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Brexit und die Folgen für den Fußball: "Keine Stars mehr in England"

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Brexit und die Folgen für den Fußball: "Keine Stars mehr in England"

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Englands Fußball zittert vor Brexit

England steuert auf den Brexit zu und die Premier League fürchtet um ihre Vormachtstellung. Experten sagen große Probleme voraus. Oder liegt darin sogar eine Chance?
Brexit, Paul Pogba, Leroy Sane, Premier League, Fußball
Brexit, Paul Pogba, Leroy Sane, Premier League, Fußball
© SPORT1-Grafik: Marc Tirl/Getty Images/iStock
von Marcel Bohnensteffen

Eine der besonderen Möglichkeiten für uns Europäer ist die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit. 

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Sie zählt zu den Grundrechten der EU und besagt, dass jeder Bürger dieses Kontinents in jedem Mitgliedsland unter gleichen Voraussetzungen arbeiten darf - unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit. 

Nun gehören Fußballer einer Spezies an, die von diesem Recht überproportional oft Gebrauch macht. Vor allem jene, die in England spielen. Die Premier League ist in den vergangenen Jahren zum Hort von Stars und Top-Talenten aus aller Herren Länder geworden. 

Das große Geld hat die großen Namen gebracht, und umgekehrt. So einfach war die Rechnung auf der Insel bislang. 

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Englands Fußball fürchtet um seine Wettbewerbsfähigkeit

Der bevorstehende Brexit wird das Mutterland des Fußballs wirtschaftlich jedoch in seinen Grundfesten verändern. Mit massiven Auswirkungen auf den Sport. 

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Wenn nämlich das wahr wird, was die britische Regierung vorhat im Falle eines harten Brexit - und darauf läuft nach der abgeschmetterten Einigung mit der EU alles hinaus -, dann ist das Stelldichein der Spitzenspieler schon bald vorbei. 

Premierministerin Theresa May hat ziemlich klar gemacht, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit außer Kraft gesetzt wird, wenn Großbritannien aus der EU ausscheidet. 

Für Fußballer würde das bedeuten: Wollen sie auch künftig in England gültige Arbeitsverträge unterschreiben, brauchen sie eine Aufenthaltserlaubnis. Und die ist an ziemlich strenge Auflagen geknüpft. Premier-League-Profis aus dem nichteuropäischen Ausland wissen darüber nur zu gut Bescheid. 

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Die Analysten der Statistik-Website Five Thirty Eight haben ausgerechnet, dass 58 Prozent aller Spieler, die bis zum Ende der vergangenen Saison aus dem EU-Ausland in die höchste englische Liga gewechselt sind, niemals spielberechtigt gewesen wären - wenn man die neue Regelung zugrunde legt. 

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Kaum verwunderlich also, dass die Premier League gegen die Pläne der Politik aufbegehrt. Sie fürchtet ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, sollten Fußballer aus dem Ausland durch verschärfte Einwanderungsregeln abgeschreckt werden. Führende Experten warnen bereits vor einem solchen Szenario. 

"Die Premier League wird durch den Brexit definitiv an Attraktivität verlieren", prophezeit Henning Zülch, Wirtschaftswissenschaftler an der Leipzig Graduate School of Management, bei SPORT1. "Europäische Stars und Top-Talente werden künftig nicht mehr im englischen Fußball zuhause sein".

"Bundesliga könnte großer Gewinner sein"

Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Henning Vöpel, sieht ebenfalls schwierige Zeiten auf die englischen Klubs zukommen. "Ihre Aktivitäten auf den europäischen Transfermärkten werden deutlich beschränkt sein", sagt er SPORT1

Eine Entwicklung, zu der gewiss auch der enorme Währungsverfall beiträgt. Ein britisches Pfund hat heute den Wert von 1,15 Euro. Im Juli 2015 lag der Wechselkurs noch bei 1,44 Euro. 

"Die Abwertung des Pfunds macht die Importe der Spieler sehr viel teurer", sagt Vöpel. "Es ist zu bezweifeln, dass die hohen Ablösen und Gehälter mit einem schwachen Pfund zu refinanzieren sind."

Der Brexit macht die Klubs der Premier League angreifbar. Ohne neue Stars wird es künftig weniger frisches Kapital geben. Investoren ziehen ab, die TV-Einnahmen gehen zurück. England droht der Verlust der Marktführerschaft. 

Andere europäische Top-Ligen machen sich bereits Hoffnungen, die Schwäche des bis dato übermächtigen Konkurrenten auszunutzen. 

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"Die Bundesliga könnte in der gegenwärtigen Situation der große Gewinner werden", sagt Gregor Reiter, Geschäftsführer der deutschen Spielervermittler-Vereinigung DFVV zu SPORT1. "Die Vereine kommen zu günstigeren Preisen an qualitativere Spieler."

Doch wie wahrscheinlich ist eine Wachablösung im europäischen Fußball? 

Kampflos werden die englischen Vereine der Konkurrenz das Feld kaum überlassen. In der Vergangenheit war die Politik in der Not dann eben doch ein treuer Verbündeter. 

Der Fußball bringt dem Staat jährlich mehr als drei Milliarden Euro an Steuern ein. Er sichert 12.000 Arbeitsplätze.

"Die Premier League ist eine Melkkuh. Die Briten werden einen Teufel tun, dem Steine in den Weg zu legen", sagte Dietmar Hamann dieser Tage im Business Insider. Der frühere England-Legionär ist sicher, dass es beizeiten Ausnahmeregelungen geben wird, "damit weiterhin die besten Spieler auf die Insel geholt werden können".

Geschenkte Staatsbürgerschaften wie in Katar?

Ein beliebtes Lockmittel in jenen Einkommensklassen sind steuerliche Vergünstigungen. Es gilt als ziemlich sicher, dass die Briten nach dem EU-Austritt ihre Einkommenssteuer senken werden, um nicht sämtliche Geldgeber zu verprellen. 

Für Fußball-Profis könnte sich die lukrative Situation ergeben, dass sie am Ende sogar ein noch höheres Nettogehalt kassieren werden. 

Und zur Not gibt es ja noch unorthodoxe Maßnahmen. Das Einbürgerungsrecht etwa könnte ein Schlupfloch sein, um das Verbot der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu umgehen.

Sportler erhalten eine neue Staatsbürgerschaft - Katar und die Türkei haben dieses Phänomen in verschiedenen Sportarten salonfähig gemacht, besonders in der Leichtathletik. Auch im Fußball gehören Einbürgerungen zum Geschäft. Bislang war das eher für Nationalmannschaften ein Thema. Womöglich aber auch schon bald für englische Klubs.

"Wenn die Vereine unter Druck geraten, kann ich mir einen solchen Schritt durchaus vorstellen", sagt Ökonom Vöpel. 

Doch verpasst der englische Fußball damit nicht eine weitere Chance, seinen Nachwuchs auf höchstes Niveau heranzuführen? 

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Greg Clarke, Präsident der mächtigen FA, stört sich seit geraumer Zeit an den vielen Legionären, "die junge englische Talente verdrängen". Aus diesem Grund verfolgt sein Verband eine fundamental andere Strategie als die Premier League, was die Sache verkompliziert.

Während die Liga Fußballer am liebsten von sämtlichen Brexit-Beschränkungen befreien würde, strebt die FA eine Kader-Obergrenze für Spieler aus Nicht-EU-Staaten an.  

"Brexit das Beste, was dem Fußball passieren konnte"

Von derzeit 17 auf zwölf Nicht-Europäer soll das Limit gesenkt werden. Ein Ansatz, der den nationalen Fußball stärken soll - aber eben zulasten der Klubs geht, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Die große Mehrheit der aktuellen Premier-League-Kader würde die Regularien derzeit nicht erfüllen. Aber auch das kann ein Anreiz sein, damit endlich der eigene Nachwuchs zum Zug kommt. 

Wohin Englands Fußball nach dem Brexit steuert, hängt ganz entscheidend davon ab, wer seine Interessen am Ende durchsetzt: die Liga oder der Verband.

"Für den europäischen Fußball ist der Brexit das Beste, was passieren konnte", sagt Henning Zülch. "Er bereinigt den Markt und ermöglicht den englischen Vereinen eine Renaissance."