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Doping-Wahnsinn in Kenia: Experte für Doping schlägt Alarm! "Da läuft alles rein, was möglich ist"

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Doping-Wahnsinn in Kenia: Experte für Doping schlägt Alarm! "Da läuft alles rein, was möglich ist"

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Kenia-Doper: Experte schlägt Alarm

Im laufenden Jahr wurden bereits 24 kenianische Leichtathleten des Dopings überführt, wobei ein Präparat namens Triamcinolonacetonid die Hauptrolle spielt. Doping-Experte Professor Fritz Sörgel erklärt die Hintergründe.
Lawrence Cherono und Philemon Kacheran beim Valencia Marathon 2021 - beide wurden 2022 des Dopings überführt
Lawrence Cherono und Philemon Kacheran beim Valencia Marathon 2021 - beide wurden 2022 des Dopings überführt
© Imago
Johannes Fischer
Johannes Fischer

Die Leichtathletik-Szene wird 2022 durch eine horrende Zahl von Dopingfällen aufgeschreckt.

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Dabei spielt vor allem Kenia eine unrühmliche Rolle: Am vergangenen Wochenende wurde mit Marius Kipserem der 24. Athlet aus dem ostafrikanischen Land im laufenden Jahr überführt. Viele davon wegen einer Substanz mit dem Namen Triamcinolonacetonid.

Es sei ein „neuer Trend in der kenianischen Leichtathletik“, wie die Dopingjäger der unabhängigen Integritätskommission AIU des Leichtathletik-Weltverbandes (WA) unlängst feststellten.

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Zehn Kenianer wurden 2022 „positiv auf diese verbotene Substanz getestet“, heißt es in einer Mitteilung. Und es werden wohl bald noch mehr, mindestens vier weitere Fälle werden derzeit untersucht. Zum Vergleich: Außerhalb Kenias gab es in diesem Jahr laut AIU weltweit nur zwei weitere positive Triamcinolon-Fälle.

Einer der Erwischten ist Philemon Kacheran, wichtiger Trainingspartner von Weltrekordler Eliud Kipchoge, der kürzlich seine Bestzeit in Berlin auf 2:01:09 Stunden verbesserte.

Was ist von der kenianischen Flut an Dopingsündern zu halten? SPORT1 hat nachgefragt bei Fritz Sörgel, Professor für Pharmakologie und renommierter Doping-Experte.

SPORT1: Professor Sörgel, ist das Triamcinolonacetonid tatsächlich ein Präparat, das Läufern bei der Leistungssteigerung signifikant hilft?

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Fritz Sörgel: Da stimme ich nicht zu, dass es zu einer direkten Leistungssteigerung im Sinne eines Dopingmittels führt. Es soll das Gewicht reduzieren, zugleich Muskelkraft und Ausdauer stärken, das geht mit einer einzigen Substanz nicht. Nach meiner Definition ist das aber ein Arzneimittelmissbrauch, der wie ein Dopingmittel im Wettkampf sanktioniert werden muss.

Prof. Dr. Fritz Sörgel leitet das Institut für Biomedizin und Pharmazeutische Forschung (IBMP) Nürnberg
Prof. Dr. Fritz Sörgel leitet das Institut für Biomedizin und Pharmazeutische Forschung (IBMP) Nürnberg

SPORT1: Worin besteht der Effekt des Präparats?

Fritz Sörgel: Der Sportler mit Triamcinolon hat einen Wettbewerbsvorteil. Es ist eine alte, in der Medizin bewährte Substanz, die schon lange von Hausärzten auch Amateursportlern bis runter in die C-Klassen des Fußballs verabreicht wird, die nicht dem WADA-Code unterliegen.

Sörgel: Dopingmittel „lässt Schmerz vergessen“

SPORT1: Warum darf es im Hochleistungssport nicht verabreicht werden?

Fritz Sörgel: Bei Hochleistungssportlern schaut es ganz anders aus, da darf es im Wettkampf nicht verwendet werden, weil der entzündungshemmende und schmerzlindernde Effekt erst Höchstleistungen ermöglicht. Auch ein kenianischer Marathonläufer hat bei diesen wahnsinnigen Belastungen auf Teerstraßen große Schmerzen. Das lässt sich nicht nur mit einer hohen Schmerzschwelle erklären.

SPORT1: Man kann damit also buchstäblich über den Schmerzpunkt hinaus laufen?

Fritz Sörgel: Triamcinolonpräsenz im Körper lässt einfach den Schmerz vergessen, der Sportler wird regiert von seinen Muskeln und seiner mentalen Stärke. Es läuft eine Maschine Mensch mit Steuerung im Gehirn, wenn der Schmerz nicht ablenkt.

SPORT1: Wie lässt sich die aktuelle Häufung der kenianischen Dopingfälle erklären?

Fritz Sörgel: Die Langstreckenläufer der Kenianer stehen schon seit Jahrzehnten auf der Dopingliste mit Triamcinolonacetat und den vielen anderen Substanzen. Vergessen wir nicht die EPO-Skandale.

SPORT1: Was können Verbände und Politik tun, damit sich der Betrug nicht mehr lohnt?

Fritz Sörgel: Die Zahl der ernst gemeinten Symposien in den letzten Jahrzehnten war hoch, aber solange das Volk die Sieger der Marathons neben sich laufen sehen will, bekommen diese Sportler unanständig hohe Antrittssummen und die Verbände können nur zuschauen. Wie die Politiker auch, die sogar noch Medaillen überreichen.

Sörgel: Triamconolon ist i-Tüpfelchen zur Höchstleistung

SPORT1: Der Kenianer Eliud Kipchoge hat kürzlich im Alter von 38 Jahren den Marathon-Weltrekord auf 2:01:09 Stunden verbessert. Ist sein Fortschritt nur mit den schnelleren Schuhen zu erklären?

Fritz Sörgel: Die unwirklichen Leistungssteigerungen kommen tatsächlich auch durch neue Schuhkonstruktionen zustande, daneben spielen auch die Trainingsmethoden und die Ernährung eine Rolle, Stichwort Ketokörper. Damit kommt man unter die ersten zehn, aber die ersten fünf etwa packen das nur mit Chemie.

SPORT1: Und wie schafft man es, ganz oben zu stehen?

Fritz Sörgel: Das i-Tüpfelchen, das aus einem Fünften einen Ersten macht, ist die Schmerzlosigkeit im Training, wo Triamcinolon erlaubt ist, aber eben nicht im Wettbewerb. Wenn die Sportler das Triamconolon nachweislich als Entzündungshemmer aufgrund einer Verletzung brauchen, dann können ja Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Aber das ist ein sehr manipulationsträchtiges Gebiet.

Eliud Kipchoge verbesserte in Berlin seinen eigenen Marathon-Weltrekord
Eliud Kipchoge verbesserte in Berlin seinen eigenen Marathon-Weltrekord

SPORT1: Die Situation bezüglich Kenia und Doping scheint derzeit völlig aus dem Ruder zu laufen. Marius Kipserem, der zweimal den Rotterdam-Marathon gewann, der zuletzt überführt wurde, ist der 24. Läufer aus Kenia, der 2022 wegen Dopings ausgeschlossen wurde. Wie lässt sich eine solche Häufung erklären?

Fritz Sörgel: Früher hat man den Kenianern die Leistung aufgrund ihres Körperbaus und ihrer kärglichen Umgebung abgenommen, wo sie sich durchgebissen haben. Aber jetzt laufen sie Rekorde, die sie ja früher auch schon hätten laufen können, ihr Körperbau war identisch mit dem heutigen. Also stellt sich die Frage: Was macht den Unterschied? Und man bedenke: Es sind Fabelzeiten, die man nicht nur durch Training und Ernährung, gekoppelt mit körpereigenen Stoffen wie Ketokörpern, erreichen kann. Der heutige Kenianer ist eine durch den modernen Sportzirkus vermarktete Maschine und da läuft alles in ihn rein, was möglich ist. Das ist aber auch teilweise bei Sportlern im Westen so. Nur so sind die Fabelrekorde denkbar.