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Die teuer bezahlte Olympia-Faust

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Die teuer bezahlte Olympia-Faust

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Die teuer bezahlte Olympia-Faust

Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-City setzten Tommie Smith und John Carlos ein Zeichen, das ihr Leben prägen sollte. Sie stehen bis heute dazu.
Tommie Smith (M.) und John Carlos reckten 1968 bei der Siegerehrung die Faust in die Höhe
Tommie Smith (M.) und John Carlos reckten 1968 bei der Siegerehrung die Faust in die Höhe
© Imago
mhoffmann
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Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-City setzten Tommie Smith und John Carlos ein Zeichen, das ihr Leben prägen sollte. Sie stehen bis heute dazu.

Tommie Smith reckt seinen rechten Arm in die Luft, John Carlos den linken - die Hände im schwarzen Handschuh zur Faust geballt.

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Beide senken den Kopf. Ohne Schuhe, nur in schwarzen Socken, stehen die US-Sprinter auf dem Siegerpodest, während ihre Hymne gespielt wird. Die Bilder gehen um die Welt. Und in der Heimat löst ihr stiller Protest bei den Olympischen Spielen 1968 einen Skandal aus.

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist das alles nun her. Und Smith wie Carlos sind bis zum heutigen Tag frustriert, wie aktuell der Anlass ihres Protests in Mexiko-Stadt heute vor 55 Jahren noch immer ist.

"Eine Schnecke hat sich in 50 Jahren weiter bewegt als wir uns im Kampf für Bürgerrechte", sagte Carlos 2018, im Jubiläumsjahr der Geste.

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Tommie Smith und John Carlos ernteten Verachtung

Am 16. Oktober 1968 war Smith in Weltrekordzeit zu Gold über 200 m gerannt, Carlos wurde Dritter. Aber Helden waren sie nur für kurze Zeit. Das Ende des Tages erlebten sie als Verachtete.

Denn mit ihrem Zeichen gegen Diskriminierung und Rassenhass in den USA hatten sie nicht nur mit einem der Grundpfeiler der olympischen Bewegung gebrochen: Sport und Politik gehören angeblich nicht zusammen. Ihre Haltung sollte für das restliche Leben des damals 24 Jahre alten Smith und des ein Jahr jüngeren Carlos weitreichende Konsequenzen haben.

Auf Druck des IOC wurden sie aus dem US-Olympiateam geworfen, Smith alle Fördergelder gestrichen. Plötzlich waren sie Ausgestoßene, Verbannte, die Morddrohungen erhielten. Sie hatten die Gemüter einer Gesellschaft erhitzt, deren Nervenkostüm zur Zeit der Bürgerrechts-Bewegungen und des Vietnamkriegs ohnehin hauchdünn war.

Im Jahr vor Olympia hatte Box-Ikone Muhammad Ali seinen WM-Titel wegen seiner Kriegsdienst-Verweigerung abtreten müssen. Vier Monate vor den Spielen war Bürgerrechts-Ikone Martin Luther King in Memphis ermordet worden. Auch Weitspringer Bob Beamon, der zwei Tage nach dem Protest von Smith und Carlos mit seinem "Jahrhundertsprung" die Welt verblüffte, hatte bei der Olympia-Vorbereitung mit Rassismus-Turbulenzen zu kämpfen.

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Protest bei Olympia 1968 war detailliert geplant

„Wir mussten etwas tun, um vorwärts zu kommen“, erklärte Smith. Dafür wollten er und Carlos die Bühne der Spiele nutzen, die erstmals global im Fernsehen übertragen wurden - eine Reichweite, die es zuvor nicht gegeben hatte.

Ihre Inszenierung war bis ins Detail geplant: Die in die Höhe gestreckte Faust galt als Zeichen der Black-Power-Bewegung. Die schwarzen Socken symbolisierten die Armut der schwarzen Bevölkerung - ein Thema, dem sich auch King vor seiner Ermordung stärker angenommen hatte.

Eine Perlenkette um den Hals von Carlos erinnerte an die Lynchmorde. Zudem trugen Smith und Carlos den weißen Anstecker der Menschenrechtsbewegung Olympic Project for Human Rights (OPHR), der beide ebenso angehörten wie Silbermedaillengewinner Peter Norman aus Australien.

Trübe Rolle von IOC-Präsident Avery Brundage

Smith und Carlos bekamen den geballten Zorn des Establishments zu spüren, eine besonders trübe Rolle spielte dabei auch der damalige IOC-Präsident Avery Brundage, berüchtigt für die Verrenkungen, mit denen er 1936 als US-Funktionär die Boykott-Bewegung gegen die Spiele in Nazi-Deutschland bekämpfte - und über die Judenfeindlichkeit der NS-Regierung um Adolf Hitler (inklusive der Diskriminierung jüdischer Athleten) verharmlosend hinwegsah.

Brundages Haltung zur Bürgerrechtsbewegung wurde auch nicht als aufgeschlossen wahrgenommen, schon vor den Spielen hatte Smith über den als "Slavery Avery" gescholtenen Brundage geschimpft: "Ich will nicht, dass Brundage mir irgendeine Medaille überreicht."

Auf den Black-Power-Protest reagierte der 1975 verstorbene Brundage dann entsprechend gereizt. "Verzerrte Geisteshaltungen und gescheiterte Charaktere scheinen überall zu sein und unmöglich zu eliminieren", meinte er und sprach von einer "üblen Demonstration gegen die amerikanische Flagge durch Negros".

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Smith und Carlos unterstützen "Black Lives Matter"

Smith und Carlos kämpften nach ihrer Rückkehr in die USA um ihre Existenz und bekamen nur schwer wieder Boden unter den Füßen. Beide spielten zunächst wenig erfolgreich in der amerikanischen Football-Profiliga NFL, arbeiteten anschließend als Trainer und Lehrer. Erst Jahre später ernteten sie Anerkennung für ihren Mut. Seit 2005 erinnert eine Statue an der Universität von San Jose in Kalifornien an den Protest, der ehemalige Präsident Barack Obama empfing sie im Weißen Haus.

Doch der Kampf gegen die Rassendiskriminierung in den USA geht bis heute weiter. Der ehemalige NFL-Star Colin Kaepernick sah sich nach seinem Kniefall-Protest 2016 ähnlichen Anfeindungen ausgesetzt - unter anderem durch US-Präsident Donald Trump - und hat bis heute kein Team mehr gefunden.

Carlos unterstützte die neue Protest-Ikone: Manchmal müsse man für eine Sache, an die man glaubt, Opfer bringen, schrieb er damals. Keiner von ihnen habe mit so drastischen Konsequenzen für das eigene Leben gerechnet: "Aber wir haben hinter unseren Aussagen gestanden. So wie Kaepernick."

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Auch nach dem Tod von George Floyd und den neu entflammten Protesten der Black-Lives-Matter 2020 wurde oft an die Pionierarbeit von Smith und Carlos erinnert.

Dass Dortmunds Jadon Sancho und andere den Protest damals auch in die Fußball-Bundesliga trugen, nahm Smith wohlwollend zur Kenntnis. Der Bild am Sonntag sagte er: „Sie haben offenbar verstanden, dass George Floyd auch sie repräsentiert. Er repräsentiert ein System, das Hilfe benötigt.“

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)