Es war 18.26 Uhr, als auf dem Circuit des 24 Heures von Le Mans die Hölle losbrach. Der Franzose Pierre Levegh rast an jenem 11. Juni 1955 auf die Start-Ziel-Gerade zu, mit 250 km/h steuert er seinen Mercedes 300 SLR vorbei an den Zuschauerrängen, da entfacht eine kurze Kette verhängnisvoller Ereignisse ein verheerendes Flammenmeer.
Le Mans: Unglücksrennen jährt sich zum 70. Mal
Erinnerungen an die Feuerhölle
Mike Hawthorn (Jaguar) und Lance Macklin (Austin) lieferten sich ein hartes Duell. Der Austin-Fahrer musste nach einem Hawthorn-Manöver ausweichen und sein Auto wurde danach zur Sprungschanze für Levegh.
84 Tote, 120 Verletzte
Er krachte mit 280 km/h in Macklin und sein Bolide schoss in die Höhe. Blech, Vorderachse, Reifen und Motor lösten sich, flogen wie Geschosse über die Balustrade in die Zuschauer und hinterließen eine Schneise des Todes. Der Tank explodierte, der Motorblock landete in 100 Metern Entfernung. Der Franzose selbst wurde aus dem Auto geschleudert und starb beim Aufprall.
70 Jahre ist es nun her, dass Levegh und 83 Zuschauer bei den düstersten 24 Stunden von Le Mans ihr Leben ließen. 120 weitere Personen erlitten schwere Verletzungen.
Organisatoren mit Tragödie überfordert
Wie durch ein Wunder blieb Juan-Manuel Fangio, der hinter dem Trio fuhr, unverletzt. Im Nachhinein berichtete er, dass ihm Levegh kurz vor dem Aufprall noch ein Warnzeichen gab und dieses dem Spanier wohlmöglich das Leben rettete.
250.000 Zuschauer waren damals an der Strecke, das Fernsehen übertrug erstmals live - und die TV-Zuschauer sahen Bilder unvorstellbaren Grauens. Die Organisatoren überforderte das Unglück völlig. Nur sechs Krankenwagen waren vor Ort. Zerfetzte und verbrannte Körper wurden mit Werbebanden zugedeckt, Verletzte in den Trucks der Rennställe in Krankenhäuser gefahren.
Mercedes zieht sich zurück
Das Rennen wurde einfach fortgeführt, damit, so der damalige Rennleiter Charles Faroux, „abstrebende Massen nicht die Zufahrtswege für die Ambulanzen verstopfen“.
Mercedes nahm die verbliebenen beiden Autos diskret in der Nacht aus dem Rennen und kehrte nach Deutschland zurück, schockiert, traumatisiert. Am Ende der Saison gab es den großen Schnitt, die Stuttgarter zogen sich weitgehend aus dem Motorsport zurück und kehrten erst 1988 zurück. Der Unfall bestärkte Mercedes in der Entscheidung, der Hauptgrund war er aber wohl nicht. Zumindest die Entscheidung zum Rückzug aus der Formel 1 soll schon Monate zuvor gefallen sein.
Lehren aus der Tragödie
Nach der Tragödie begann eine neue Zeitrechnung. Der schlimmste Unfall, den der Motorsport je hat erleiden müssen, führte in den folgenden Jahren zu tiefgreifenden Veränderungen.
Die Sicherheit wurde von kontinuierlich erhöht. „Natürlich hat es ein Davor und ein Danach gegeben. Im Rückblick müssen wir zugeben, dass die Sicherheitsmaßnahmen damals mit der Entwicklung der Boliden nicht Schritt gehalten hat“, sagte Fabrice Bourigault, einer der Verantwortlichen des veranstaltenden Automobilklub des Westens.
Zu den spektakulärsten Änderungen gehörte der 1970 abgeschaffte „Le-Mans-Start“, bei dem die Piloten quer über die Fahrbahn liefen, um ihre Autos zu erreichen. Letztlich war es Jacky Ickx, der 1969 mit einer spektakulären Aktion die Änderung einleitete. Der Belgier wartete, bis alle Autos gestartet waren, ging dann seelenruhig über die Fahrbahn und fuhr in Ruhe los - und gewann.Der Mythos Le Mans lebt weiter. Am kommenden Wochenende (Start am Samstag, 14. Juni) erlebt das wichtigste Langstreckenrennen seine nächste Ausgabe, die hochentwickelten Prototypen gehören weiterhin zu den größten Attraktionen, die der moderne Motorsport zu bieten hat.