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NASCAR: Wendell Scott, die vergessene Karriere eines Pioniers

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NASCAR: Wendell Scott, die vergessene Karriere eines Pioniers

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Der Mann mit Pistole unterm Sitz

Wendell Scott, der erste schwarze Rennfahrer der NASCAR-Serie, hatte immer eine geladene Waffe unter seinem Sitz. Grund dafür waren rassistische Anfeindungen.
Wendell Scott starb 1990 im Alter von 69 Jahren
Wendell Scott starb 1990 im Alter von 69 Jahren
© Imago
von Jan Marten

Wendell Scott war der erste Afro-Amerikaner der in der amerikanischen Rennserie NASCAR startete und ein Rennen gewinnen konnte – und für lange Zeit der einzige. Scotts Leben ist geprägt von Rassismus und dem unbedingten Willen seinen Traum zu verwirklichen.

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NASCAR ist ein Ur-Amerikanisches Spektakel, vor allem in den Südstaaten findet die Rennserie regen Zulauf, wo Rassismus immer noch an der Tagesordnung ist. NASCAR ist sich dessen bewusst. Zuletzt wurde deswegen die umstrittene Konföderierten-Flagge bei den Rennen verboten. 

Erst kürzlich wurde bei dem einzigen schwarzen Fahrer der Motorsportserie, Bubba Wallace, ein aufgehängter Strick in der Box gefunden. Ob dieser Strick nun wirklich platziert wurde oder nicht, ist für die Geschichte von Wendell Scott nicht von Belang.

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Geladene Waffe unter dem Sitz

Denn der Motorsport-Pionier musste in seinem Sport im wahrsten Sinne des Wortes um sein Leben kämpfen. Unglaublich aber wahr: Er hatte im Rennwagen immer eine geladene Pistole unter seinem Sitz. Einmal muss er sie sogar mitten in einem Rennen ziehen, der Kontrahent drohte ihm daraufhin nie wieder, ihn von der Strecke zu schießen.

"Es ist schon eine seltsame Dynamik. Wenn der einzige Weg ist, jemanden davon abzuhalten, dein Leben zu gefährden, ist, ihm Angst um sein eigenes Leben zu machen. Aber so war es. Wie sie meinen Großvater behandelt haben, war krass", sagt Enkel Warrick Scott. 

Ein Haken für Scott - Seine Hautfarbe

Alles begann 1921 in der amerikanischen Kleinstadt Danville. Dort wird Wendell Scott geboren. In dieser trostlosen Stadt gibt es nicht viel, was die Menschen begeistert. Die Wirtschaft ist geprägt von Baumwollspinnereien und Tabakverarbeitungsbetrieben und die Bevölkerung besitzt nicht sonderlich viel Kaufkraft.

Eigentlich hat Wendell Scott alles was es braucht, um als amerikanischer Held in der NASCAR-Serie gefeiert zu werden. Er wächst in einfachen Verhältnissen auf, bricht die Schule ab, wird als Taxifahrer sein eigener Boss und verkauft nebenher noch illegal gebrannten Schnaps. Mit seinem selbst zusammengebastelten Auto hält er die Polizei auf Abstand. Doch es gibt einen Haken, warum Scott nicht zum NASCAR-Helden avanciert – seine Hautfarbe. Durch die Rassentrennung war der Sport der Weißen keine Option.

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Aller Anfang ist schwer

Erst in den 1940er-Jahren kam er im Alter von 30 Jahren mit dem Motorsport in Kontakt. Zufällig beobachtete er die Rennen am örtlichen Dixie Circuit. Doch die Rennserie fand wenig Anklang in der Stadt: "Wir waren eine Tabak- und Textilstadt - die Leute hatten kein Geld, das sie ausgeben konnten", sagte Aubrey Ferrell, einer der Organisatoren, später.

Also probierten die Veranstalter etwas Ungewöhnliches – sie engagierten einen schwarzen Fahrer. Ab 1952 fuhr Scott nun bis zu fünf Mal die Woche in ganz Virginia.

DAYTONA BEACH, FLORIDA - FEBRUARY 17:  Track workers attend to Ryan Newman, driver of the #6 Koch Industries Ford, following a crash during the NASCAR Cup Series 62nd Annual Daytona 500 at Daytona International Speedway on February 17, 2020 in Daytona Beach, Florida. (Photo by Mike Ehrmann/Getty Images)
DAYTONA BEACH, FLORIDA - FEBRUARY 17: Denny Hamlin, driver of the #11 FedEx Express Toyota, wins over Ryan Blaney, driver of the #12 Menards/Peak Ford, as Ryan Newman, driver of the #6 Koch Industries Ford, crashes and flips behind them during the NASCAR Cup Series 62nd Annual Daytona 500 at Daytona International Speedway on February 17, 2020 in Daytona Beach, Florida. (Photo by Mike Ehrmann/Getty Images)
DAYTONA BEACH, FLORIDA - FEBRUARY 17:  Ryan Newman, driver of the #6 Koch Industries Ford, crashes and flips during the NASCAR Cup Series 62nd Annual Daytona 500 at Daytona International Speedway on February 17, 2020 in Daytona Beach, Florida. (Photo by Mike Ehrmann/Getty Images)
DAYTONA BEACH, FLORIDA - FEBRUARY 17: Denny Hamlin, driver of the #11 FedEx Express Toyota, wins over Ryan Blaney, driver of the #12 Menards/Peak Ford, as Ryan Newman, driver of the #6 Koch Industries Ford, crashes and flips behind them during the NASCAR Cup Series 62nd Annual Daytona 500 at Daytona International Speedway on February 17, 2020 in Daytona Beach, Florida. (Photo by Mike Ehrmann/Getty Images)
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Doch das große Geld blieb aus. Scott hatte mit vielen Anfeindungen der Fans und andere Fahrer zu kämpfen. Darüberhinaus waren die Rennen reine Amateurveranstaltungen, Scott musste immer noch nebenher illegal Schnaps befördern.

Es war also an der Zeit für den nächsten Schritt. Eine größere Bühne, mit mehr Geld, mehr Sponsoren, mehr Zuschauern - NASCAR.

NASCAR als nächster Schritt

Vergeblich stellte Scott sich bei Dutzenden von Renn-Promotern der NASCAR-Serie vor. Nach etlichen Anfragen war er bei Maurice Poston erfolgreich. "Ich habe ihm gesagt, die hatten bis jetzt nie einen schwarzen Fahrer, die machen dich fertig", erzählt Poston in einer Doku-Serie. "Damit kann ich umgehen", soll Scott nur geantwortet haben.

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Doch damit war noch nichts geschafft. Ohne Sponsoren und andere Unterstützer musste Scott sein Haus beleihen und 2.000 Dollar in ein neues Auto investieren. Geld war immer knapp. Bis zum Ende seiner Karriere musste er sieben Kredite auf sein Haus aufnehmen.

Doch die Investition zahlte sich aus. In seiner ersten Saison übertrumpft er alle anderen Debütanten und ist der erste Anwärter auf den Rookie-of-the-Year-Award. Dieser würde auch die erhoffte finanzielle Entlastung bringen. Doch die Trophäe und die Geldprämie werden einem schlechter platzierten Fahrer übergeben.

Erster Sieg in Jacksonville

Der nächste Hammer wartet im Jahr 1963. Scott gewinnt als erster Afro-Amerikaner in Jacksonville ein NASCAR-Rennen. Eine Sensation. Doch die Trophäe wird einem anderen Fahrer überreicht. Später erklären die Verantwortlichen, dass es sich um einen Rechenfehler gehandelt hatte. Eine Kopie des Pokals wurde ihm im Nachhinein unter Ausschluss der Öffentlichkeit übergeben.

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Warrick Scott erklärte, dass die Veranstalter besorgt waren, wie die Zuschauer reagieren würden, wenn Scott mit der weißen Schönheitskönigin auf dem Podest stehen würde. Deswegen wurde die Trophäe in der Öffentlichkeit einfach einem weißen Fahrer übergeben. Doch das waren noch die harmloseren Vorfälle.

Eine Karriere voller Rassismus

Bei einem Rennen wurden Scotts Reifen aufgeschlitzt, bevor er in die Startaufstellung fuhr. Einmal wurde ein Feuerlöscher auf seinen Sohn Wendell Jr. geworfen. Er erhielt Morddrohungen. In Birmingham, Alabama, wurde ihm diskret geraten, schnell zu fliehen, da ein gewalttätiger Mob eintreffen sollte. Die Streckenbetreiber in Darlington, South Carolina, weigerten sich jedes Jahr, ihn antreten zu lassen.

Doch all diese Vorfälle hielten ihn nie zurück, er kämpfte immer weiter für seinen Platz in der Rennserie. Eine der größten Hürden waren für Scott aber die fehlenden Sponsoren.

Während andere Fahrer dank ihrer Laufbahn reich wurden, blieb Scott jeder Sponsorenvertrag verwehrt, obwohl er mittlerweile durch sein unermüdliches Auftreten eine große Fanbase hinter sich aufgebaut hatte. Für Warrick Scott war das ein abgekartetes Spiel: "Die haben hinter verschlossenen Türen beschlossen, ihn nicht zu sponsern, weil sie nicht wollten, dass ein Schwarzer ihr Unternehmen repräsentiert."

Mechaniker statt Ruhestand

Doch auch nach einem schweren Unfall fuhr Scott weiter bis 53. Statt wie alle seine Fahrer-Kollegen nun den Ruhestand zu genießen, musste Wendell Scott wieder zu seinem alten Beruf zurückkehren. Bis er im Jahre 1990 mit 69 Jahren starb, arbeitete er weiter als Automechaniker.

Der Enkel gründet 2010 die Wendell Scott Foundation und bewegt NASCAR 2015 ihn in die "Nascar-Hall-of-Fame" aufzunehmen. Erst 40 Jahre, nachdem Scott seine Karriere beendet hat, schafft es mit Bubba Wallace 2013 der zweite Afro-Amerikaner, einen NASCAR-Sieg einzufahren. Seit Beginn der Rennserie haben überhaupt erst fünf schwarze Fahrer an Rennen teilgenommen.

Die unglaubliche Geschichte von Wendell Scott steht bezeichnend für die aktuelle Rassismus-Debatte in den Vereinigten Staaten.