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Tour de France: Vingegaard siegt, aber Schatten auf Gelb-Sieger - Doping bei Riis noch immer Thema

Der Schatten auf dem Tour-Sieger

Die Radsport-Gemeinde feiert Jonas Vingegaard. Doch der neue Tour-de-France-Dominator sieht sich mit der Vergangenheit seiner dänischen Landsleute konfrontiert.
Am Freitag, 1. Juli wird erstmals in Kopenhagen das große Spektakel die Tour de France mit 21 Etappen eröffnet. In diesem Jahr werden 176 Fahrer der 22 Teams an den Start gehen.
Die Radsport-Gemeinde feiert Jonas Vingegaard. Doch der neue Tour-de-France-Dominator sieht sich mit der Vergangenheit seiner dänischen Landsleute konfrontiert.

Natürlich strahlte er bis über weite Ohren, riss sein Rad in die Höhe, als klar war, dass der Traum vom Triumph nun Realität geworden war.

Und so wurde Jonas Vingegaard plötzlich ganz ernst.

Der ausgezehrte Gewinner der Tour de France hatte höflich im Gelben Trikot über seine Gefühle nach dem größten Erfolg seiner Karriere berichtet, dann kam die unausweichliche Frage nach dem Doping auf.

Vingegaard antwortete mit Nachdruck - und gab so auch ein Versprechen an die Tausenden Fans in seiner dänischen Heimat.

Noch immer Erinnerung an Landsmann Riis

Nein, späte Offenbarungen und Skandale wie bei seinem Landsmann Bjarne Riis, dem ersten Dänen in Gelb auf den Champs-Elysee, das versicherte der 25-Jährige, seien nicht zu befürchten. (Alle Etappen der Tour de France 2021)

„Wir sind alle absolut sauber. Ich kann das für jeden von uns sagen. Ich sage Ihnen das direkt und ohne ein Zögern“, sagte Vingegaard vor der versammelten Weltpresse über sich und sein Team Jumbo-Visma.

Um dann nachzulegen: „Niemand von uns nimmt etwas Verbotenes.“ Was sein Rennstall demnach besser mache, kam als Nachfrage.

„Wir sind aufgrund unserer Vorbereitung so gut. Wir haben Höhentrainingslager weiterentwickelt. Wir schauen auf das Material, die Ernährung, das Training. Das Team gehört in diesen Punkten zu den besten. Deshalb muss man uns glauben“, so Vingegaard.

Das Problem in und mit seiner Heimat gestaltet sich jedoch folgendermaßen: Der dänische Radsport leidet noch immer unter Riis‘ Taten. Zahlreiche starke Fahrer hatte das Land in der Doping-Ära der 1990er Jahre hervorgebracht. Rolf Sörensen, Jesper Skibby, Bo Hamburger - sie alle gehörten zur Weltspitze.

An Riis reichte keiner von ihnen heran. 1996, als Telekom-Kapitän, gewann er auch mit der Hilfe von Jan Ullrich die Tour de France. Allein: Er war randvoll gedopt, wie er später öffentlich beichtete. Wegen seines zeitweise extrem hohen Hämatokritwerts hatte er den Beinamen „Monsieur 60 Prozent“. 1997 verlor Riis die Tour an Ullrich. Drei Jahre später folgte das Karriereende. (BERICHT: Unverhofftes Geschenk für Geschke)

Dänen feiern Tour-Champion Vingegaard

Als in Kopenhagen Anfang Juli Hunderttausende den Grand Depart feierten und ihren neuen Hoffnungsträger Vingegaard bei der Teampräsentation im sonnendurchfluteten Tivoli zu Tränen rührten, durfte der bis dato einzige dänische Gesamtsieger nicht mitfeiern.

Während zu diesem Zeitpunkt Vingegaards Bekanntheitsgrad weltweit überschaubar war, besaß er in seiner Heimat bereits einen großen Namen. (Alle wichtigen Begriffe der Tour de France)

Das jedoch lag nicht nur an seinen Radfahrkünsten und seinem überraschenden zweiten Platz bei der Frankreich-Rundfahrt 2021, sondern auch an seiner Schwiegermutter, die durch ihre Teilnahme an einer Back-Show im Fernsehen nationale Berühmtheit erlangte und auch in Dänemarks Version von „Dancing with the Stars“ auftrat.

Die Entwicklung war für Vingegaard, der aus einem Fischerdorf mit nur 370 Einwohnern kommt, nicht abzusehen. Als Kind spielte er Handball und Fußball und war ein begeisterter Liverpool-Fan. Er wandte sich erst dem Radsport zu, nachdem er die Dänemark-Rundfahrt in der Nähe seines Eltern-Hauses gesehen hatte. (NEWS: Alles zum Radsport)

Vingegaard mit irrer Entwicklung

Wie schon im vergangenen Jahr rückte der Youngster auch bei dieser Tour frühzeitig in die vorderste Front bei Jumbo-Visma, nachdem Primoz Roglic, der eigentliche Herausforderer von Titelverteidiger Tadej Pogacar, erneut nicht mithalten konnte.

Vingegaard hatte in der Folge in den Alpen bei der Bergankunft am Col du Granon von einem ungewohnten Einbruch Pogacars profitiert, dem Slowenen 2:51 Minuten abgenommen und dadurch das Maillot jaune entrissen.

Auf den folgenden Etappen parierte Vingegaard alle Attacken des einstigen Dominators und sorgte dann beim letzten Pyrenäen-Showdown für die Vorentscheidung.

Die Kür folgte am Samstag mit Platz zwei beim Einzelzeitfahren, ehe es auf der finalen Etappe nur noch ein Schaulaufen war. (SERVICE: der Radsport-Kalender)

„Es ist toll, Teil dieser Reise zu sein. Ich bin stolz auf das ganze Team“, sagte Vingegaard.

Heißes Duell mit dem entthronten Pogacar

Zurücklehnen darf er sich nicht. Er weiß, dass Pogacar, der in den letzten beiden Jahren als fast unschlagbar galt, diesen Tourverlauf nicht auf sich sitzen lassen wird.

„Er ist ein großartiger Typ und einer der besten Fahrer in der Welt. Mit Sicherheit wird er mehr wollen“, sagte Vingegaard. Aber: „Ich will auch mehr. Natürlich habe ich noch Hunger.“

Was im Übrigen auch für Pogacar gilt, der sich beim finalen Akt auf den Champs-Élysées bei der Schlussrunde schon wieder angriffslustig zeigte und dem Feld zusammen mit Filippo Ganna erst einmal ein paar Meter davonsprintete.

„Es wird mich hungriger machen, mehr zu gewinnen. Ich mag Herausforderungen im Leben. Ich bin jetzt schon sehr motiviert für die nächste Tour und will besser werden“, sagte der 23-Jährige.

Hungrig hin oder her - der Radsport-Gemeinde wäre sauber am wichtigsten.

Auch wenn Vingegaards belgischer Teamkollege Wout van Aert, Gewinner des Grünen Trikots, zum entsprechenden Doping-Thema patzte: „Das ist solch eine Scheißfrage. Sie kommt jedes Mal, wenn jemand die Tour gewinnt. Weil wir so gut sind, müssen wir uns rechtfertigen? Ich verstehe das nicht.“

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)

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