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"Sportlerleben zu kurz für Boykotte" - Malaika Mihambo im SPORT1-Interview über Karriere-Pläne, Geld & Olympia

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"Sportlerleben zu kurz für Boykotte" - Malaika Mihambo im SPORT1-Interview über Karriere-Pläne, Geld & Olympia

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Brisante Debatte: Das fordert Mihambo

Olympiasiegerin Malaika Mihambo spricht bei SPORT1 über ihre WM- und EM-Saison und die heiklen Fragen um Olympia in China. Hier das Interview.
Alexander Zverev und Malaika Mihambo werden als Sportler und Sportlerin des Jahres ausgezeichnet. Der Bahnrad-Vierer der Frauen löst den FC Bayern ab.
Johannes Fischer
Johannes Fischer

Es gibt derzeit keine erfolgreichere deutsche Leichtathletin als Malaika Mihambo.

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Mihambo, die heute ihren 28. Geburtstag feiert, gehört seit Jahren zur internationalen Elite und krönte ihre bisherige Karriere mit dem Olympiasieg im Weitsprung im vergangenen Jahr in Tokio.

Verdientermaßen wurde sie Ende 2021 zum dritten Mal in Folge zu Deutschlands Sportlerin des Jahres gewählt.

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Doch nach Olympia ist bekanntlich vor Olympia, und so steht für die gebürtige Heidelbergerin wieder der Alltag auf dem Programm, wie zuletzt beim Hallen-Meeting in Erfurt, bei dem sie sich auch erstmals bei einem Wettkampf auf der Sprintstrecke über die 60 Meter probierte. Am Freitag folgt der nächste Form-Check beim ISTAF Indoor in Berlin - ab 18 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und ab 17.15 Uhr im kostenlosen LIVESTREAM.

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Was die Spitzensportlerin rückblickend über die Zeit nach ihrem wohl erfolgreichsten Jahr 2019 denkt, mit welchen Zielen sie in das Jahr 2022 geht und ob sie eines Tages im Wintersport zu sehen sein wird, verriet sie nun im Gespräch mit SPORT1.

SPORT1: Frau Mihambo, wie zufrieden waren Sie mit ihrem 60-Meter-Ausflug beim Meeting in Erfurt?

Mihambo: Im Finale bin ich nicht gut in den Lauf gekommen. Ich habe leider von Anfang bis Ende Fehler gemacht, die dazu geführt haben, dass ich mich zeitlich nicht verbessern konnte. Das war aber halb so schlimm, denn dieses Jahr steht der Sprint auf dem Programm, um den Weitsprung zu fördern. Ich bin nicht mit dem Ziel, eine Bestleistung aufzustellen, an den Start gegangen. Unser Fokus lag weniger auf dem Wettkampf.

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SPORT1: Sie hatten bereits angekündigt, dass es eine kurze Hallen-Saison für Sie wird. Jetzt warten noch die zwei ISTAF-Meetings und die Deutsche Meisterschaft. Das war es dann, oder?

Mihambo: Genau, mehr steht nicht auf dem Programm.

SPORT1: Die kommende Saison steckt insgesamt voller Höhepunkte. Da dürfte es für Sie nicht schwer sein, sich zu motivieren, oder?

Mihambo: Ja, definitiv. Ich freue mich darauf, auch an den Schwachstellen, die ich noch habe, zu arbeiten.

SPORT1: Die WM in Eugene oder die EM in München: Können Sie schon sagen, was für Sie wichtiger sein wird?

Mihambo: Wichtig sind natürlich beide Wettkämpfe, sie liegen mir beide am Herzen, weil ich als Titelverteidigerin eine ganz besondere Rolle habe. Aber die EM in München hat nochmal eine besondere Stellung, da ein internationaler Wettkampf vor heimischem Publikum das größte ist, was man sich als Athlet wünschen kann.

Mihambo ordnet WM-Gewinn und Olympiasieg in Tokio ein

SPORT1: Wenn Sie auf die vergangenen beiden Jahre zurückblicken: Was war für Sie der emotionalere Moment, der WM-Triumph oder der Olympiasieg in Tokio im letzten Sprung?

Mihambo: Das waren zwei ganz unterschiedliche Wettbewerbe. In Doha zu gewinnen war etwas wahrscheinlicher, da ich in der Saison sehr stark war. In Tokio wusste ich selbst, dass ich es schaffen kann, aber es war nichts, womit man sicher rechnen konnte. Ich wusste, dass ich da auf den Punkt da sein musste, dass alles stimmen musste. Das gewisse Quäntchen Glück war auch nötig. Von daher war der Sieg in Tokio etwas emotionaler.

SPORT1: Die besten Weiten Ihrer Karriere hatten Sie im Weltmeister-Jahr 2019, in den darauffolgenden Jahren waren Sie nicht mehr rangekommen. Lag es an der Pandemie?

Mihambo: Die Pandemie ist natürlich ein Faktor, ja. Im ersten Lockdown habe ich gar nicht trainieren können, was aber auch an meiner Rückenverletzung lag, die ich auskurieren musste. Ein dreimonatiger Trainingsausfall zieht auch Kraft, da habe ich lange gebraucht, um den Trainingsrückstand aufholen zu können. Das hat man einfach gemerkt. Zum anderen gab es die Umstellung in meinem Trainingsumfeld mit dem Trainerwechsel. Das sind auch Dinge, die unheimlich viel Energie kosten, die beim Wettkampf letztendlich fehlt. Man hat keine große Basis, auf die man zurückgreifen kann, da alles noch in der Entwicklung ist.

SPORT1: Hoffen Sie, dass im Sommer wieder ein volles Münchener Stadion Sie anfeuern kann?

Mihambo: Das wäre natürlich die große Hoffnung, aber man muss realistisch bleiben und schauen, was zu gegebener Zeit möglich ist. Wie wir alle wissen, kann man bei Corona erst knapp vor dem Wettkampf entscheiden.

SPORT1: Versuchen Sie sich bei EM und WM, für die Lauf-Staffel zu qualifizieren? Es wäre ein schöner Bonus ...

Mihambo: Das habe ich nicht im Fokus. Ich habe gerade in der Saison 2019 gemerkt, dass mein Körper bei zwei Disziplinen, die man zu 100% ausüben möchte, nicht mitspielt. Ich konzentriere mich lieber auf den Weitsprung, da fühle ich mich zu Hause. Die Chance, die ich im Weitsprung habe, möchte ich nicht mit anderen Dingen verspielen.

„Paris 2024 ist auf jeden Fall ein Ziel“

SPORT1: Sie werden heute 28 Jahre alt. Haben Sie einen Plan, wie lange Sie Ihre Karriere fortsetzen wollen?

Mihambo: Paris 2024 ist auf jeden Fall ein Ziel. Man muss immer gesund sein und mit Spaß dabeibleiben. Dann muss man schauen, wie lange es sich noch ‚richtig‘ anfühlt.

SPORT1: Sie haben erzählt, dass Ihnen viel an der Zukunft der Kinder liegt. Spielen Sie nach der Karriere mit dem Gedanken, sich im pädagogischen Bereich zu engagieren?

Mihambo: Natürlich habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, aber ich bin noch mitten im Studium und in meiner sportlichen Karriere. Von daher steht es nicht ganz oben auf der Liste. Ich kann mir gut vorstellen, etwas mit Kindern zu machen. Ich studiere aber nicht umsonst Umweltwissenschaften, da mir die Umweltproblematiken am Herzen liegen. Vielleicht lässt sich beides kombinieren.

Mihambo wünscht sich mehr Geld für Sportler

SPORT1: Durch Ihre Erfolge sieht man Sie öfter als Werbebotschafterin. Machen es Ihnen die Sponsorengelder einfacher, sich auf den Sport zu konzentrieren?

Mihambo: Definitiv. Ich konnte mir schon etwas aufbauen, was mir viel Sicherheit gibt. Darüber bin ich sehr dankbar und glücklich, da ich weiß, wie es auf der anderen Seite des Leistungssports aussehen kann, wenn man nicht genau weiß, ob man am Monatsende bei Null rauskommt. Auch das habe ich schon erlebt. Ich freue mich, dass ich es geschafft habe, mich in eine andere Lage zu bringen. Ich bin mir aber der generellen Problematik bewusst und hoffe, dass sich für viele Sportler die Möglichkeit ergibt, aus finanziellen Nöten herauszukommen. Man muss aber sagen, dass Corona diese Situation verschlechtert hat.

SPORT1: Sollte der Staat Spitzensportler besser honorieren, damit diese sich ausschließlich auf den Sport konzentrieren können?

Mihambo: Das ist eine Frage der gesellschaftlichen und politischen Präferenzen. Möchte man Deutschland in vielen Sportarten ganz vorne sehen, sollte man die finanzielle Unterstützung für Sportler verbessern.

SPORT1: Bei den bevorstehenden Winterspielen wird mit Alexandra Burghardt eine Sprintkollegin von Ihnen im Zweierbob starten. Wäre das auch was für Sie?

Mihambo: Es wäre interessant, einen Ausflug in den Wintersport zu machen. Aber ich habe wohl nicht die besten Voraussetzungen, um Bob-Anschieberin zu werden. Dafür bin ich zu schmächtig (lacht).

Boykotte? „Sportlerleben dafür zu kurz“

SPORT1: Die Menschenrechtslage in China wird Olympia als Thema begleiten. Bringt die IOC die Athleten in die Bredouille mit solchen Austragungsorten?

Mihambo: Die Athleten können da nicht viel entscheiden. Wie man damit umgeht, muss natürlich am Ende jeder für sich entscheiden.

SPORT1: Wie entscheiden Sie?

Mihambo: Wenn es um die Frage geht, ob man als Sportler persönliche Boykotte oder ähnliches in Erwägung ziehen sollte: Ich denke, dass ein Sportlerleben dafür zu kurz ist. Die Chancen, sich überhaupt über Wasser zu halten, sind gering. Kein Leistungssportler, der das hauptberuflich macht, würde sich ein Ereignis wie Olympia entgehen lassen. Von daher sollte man nicht erwarten, dass Athleten solchen Wettbewerben fernbleiben. Wichtiger ist, dass sich Entscheidungsträger vorher festlegen, anhand welcher Werte solche Projekte vergeben werden. Auch Boykotte politischer Seite sind nur so wirkungsvoll, wie sie auch ernst gemeint sind.

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