen sich für Clauss zu interessieren, besonders der RC Lens, der den Rechtsfuß schließlich in die Ligue 1 lockte.
„Ich bin als Kind gekommen und werde als Mann weiterziehen“, rief er zum Abschluss den Bielefelder Fans zu, die ihm zwei Jahre zugejubelt hatten.
Von Lens in die französische Nationalmannschaft
Nach den Anhängern der Arminia bestaunen seit Sommer 2020 auch andere Fans das Können des zunächst Gescheiterten.
Clauss hatte sich nach seinem Wechsel schnell etabliert, einen Stammplatz in kürzester Zeit erkämpft. In der laufenden Saison spielte er sich mit fünf Toren und elf Vorlagen ins Rampenlicht. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der Ligue 1)
Der Traum von der Équipe Tricolore ging am 17. März in Erfüllung. Nationalcoach Didier Deschamps berief Clauss in den französischen Kader für die Testspiele gegen die Elfenbeinküste und Südafrika.
Bei Lens sorgte das für große Ekstase. Gemeinsam hatten sie die Pressekonferenz von Deschamps verfolgt. Als der Name „Clauss“ fiel, war bei der Mannschaft kein Halten mehr.
Der Nominierte konnte es auch kaum fassen, schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.
Fährt Clauss zur WM?
Für Clauss blieb es indes nicht bei der Nominierung: Mittlerweile hat er schon vier Spiele für den amtierenden Weltmeister bestritten, zuletzt wurde er zwei Mal in der Nations League eingewechselt. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der Nations League)
Der einstige Briefträger hat nun die WM in Katar vor Augen - und offenbar auch den Wechsel zu Atlético Madrid.