DSV-Sportdirektor Horst Hüttel hat nach den zahlreichen Stürzen auf der umgebauten Olympiaschanze in Predazzo Maßnahmen sowohl an der Anlage als auch bei den Anzügen gefordert.
Skispringen: Sturz-Drama erfordert Maßnahmen an Olympiaschanze
FIS nach Sturz-Drama gefordert
Die Anlage in Italien sei „nicht gut gelungen“, sagte der 57-Jährige dem Nachrichtenportal t-online und gab zu bedenken: „Es gilt aus meiner Sicht, die Schanzenbau-Richtlinien zu hinterfragen.“
Die frühere Weltmeisterin Alexandria Loutitt (Kanada), die WM-Zweite Eva Pinkelnig (Österreich) und die japanische Kombiniererin Haruka Kasai hatten im Rahmen des Sommer-Grand-Prix jeweils einen Kreuzbandriss erlitten. Pinkelnig und Kasai stürzten auf der Normalschanze, die im Zentrum der Kritik steht, Loutitt kam auf der Großschanze zu Fall.
„Das ist enorm tragisch für die Athletinnen und den Skisprungsport. Alle Verantwortlichen, in erster Linie die FIS, sind gefordert, das ganze Thema intensiv zu beleuchten“, forderte Hüttel.
Veränderungen an der Normalschanze könnten die Sicherheit erhöhen, der Spielraum sei jedoch gering. „Es gibt die Möglichkeit, dass man den Schanzentisch um circa 0,5 Grad flacher gestaltet, was eventuell dazu führen könnte, dass sich die Flugbahn entschärft“, sagte der DSV-Sportdirektor.
Kritik aus dem Springerinnen-Lager: „Sehr schwer zu landen“
Auch bei den Athletinnen sorgte die Anlage nicht unbedingt für Begeisterung. „Die Wettbewerbe überlebt, die Anlagen getestet“, schrieb Katharina Schmid auf Instagram mit einer Portion Galgenhumor, wenngleich sie immerhin „für die Aussicht“ jederzeit wiederkommen würde.
„Die Schanzen sind sehr schwer zu landen. Und die engen Anzüge dazu machen es nicht wirklich einfach. Da muss der Sprung richtig stimmen, um gut zur Landung hinzukommen“, führte die WM-Zweite Selina Freitag zudem bei Eurosport aus.
Hüttel plädiert außerdem dafür, das Anzugvolumen bei den Frauen zu vergrößern oder auch die Schrittlänge für eine höhere Sicherheit anzupassen. „Es wäre komplett falsch, jetzt nicht zu handeln. Es ist von der Seite unglücklich und ungut, aber ich persönlich denke, dass man daran nicht vorbeikommt“, so Hüttel. Derzeit findet die Herbstsitzung des Weltverbandes FIS statt, dabei werden auch die Regularien besprochen.
Pertile kündigt Veränderungen an: „Haben die Probleme gesehen“
Zu Maßnahmen wird es dabei mit ziemlicher Sicherheit kommen. „Wir haben die Probleme gesehen, besonders auf der Normalschanze. Sofort nach der Veranstaltung werden wir mit den Organisatoren reden. Wir können einige Änderungen auf der Normalschanze erwarten“, machte FIS-Renndirektor Sandro Pertile im Gespräch mit Eurosport deutlich.
Sollten Änderungen vorgenommen werden, müsste dies relativ zeitnah geschehen. Pertile versprach schließlich, dass die Athletinnen und Athleten die Anlage dann nochmals vor den Olympischen Spielen testen dürfen.
Auf der Großschanze dürfte hingegen alles beim Alten bleiben. „Die Großschanze sieht gut aus. Das Feedback von den Athleten ist, dass die Flugkurve viel besser als auf der alten Schanze ist“, erklärte er. Freitag gab jedoch zu bedenken, dass die Anlaufgeschwindigkeit zu hoch sei. „Wir fahren fast wie auf der Flugschanze mit 100 km/h an“, erklärte sie.
Größere Anzüge für die Skispringerinnen?
Abhilfe könnten hier größere Anzüge verschaffen, die mehr Auftrieb besitzen und keine ganz so hohe Geschwindigkeit im Anlauf voraussetzen. Dieser Thematik möchte sich auch Pertile stellen.
„Wir kamen aus der Situation von Trondheim und mussten etwas machen. Wir haben auch gesehen, dass die Entwicklung vielleicht zu schnell war“, räumte Pertile ein. Nach dem von Team Norwegen ausgelösten Skandal wollte die FIS eigentlich zu etwas engeren Anzügen übergehen.
Martin Schmitt erteilte im Podcast „Flugshow“ der FIS den Ratschlag, den Toleranzbereich zwischen Körper und Anzug von vier auf sechs Zentimeter zu erhöhen.
Schmitt erwägt drastische Maßnahme: Ist der Telemark noch zeitgemäß?
Der viermalige Weltmeister sieht in der Gestaltung der Schanze in Predazzo ebenfalls kritisch und denkt über drastische Maßnahmen nach. Es gebe „ein erhöhtes Risiko, weil ich einen höheren Landedruck habe, eine höhere Flugkurve auf beiden Schanzen“, sagte der 47-Jährige. Zudem hätten Frauen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für Kreuzbandverletzungen: „Dazu gibt es Studien, auch in anderen Sportarten.“
Schmitt stellte dabei auch die Frage, ob die geforderte Telemarklandung mit versetzten Füßen noch zeitgemäß sei. „Das ist eine sehr unnatürliche und ungünstige Haltung, um einen Landedruck abzufedern. Gepaart mit dem verwendeten Material wird man in eine Position gezwungen, die Kreuzbandverletzungen provoziert“, sagte Schmitt: „Ich würde einfach mal ein bisschen provokant die Frage in den Raum werfen: Was wiegt höher? Tradition oder Gesundheit der Athleten?“
Die FIS nimmt aus der Olympia-Generalprobe definitiv einige Hausaufgaben mit nach Hause.
-----
Mit Sport-Informations-Dienst (SID)