Man musste mit dem Schlimmsten rechnen.
Flörsch will in die Formel 1
Als Sophia Flörsch beim Großen Preis der Formel 3 in Macau Mitte November in ihrem Rennauto bei einer Geschwindigkeit von etwa 276 km/h ausgehebelt und in eine Fotografentribüne geschleudert wurde, hielten die Zuschauer den Atem an.
Doch die Nachwuchsrennfahrerin hatte riesiges Glück. Sie erlitt verhältnismäßig leichte Verletzungen. Die Operation der Wirbelsäulenfraktur überstand sie gut.
Gut zweieinhalb Monate nach dem Unfall arbeitet die 18-Jährige an ihrem Comeback. In der kommenden Saison wird Flörsch beim Formula European Masters an den Start gehen.
Beim Made for More Award wurde sie als Pionierin ihrer Sportart ausgezeichnet. SPORT1 hat die Motorsporthoffnung aus München dort zum Interview getroffen. Darin spricht Flörsch über ihr großes Ziel Formel 1, Mick Schumacher und wie sie den schweren Unfall verarbeitet hat.
SPORT1: Frau Flörsch, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Made for More Award als "Pionierin".
Sophia Flörsch: Das ist auf jeden Fall eine Mega-Ehre hier zu sein beim ersten Made for More Award und den in die Hand gedrückt zu bekommen. Ich bin sprachlos.
SPORT1: Fühlen Sie sich auch als Pionierin des Motorsports?
Flörsch: Das ist eine schwierige Frage. Ich finde, andere Leute sollten mich lieber einschätzen. Ich versuche natürlich, mich in der Männerdomäne durchzusetzen. Wenn ich damit andere Leute begeistern kann, bin ich happy.
SPORT1: Wie steht es nach dem schweren Unfall um Ihre Comeback-Pläne?
Flörsch: Der letzte Arztbesuch war vor einer Woche. Dort wurde mir medizinisch bestätigt, dass ich geheilt bin. Der Knochen ist wieder teilweise zusammengewachsen. Das heißt, dass ich wieder alles trainieren kann. Ich darf wieder Auto fahren und das wird in hoffentlich zwei bis drei Wochen wieder der Fall sein.
Flörsch sehnt Comeback herbei
SPORT1: Wann und wo werden Sie zum ersten Mal wieder ins Auto steigen und wie geht es dann weiter?
Flörsch: Am liebsten sofort. Nein, so schnell wie möglich. Das hängt jetzt vom Wetter ab. Wir müssen abwarten, bis es ein bisschen wärmer wird. Es sollte nicht schneien. Aber ich denke, in zwei, drei Wochen ist es so weit.
SPORT1: Haben Sie körperlich noch irgendwelche Probleme?
Flörsch: Nein. Ich bin seit anderthalb Wochen wieder voll im Training zurück. Ich trainiere meinen Nacken wieder. Dort sind viele Muskeln zurückgegangen. Aber so schnell wie die Muskeln sich zurückgebildet haben, werden sie sich hoffentlich auch wiederaufbauen.
SPORT1: Viele sagen, dass der mentale Aspekt viel schwieriger zu bewältigen sei. Machen Sie sich darüber Sorgen?
Flörsch: Überhaupt nicht. Ich denke, dass ich mental super stark bin, wenn nicht sogar stärker geworden bin durch den Unfall. Ich freue mich riesig darauf, bald wieder im Auto zu sitzen. Ich hatte noch nie so eine Vorfreude, weil ich ein paar Entzugserscheinungen habe. Ich kann es kaum erwarten.
"Werde keine Angst haben"
SPORT1: Niki Lauda hat nach seinem schweren Unfall einmal gesagt, dass er so schnell wie möglich wieder ins Auto müsse, um den Teufel, also die Angst, zu vertreiben. Können Sie das nachvollziehen?
Flörsch: Ich kann ihn in seiner Situation verstehen, da sein Unfall und die Verletzungen, die er hatte, noch schlimmer waren. Ich hatte das Glück, dass ich schlimme Verletzungen hatte, aber danach relativ schnell genesen konnte. Und da der Unfall für mich im Auto nicht so schlimm war, habe ich keine wirkliche Angst. Klar kennt man das Risiko, aber das kannte ich davor auch. Das ist mein Leben und deshalb werde ich jetzt keine Angst haben.
SPORT1: Haben Sie sich die Bilder des Unfalls angeschaut?
Flörsch: Den Unfall habe ich zum ersten Mal fünf Tage nach der OP angeschaut. Es war für mich natürlich auch erstmal ein Schock, den ich verarbeiten musste, weil das Video wirklich schlimm ist. Aber ich habe es jetzt schon öfter gesehen. Es ist echt ein krasses Video.
SPORT1: Sie haben vor einiger Zeit gesagt, dass die Formel 1 Ihr Ziel ist. Ist das weiterhin so?
Flörsch: Ja, die Formel 1 ist seit mehreren Jahren mein Traum, mein Ziel. Ich werde das weiter verfolgen. Von der Formel 3 ist es nicht mehr ganz so weit. In drei, vier Jahren bin ich hoffentlich da.
Lewis Hamilton als Vorbild
SPORT1: Wie ist es als Frau im Motorsport? Wird man da anders wahrgenommen?
Flörsch: Ich glaube, man sticht aus der Menge heraus, da man hauptsächlich gegen Männer fährt. Aber nach mehreren Jahren ist man dann bekannt in der Motorsportwelt. Das Medieninteresse ist groß. Sich bei Sponsoren durchzusetzen und ihnen zu beweisen, dass man nicht nur eine Quotenfrau ist, ist manchmal bisschen harte Arbeit. Aber ich habe zum Glück ein paar Sponsoren, die an mich glauben und meinen Weg unterstützen.
SPORT1: Haben Sie konkrete Vorbilder im Motorsport?
Flörsch: Lewis Hamilton ist ein bisschen mein Idol. Ich finde seine Art im Auto cool. Er setzt immer noch einen drauf. Er ist fast immer schneller als sein Teamkollege. Er ist ein cooler Typ.
Flörsch sieht Mick Schumacher als Konkurrenten
SPORT1: Sie sind auch schon gegen Mick Schumacher gefahren. Verfolgen Sie seine Karriere und was trauen Sie ihm zu?
Flörsch: Klar verfolge ich seinen Karriereweg teilweise. Er ist auch ein Konkurrent für mich. Er hat die Formel 3 im letzten Jahr gewonnen. Er ist ein guter Rennfahrer. Er wird dieses Jahr in der Formel 2 fahren. Mal schauen, wie er da so abschneiden wird.
SPORT1: Glauben Sie, dass er das Potenzial hat, in der Formel 1 zu fahren?
Flörsch: Er hat letztes Jahr bewiesen, dass er schnell ist. Aber um in die Formel 1 zu kommen, braucht es ein bisschen mehr. Ob er es dann wirklich schaffen wird, entscheiden andere Leute. Das muss ich zum Glück nicht.