So langsam beginnen die Alarmglocken an der Anfield Road zu schrillen. Durch die 0:1-Niederlage in der Champions League bei Galatasaray Istanbul steigt der Druck auf den FC Liverpool. Trotz fehlender Souveränität und Lockerheit passten anfangs zumindest die Ergebnisse der Reds. Nun kassierten sie jedoch die zweite Niederlage am Stück, nachdem sie sich am vergangenen Wochenende in der Premier League Crystal Palace geschlagen geben mussten (1:2).
Was ist in Liverpool los? Wirtz nicht das einzige Problem
Liverpool gibt Rätsel auf
Nach einem Sommer-Transferfenster mit Rekordausgaben in Höhe von 605 Millionen Euro scheint sich Liverpool eine derart schwache Phase nicht erlauben zu können. Neben dem viel kritisierten Florian Wirtz gibt es jedoch mehrere Gründe, warum die Mannschaft bislang nicht richtig heißläuft.
Wirtz bringt Mittelfeld aus der Balance
Da der deutsche Star bei der überraschenden Champions-League-Pleite am Dienstagabend erneut eine schwache Leistung zeigte, steht Wirtz immer mehr im Zentrum der medialen Kritik. Ex-Spieler und CBS-Experte Jamie Carragher fand harte Worte für die Leistungen des deutschen Nationalspielers. Der ehemalige Leverkusener sei das beste Beispiel dafür, dass die Balance im Team nicht stimme, daher rät Carragher dazu, ihn vorerst aus dem Team zu nehmen.
Tatsache ist: Wirtz konnte in neun Spielen im Liverpool-Dress noch lediglich einen Scorerpunkt im Community Shield liefern. Die Ablöse von 125 Millionen Euro kann er bislang mit seinen Leistungen noch nicht rechtfertigen. Gegen Galatasaray merkte man dem 22-Jährigen den Druck an - 14 Ballverluste und eine Zweikampfquote von 31 Prozent sprechen eine deutliche Sprache.
Wirtz wirkt bislang noch wie ein Fremdkörper im Liverpool-Team, mit seinem Einsatz verändert sich die Dynamik im sonst so stabilen Mittelfeld der Reds. Dass der Eingewöhnungsprozess etwas Zeit braucht, wenn ein Star-Spieler in ein neues System eingebunden wird, ist zwar völlig normal, mit Blick auf die Ablösesumme des deutschen Nationalspielers sollte dieser jedoch irgendwann einen Platz in Arne Slots Struktur finden.
Slot-Rotation funktioniert noch nicht
Die bisher noch nicht gelungene Integration von Wirtz in die erste Elf ist jedoch bei weitem nicht das einzige Problem des Premier-League-Klubs. Nach dem großen Umbruch im Sommer hat sich noch keine Stammelf gefunden.
Während Slot im vergangenen Jahr auf eine unter Vorgänger Jürgen Klopp zusammengewachsene Truppe setzen konnte, fehlt die Kontinuität in diesem Jahr. Dies bemerkte auch Ex-Liverpool-Stürmer Daniel Sturridge bei Amazon Prime: „Wenn man sich die Spielweise des Teams derzeit ansieht, ist es nicht mehr dasselbe Team wie letztes Jahr. Die Chemie stimmt nicht.“
Stattdessen muss der ehemalige Feyenoord-Coach rotieren, was nicht immer funktioniert. Gegen den türkischen Rekordmeister wechselte der 47-Jährige auf vier Positionen im Vergleich zur Niederlage gegen Crystal Palace.
Dabei blieb beispielsweise Superstar Mohammed Salah zum ersten Mal seit Oktober 2022 in der Königsklasse auf der Bank, ersetzt wurde er auf dem Flügel durch den Ex-Leverkusener Jeremie Frimpong, der dort als Rechtsverteidiger auflief. Zudem spielte Dominik Szoboszlai ungewöhnlicherweise hinten rechts. Diese experimentellen Wechsel zahlten sich nicht aus.
Man merkt den Sommerneuzugängen an, dass sie sich erst eingewöhnen müssen. Die stetige Rotation könnte diesen Prozess erschweren, ist jedoch auch nötig, um das Verletzungsrisiko zu dämpfen, wie Slot selbst erklärte: „Ich mag meinen Kader so sehr, aber wir haben keine 25 oder 26 Spieler. Wenn wir also ein paar Verletzungen haben, dann kann es kompliziert werden.“
Defensive wackelt - Offensive muss sich finden
Das nächste Problem der Reds ist die wackelige Defensive. Der englische Meister kassierte in zehn Pflichtspielen bislang 13 Gegentore, nur zweimal spielte er zu null. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison waren es zu diesem Zeitpunkt bereits sechs weiße Westen.
Die Liverpool-Abwehr funktioniert als Einheit bislang noch nicht. Sie ist bereits seit Beginn der neuen Saison zu offen, fehleranfällig und sieht bei Kontern oder Standards nicht gut aus. Zunächst übertünchten die Last-Minute-Siege der Reds diese Mängel, nachdem das Slot-Team in diesen Spielen mehrfach Führungen zwischenzeitlich leichtfertig verspielt hatte. Gegen Galatasaray zeigte die Abwehrreihe erneut einen fehlerbehafteten Auftritt.
Auch die Offensive muss sich noch finden. Mit Hugo Ekitiké (95 Millionen Euro) und Alexander Isak (145 Millionen Euro) wurden zwei hochkarätige Stürmer verpflichtet, die ähnlich wie Wirtz ihrem Preisschild gerecht werden müssen. Auf der Stürmerposition kommt es zu dem Dilemma, welcher der beiden den Vorzug bekommt. Ex-Frankfurter Ekitiké überzeugte bislang mit sechs Scorern aus neun Spielen.
Kann Liverpool Isak auf die Bank setzen?
Rekordtransfer Isak hat sich währenddessen bei den Reds bislang noch nicht eingefunden. Nach seiner Einwechslung am Dienstagabend in der 61. Spielminute sammelte der Stürmer nur vier Ballkontakte. Um sich einzugewöhnen, braucht Isak Spielzeit - wenn nach dem Leistungsprinzip aufgestellt wird, hat Ekitiké jedoch klar die Nase vorn. Den 145-Millionen-Mann auf die Bank zu setzen, dürfte jedoch nicht das Ziel der Rekordverpflichtung gewesen sein.
Insgesamt kann man bei der Schwächephase Liverpools sicherlich noch nicht von einer Notlage sprechen, die Probleme des amtierenden Premier-League-Siegers waren jedoch zuletzt klar ersichtlich.
The Athletic resümiert hierzu: „Es handelt sich noch nicht um eine Krise, aber in diesen beiden Spielen konnte Liverpool einige der Probleme nicht überwinden, die bereits zu Beginn der Saison aufgetreten waren, jedoch aufgrund der späten Tore von Slots Mannschaft keine negativen Auswirkungen hatten.“
In der Premier League ist der Titelverteidiger immer weiterhin Tabellenführer, die Niederlage in der Königsklasse ist bitter, aber sagt noch nicht viel aus.
Eine weitere Enttäuschung im Ligamatch beim FC Chelsea (Samstag um 18.30 Uhr im LIVETICKER) dürfte die Situation jedoch wesentlich verschärfen.