Der Sport der Gentlemen also.
Das Ende einer brutalen Reise
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"Es wird Beleidigungen geben und Wortgeplänkel", sagte Australiens Cricket-Kapitän Michael Clarke vor dem WM-Halbfinale gegen Indien. Beide Mannschaften mögen sich nicht. Und machen eine Show daraus.
Die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland ist in der entscheidenden Phase, entsprechend heftig geht es zu.
"Sledgehammer"
Das Fachwort dazu: "sledging", also in etwa Marco Materazzi gegen Zinedine Zidane. Australiens David Warner hat hierbei eine der schärfsten Zungen, droht auch mal einem Gegner einen "verdammten gebrochenen Arm" an. Das Boulevardblatt Herald Sun widmete ihm vor dem Halbfinale gegen Indien die erste Sportseite. Titel: "Sledgehammer".
Möglich macht das die Natur des Spiels: Bowler und Batsman treffen als zentrale Spieler immer und immer wieder aufeinander.
Viel Zeit, um den kompletten Stammbaum des Kollegen durchzugehen.
Warner war zusammen mit Pornoschnurrbart-Träger Mitchell Johnson vor etwas mehr als einem Jahr dafür verantwortlich, dass der Engländer Jonathan Trott vorzeitig aus Australien nach Hause flog, nervlich am Ende und von Depressionen geplagt.
Finale vor 100.000 Zuschauer
Jetzt steht Rekordweltmeister Australien im Finale am Sonntag vor 100.000 Fans vor dem insgesamt fünften Titel. Für Neuseeland ist es nach zuvor sechs Halbfinalniederlagen das erste Endspiel. Für beide das Ende einer monatelangen und brutalen Reise.
Längst lugen auch beim Spiel der Aristokraten jede Menge tätowierter Arme unter den Trikots hervor. Südafrikas Dale Steyn sieht in seinem Jubel damit aus, als reiße er jetzt gleich einen Büffel.
Die Rollen sind aus Sicht der neutralen Fans klar verteilt: Im Gegensatz zu den reichen und mächtigen Australiern kommen die Neuseeländer als die Guten daher.
Dank ihres offensiven und attraktiven Spielstils haben sie die Herzen derer erobert, die genug haben von den immer gleichen Gewinnern und dem ewig gockeligen Gehabe der großen Nationen.
Brillen, Glamour und Historie
Daniel Vettori etwa könnte den Ball beiseite legen, direkt vom Spielfeld an die Universität gehen und ein Seminar über Pop-Poeten geben mit seiner Brille und seinen Wuschellocken. Genau, mit Brille spielt der 36-Jährige. Im Cricket ist vieles möglich.
Auch in Sachen Geld: Die besten der Welt sind vielfache Millionäre, vor allem dank des riesigen indischen Marktes. Indiens Posterboy Virat Kohli etwa schwebt zusammen mit seiner Freundin, Bollywood-Schauspielerin Anushka Sharma, über seinen 1,2 Milliarden Landsleuten.
Wirklich reich werden aber nur sehr wenige dank des Sports. Cricket hat in organisierter Form eine über 300-jährige Geschichte, bis heute wird es aber nur in zehn Ländern beziehungsweise Regionen auf höchstem Niveau gespielt. Das verhindert auch der Weltverband ICC und hält das Geld in der kleinen Familie.
Drei Nationen diktieren
Von der WM profitieren darum auch vor allem die ohnehin Reichen. Australien, England und Indien haben im ICC das Sagen und bekommen letztlich das meiste der knapp zwei Milliarden US-Dollar für die Übertragungsrechte.
Unabhängig vom sportlichen Erfolg: Gerade einmal zehn Millionen Dollar verteilt der Verband an Prämien, allein vier davon für den Weltmeister.
Kamerun als schlechteste Mannschaft der letztjährigen Fußball-WM bekam von der FIFA insgesamt 9,5 Millionen Dollar.
Der Markt wächst
13 der 14 Teilnehmer der Cricket-WM sind oder waren einmal Teil des Commonwealths. Ausnahme sind die Vereinigten Arabischen Emirate, auf deren heutigem Gebiet die Briten natürlich auch herrschten.
Die Rechnung geht einfach: Die früheren britischen Kolonien garantieren einen sicheren Markt, der vor allem in Asien noch ständig wächst. Kein Entscheider kommt hier auf die Idee, neue Länder sportlich zu erobern, wie es der Fußball seit über 100 Jahren macht.
Erstens wäre das zu teuer, zweitens müsste man dann den Kuchen durch mehr Bedürftige teilen.
Außerdem trifft man sich umso öfter, je weniger Mannschaften spielen. Und lernt sein Gegenüber dadurch noch effektiver zu beledigen.