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Formel 1: "Waren alle im Delirium" - Las Vegas liefert viel Glamour, aber noch mehr Chaos

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Formel 1: "Waren alle im Delirium" - Las Vegas liefert viel Glamour, aber noch mehr Chaos

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“Zweifelhaft“: Was F1-Stars an Vegas stört

Eine Stadt im Ausnahmezustand, übermüdete Fahrer und Teammitglieder, verprellte Fans und Sammelklagen. Der neue Las Vegas GP erlebt eine in vielerlei Hinsicht denkwürdige Premiere.
Das Rennen in Las Vegas war spannend, vieles andere ist jedoch noch zu verbessern
Das Rennen in Las Vegas war spannend, vieles andere ist jedoch noch zu verbessern
© IMAGO/Icon Sportswire
Bjarne Lassen
Bjarne Lassen

„The Show must go on“: Nirgends auf der Welt passt dieses Motto besser als in Las Vegas, das bekommt am Wochenende auch die Formel 1 zu spüren. Nach einem Pannenstart in das neue Glamour-Event der Königsklasse, bei dem ein loser Gullydeckel schon am ersten Tag stundenlang alles lahmlegte, liefert zumindest das Rennen am Samstagabend Ortszeit einen spannenden Grand Prix.

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Nach der Zieldurchfahrt macht selbst Sieger Max Verstappen, der nach der aufgeblähten Eröffnungszeremonie zu Beginn des Wochenendes noch angegeben hatte, sich vor lauter Show „wie ein Clown“ zu fühlen, gute Miene zum bösen Spiel. „Viva Las Vegas“, trällert der Niederländer in den Funk - und Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko sagt zu SPORT1 mit Blick auf das Wochenende: „Ende gut, alles gut.“

Doch stimmt das wirklich? Teilweise gibt die Formel 1 in Las Vegas ein verheerendes Bild ab: Mercedes-Sportschef Toto Wolff scheißt Journalisten wegen kritischer Worte gegen die neue Gelddruckmaschine von Liberty Media zusammen. Die Streckensicherheit steht in Frage. Der Zeitplan ist schon im Vorhinein eine Zumutung für Fahrer, Teampersonal und alle im F1-Tross - und wird durch die „Gully-Affäre“ am Freitag dann nochmal viel schlimmer.

Ricciardo kritisch: „Es war definitiv zweifelhaft“

Daniel Ricciardo, einer der wenigen im Fahrerlager, die ihr Herz noch auf der Zunge tragen, stimmt nach dem Rennen deshalb schon nachdenklichere Töne an.

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„Es war definitiv zweifelhaft“, sagt der AlphaTauri-Pilot mit Blick auf die ultraspäten Startzeiten. „Ich weiß nicht, was sie mit den Zeiten machen können, aber wenn es die Option gibt, sollten sie es für jedermanns Gesundheit und Sicherheit nach vorne ziehen. Das wäre besser, was die Temperaturen (für die Reifen; Anm. d. Red.) betrifft. Außerdem hätten dann auch alle bisschen mehr Saft im Tank.“

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Nach der verrückten Nacht-Session am frühen Freitagmorgen, „hatte ich das Gefühl, dass wir alle ein bisschen im Delirium und halluzinatorisch waren“, sagt Ricciardo. Auch Ferrari-Star Charles Leclerc erklärt: „Meiner Meinung nach war das etwas am Limit. Das sollte man für nächstes Jahr ändern.“

Ein Nachtrennen in der Wüste von Nevada: nicht die beste Idee. Im November noch weniger.

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Dabei wollen Leclerc, Ricciardo und Co. dem Event keinesfalls nur schlechte Noten ausstellen: „Ich habe schon von Anfang an gesagt, dass ich es hier genieße. Ich bin sehr froh, dass wir das Wochenende heute mit einem Höhepunkt beenden konnten und dadurch wiedergutmachen, dass wir hier mit dem falschen Fuß aufgestanden sind“, freut sich Leclerc.

Ricciardo wirft ein: „Das Paddock ist mega, es gab auch ein bisschen Atomsphäre. Das war also okay. Die einzigen Sachen, die es zu kritisieren gibt, sind der Asphalt, weil wir hier einfach kaum Grip haben, und natürlich die Startzeiten.“

Formel 1 : Piloten müssen gleich nach Abu Dhabi reisen

Die Ironie an der Sache: Gerade die Kälte und das viele Rutschen der Piloten auf ihren kalten Reifen trugen am Samstag dazu bei, dass das Rennen mit seinen vielen Unabwägbarkeiten doch noch ein Erfolg wurde.

Außer natürlich für Lando Norris, der mit seinen kalten Pneus bereits in der Anfangsphase auf einer Bodenwelle abflog und im Streckenkrankenhaus landete. Passiert ist dem Briten dabei zum Glück nichts - ähnlich wie Ferrari die absurde Strafe für Carlos Sainz nach dem Gully-Vorfall muss auch McLaren diesen Kollateralschaden einfach akzeptieren.

Sowie Fahrer und Teams die Tatsache, dass die irre Jagd nach der Zeit für sie im Anschluss an den Grand Prix mit direkt aufeinanderfolgenden Rennwochenenden und dem Saisonfinale in Abu Dhabi kein Ende nimmt: Bei SPORT1 verrät Ricciardo, dass es für ihn in der Nacht noch mit dem Auto weitergeht nach L.A., viereinhalb Stunden durch die Wüste von Nevada, um seinen Flug in Richtung Emirate zu erwischen.

Auch Sieger Verstappen ist sich sicher: „Ich werde zwar versuchen im Flieger ein bisschen zu schlafen, aber natürlich werde ich völlig verloren sein mit der Zeitverschiebung. Wir waren hier ja quasi auf japanischer Zeit.“

Dabei ist das neue Showrennen in Las Vegas nur ein Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Jahren noch auf die Formel 1 zukommt. Denn den eingeschlagenen Weg werden die US-Vermarkter definitiv beibehalten - zumal man gerade in Las Vegas aufgrund der gigantischen Investitionen in die neue Anlage ohnehin langfristig gebunden ist.

Grand Prix wird auch abseits der Strecke zum Chaos

Die Spielerstadt, die sich durch das neue Mega-Event Einnahmen in Höhe von zwei Milliarden Dollar an nur einem Wochenende verspricht, drückt dafür dann auch alle Augen zu.

Völlig gaga: Obwohl es wegen der zu befürchtenden Störung schon im Vorfeld massive Proteste von Anwohnern gab, brettert die F1 nach dem Gully-Problem am Freitag zwischen 2.30 und 4 Uhr morgens mitten durch die Stadt.

Eigentlich sollten auch die öffentlichen Straßen, auf denen zum Teil gefahren wird, um 4 Uhr spätestens wieder öffnen – für den Formel-1-Wahnsinn verschiebt man das kurzerhand um zwei Stunden nach hinten. Die kommerziellen Interessen stehen in der Stadt des schmutzigen Geldes über allem.

Allein: Heimschicken müssen die Verantwortlichen kurz vor Trainingsbeginn die Fans auf den Tribünen, weil das Streckenpersonal nicht länger zur Verfügung steht und somit die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann.

Übersetzt heißt das: Leute, die für Mondpreise Tickets gekauft haben, harren nach acht Minuten Formel-1-Action und dem Abbruch des ersten Trainings stundenlang bei nächtlicher Kälte auf den Tribünen aus, um anschließend von der Strecke vertrieben zu werden, bevor es endlich weitergeht. Zurück im überteuerten Hotel wird es mit dem Schlafen dann schwierig - schließlich donnert ja draußen noch die Formel 1 vorbei.

Für diese Vorkommnisse haben sich die Veranstalter in den USA selbstredend umgehend eine große Sammelklage eingehandelt.

Da halfen auch Entschädigungsgutscheine nichts, die sich zudem nur an die Besitzer reiner Freitagstickets richten, und mit denen sich die Betroffenen F1-Merchandise im Wert von 200 Dollar kaufen können: Viel bekommt man dafür allerdings nicht, denn die Preise für so ziemlich alles rund um den Grand Prix sind astronomisch.

Formel 1 für Fans kaum zu bezahlen

Selbst die billigsten Sitzplatz-Tickets kosteten weit über 1000 Dollar. Wer das Rennen von den besten Plätzen verfolgen wollte, zahlte gut das Zwanzigfache. Gleiches gilt für die Hotelburgen in der Casino-Stadt, die die Besucher ausnehmen wie eine Weihnachtsgans.

Zur Belohnung gibt es dafür dann das: Unangemeldet steht Sicherheitspersonal im eigentlich abgesperrten Zimmer: Security-Check. „Wissen Sie, wir haben dieses Wochenende ein Rennen in unserer Stadt“, erklärt der Sicherheitsmann unserem F1-Reporter, während er im Land des legalen Waffenbesitzes unter seinem Bett nach Terroristen sucht.

Das Problem an der Sache: Für das F1-Personal steigen diese Dinge dank des völlig verqueren Zeitplans mitten in ihrer ohnehin schon kurzen „Nacht“ am frühen Morgen.

Eine Verzahnung der zuständigen Behörden mit den F1-Verantwortlichen und dem, was der Grand-Prix-Zirkus wirklich brauchen würde, findet dabei genauso wenig statt, wie wenn Polizisten aufgrund schlechter Krisenkommunikation Streckenfotografen vom Kurs verweisen und mit Arrest drohen - so geschehen nach dem immer wieder verschobenen Hängepartie-Training am Freitag.

Zahlreiche Stars besuchen Rennen

Nicht ganz so hell strahlen in diesem Licht die Scheinwerfer über dem roten Teppich, auf dem sich am Samstag vor Rennstart ganz im Stile der Oscarverleihung die Stars und Sternchen anstellen: Von Tom Brady bis Usain Bolt, von Rihanna bis David Beckham - an prominenten Besuchern mangelt es dem Showrennen genauso wenig wie an den Bodyguards der Celebrities, die Fotografen und Journalisten rumschubsen.

Immerhin das kennt die Formel 1 in den USA aber ja schon aus Austin oder Miami.

In Las Vegas hat die Königsklasse nun nochmal eine andere Stufe gezündet und im Vorfeld zweifelsohne einen Hype erschaffen.

Womöglich war die Plastikstadt in der Wüste Nevadas aber auch einfach der perfekte Platz dafür: Wie ein ortsansässiger Taxifahrer unserem Reporter verrät, hat das Zockerparadies während der Corona-Zwangspause viel Geld verloren. Seitdem alles wieder offen ist, wird dafür umso mehr Kasse gemacht, gerne auch mit dem Boom um die großen Sportevents: Im Februar steht in Las Vegas schließlich der nächste Super Bowl an.

Vielleicht kann der ja liefern, was die Formel 1 mit ihrem neuen Showrennen versprochen, am Ende aber nur bedingt gehalten hat ...