Home>Motorsport>Formel 1>

Formel 1: Das tragische Schicksal einer großen Hoffnung

Formel 1>

Formel 1: Das tragische Schicksal einer großen Hoffnung

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Horror-Crash beendete Formel-1-Träume

Karl Wendlinger stand eine große Formel-1-Karriere bevor. Ein Horror-Unfall veränderte sein Leben auf einen Schlag. Im SPORT1-Interview blickt er zurück.
Ayrton Senna war eine Ikone der Formel 1. Der Brasilianer hat vor allem durch seine ganz besondere Persönlichkeit weltweit Spuren hinterlassen. 1994 verlor er durch einen tragischen Unfall sein Leben.
Bianca Garloff
Bianca Garloff
Karl Wendlinger stand eine große Formel-1-Karriere bevor. Ein Horror-Unfall veränderte sein Leben auf einen Schlag. Im SPORT1-Interview blickt er zurück.

Der Österreicher Karl Wendlinger (55) war zusammen mit Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen im legendären Mercedes-Juniorteam und galt als zukünftiger GP-Sieger, als der damals 25-Jährige 1994 beim ersten freien Training in Monaco mit seinem Sauber-Mercedes einen fatalen Unfall hatte.

{ "placeholderType": "MREC" }

Mit schweren Kopfverletzungen wurde er in ein künstliches Koma gelegt. Der Unfall, der sich nur 14 Tage nach dem Tod seines Landsmanns Roland Ratzenberger und des legendären Ayrton Senna in Imola ereignete, beendete seine vielversprechende Formel-1-Karriere.

Michael Schumacher (l.) und Karl Wendlinger fuhren gemeinsam für das Mercedes-Juniorteam
Michael Schumacher (l.) und Karl Wendlinger fuhren gemeinsam für das Mercedes-Juniorteam

Heute arbeitet Wendlinger als Repräsentant und Fahrinstruktor für Mercedes-AMG. In einem offenen Gespräch erinnert er sich an die Ereignisse von damals.

SPORT1: Herr Wendlinger, Ihr Unfall in Monaco jährt sich in diesem Jahr zum 30. Mal. Woran erinnern Sie sich noch?

{ "placeholderType": "MREC" }

Karl Wendlinger: An das Monaco-Wochenende selbst habe ich keine Erinnerungen. Das ist wie ein schwarzes Loch in meinem Gedächtnis. Nur an die Zeit davor und danach, als ich aufgewacht bin.

SPORT1: Haben Sie sich den Unfall später angeschaut?

Wendlinger: Ja, schon in der Klinik, als ich dazu fähig war. Aber ich spürte keine Emotionen – so als wenn ich gar nicht selbst den Unfall gehabt hätte. Was passiert ist, kann ich nur anhand der Daten vermuten. Ich kam mit 277 km/h aus dem Tunnel heraus und bremste etwa sieben Meter später als in meiner schnellsten Runde zuvor in die Hafenschikane. Vermutlich wurde das Auto schon am Anfang des Bremsvorgangs auf einer Bodenwelle ausgehebelt. Denn die Aufprallgeschwindigkeit betrug immer noch 177 km/h. Hätte ich voll bremsen können, wäre nicht so viel passiert. Ich prallte mit dem Kopf seitlich gegen die Kunststoffbehälter, die damals dort als Streckenbegrenzung aufgestellt waren. Was mir ein Freund erst vor kurzem erzählt hat: Ich hätte kurz vor dem Rennen über die Strecke in Monaco gesagt, dass sie eigentlich sicher wäre. Nur in der Schikane nach dem Unfall solltest du keinen Unfall haben. Genau dort hat es mich dann erwischt.

Senna-Tod „hat alle in eine Schockstarre versetzt“

SPORT1: An was können Sie sich sonst noch erinnern?

{ "placeholderType": "MREC" }

Wendlinger: An das Imola-Wochenende zuvor und die Woche danach. Der Tod von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna hat mehr oder weniger alle in eine Schockstarre versetzt. Wir hatten alle nicht gelernt, mit so was umzugehen. Ich dachte aber dennoch nie ans Aufhören. Ich wollte den Sport weiter ausüben, der mir so viel bedeutete. Ich hatte keine richtige Zeit, die Unfälle zu verarbeiten, was vielleicht gut war. Es ist keine Ruhe eingekehrt. Nach Imola fuhr ich zu Testfahrten nach Le Castellet. Dann zur Beerdigung von Roland Ratzenberger. Von dort ging es am Mittwoch nach Monaco. Ich war mit Heinz-Harald Frentzen noch joggen. Danach habe ich einen Filmriss. Ich weiß nur aus Erzählungen, dass es wegen Imola viele Fahrermeetings gab, wo unter anderem entschieden wurde, dass aus Respekt vor Ayrton Senna der erste Startplatz frei bleibt.

SPORT1: Wann setzten die ersten Erinnerungen wieder ein?

Wendlinger: Ich lag 19 Tage im künstlichen Koma in der Klinik in Nizza. Dann ließen mich die Ärzte langsam aufwachen. Aus Erzählungen weiß ich, dass ich die ersten zwei Tage gar nichts gesagt habe. Dann stellte ich mich als Karl Wendlinger, 25, aus Kufstein vor. Einen Tag später erzählte ich den Ärzten, ich bin Karl Wendlinger, 12, aus Kufstein. Das zeigt, dass ich noch nicht ganz bei mir war. Ich weiß auch noch, dass ich meinen Vater erkannte. Meine Mutter aber nicht. Als sie das erste Mal in Nizza bei mir war, fragte ich meinen Vater später, wer die nette Frau war. Als ich dann nach Innsbruck verlegt werden sollte, wollte ich stattdessen nach Barcelona zum nächsten Rennen, für das ich doch schon ein Flugticket gekauft hatte. Das war aber natürlich längst vorbei. Die ersten Erinnerungen habe ich in Innsbruck gehabt. Ich wurde nach drei Wochen dorthin in die Uniklinik verlegt. Ich weiß noch, dass ich eines Morgens aufwachte und feststellte, dass ich mich in einem Krankenhaus befand. Ich wusste aber nicht, warum. Ich hatte Schmerzen im Knie und fragte, ob ich einen Unfall mit dem Fahrrad hatte. Meine Eltern klärten mich daraufhin auf. Ab dem Moment weiß ich dann wieder alles.

SPORT1: Verloren haben Sie aber nicht nur ein Teil Ihres Gedächtnisses, sondern auch Ihre Uhr.

Wendlinger: Genau. Ich trug meine Uhr immer als Talisman beim Fahren. Nach den Rettungsmaßnahmen war sie weg. Der Uhrenhersteller, Hublot, erfuhr davon und hat sie mir dann ersetzt. Das war sehr nett.

SPORT1: Trotz des schweren Unfalls wollten Sie so schnell wie möglich wieder ins Cockpit. Wie lief das Comeback?

Wendlinger: Am Anfang zäh. Ich konnte beim ersten Mal nicht mal in einem Privatauto die Abstände richtig einschätzen, habe auf einem Parkplatz üben müssen. Aber schnell kam alles wieder. Dachte ich zumindest. Ich fuhr am Salzburgring einen Tourenwagen und der Test verlief gut. Dann folgten im September die ersten Testfahrten im Formel-1-Auto. Das war in Le Castellet. Ich war zweieinhalb Sekunden langsamer als mein Teamkollege Heinz-Harald Frentzen. Aber es hat geregnet, deshalb wurden die Tests abgebrochen. Der nächste Test in Barcelona 14 Tage später musste abgebrochen werden, weil ich starke Kopfschmerzen bekam. Erst beim entscheidenden Test im Dezember, wo es darum ging, ob ich ein Cockpit für 1995 bekommen sollte, war ich wieder auf der Höhe. Es gab zwar immer noch Kopfschmerzen, aber der Maßstab war Heinz-Harald. Ich glaube, er fuhr nicht am Limit, deshalb war ich gar nicht mehr so weit weg von ihm. Aber ich war vor allen Dingen schneller als die anderen Bewerber. Deshalb erhielt ich wieder den Zuschlag. Ich dachte, ok, ich bin wieder der Alte.

Formel 1: „Konzentrationsfähigkeit ging gegen null“

SPORT1: Dem war aber nicht so.

Wendlinger: Nein, bei den Tests Anfang Februar in Barcelona konnte ich mich einfach nicht mehr konzentrieren. Körperlich war ich zwar total fit, aber das Mentale kannst du nach so einem schweren Unfall nicht trainieren. In den zwei Wintermonaten musste irgendwas in meinem Kopf passiert sein, was ich mir nicht erklären konnte. Meine Konzentrationsfähigkeit ging gegen null. Die Ärzte erklärten mir, ich könnte zwar ein normales Leben führen, aber die Kopfverletzungen waren wahrscheinlich zu stark, um die Belastungen der Formel 1 standzuhalten. Ich fuhr vier Rennen und merkte, dass ich zu langsam war. Das musste ich mir dann eingestehen. Erst 1997, als ich Tourenwagenrennen fuhr, hatte ich wieder das Gefühl, dass ich die normalen automatisierten Abläufe hatte, die man als Rennfahrer braucht. Für die Formel 1 aber war das zu spät.

Schumacher? „Gehört zu den größten Fahrern aller Zeiten“

SPORT1: Wie haben Sie die Erfolge Ihrer Juniorkollegen Heinz-Harald Frentzen und besonders Michael Schumacher verfolgt? Mit Bedauern, weil Sie ja selbst bis zum Unfall auf ähnlichem Weg waren?

Wendlinger: Nein, überhaupt nicht. Kein Neid, gar nichts. Ich habe mein Schicksal akzeptiert. Wenn man zusammen in einem Juniorteam fährt, verbindet das ja auch. Dann gönnt man seinen Weggenossen die Erfolge. Besonders dann, wenn man weiß, welches Potenzial vorhanden war. Was Michael betrifft: Er war neben all seinem Talent noch dazu fähig, ein Team zu motivieren und sich bei jeder Aufgabe zu steigern. Er gehört mit Recht zu den größten Fahrern aller Zeiten. Er dominierte eine Ära - so wie es Senna tat und heute Max Verstappen. Was alle drei gemein haben: Alle drei haben auch Rennen gewinnen können, wenn das Auto nicht das beste war.

SPORT1: Wenn Sie am Wochenende das Rennen in Monaco anschauen, müssen Sie besonders in der Hafenschikane an Ihren Unfall denken?

Wendlinger: Nein, nicht bewusst. Bei mir ist Monaco positiv besetzt. Ich hatte 1993 dort ein gutes Auto, konnte richtig am Limit durch den Leitplankenkanal fahren. Das war etwas Besonderes und macht für mich immer noch die Faszination von Monte-Carlo aus.