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Tour de France: Der Sport verliert einen unbequemen Typen

Der Sport verliert einen Unbequemen

Thibaut Pinot liefert bei der Tour de France einen umjubelten Abschiedsritt. Der Radsport verliert in dem Franzosen auch einen kritischen Kopf, der sich lautstark gegen Doping und andere Auswüchse stellte.
Eine Zuschauermenge außer Rand und Band, Bengalos  - und mittendrin ein feiernder Radprofi! Der Franzose Benoit Cosnefroy springt während der Tour-de-France-Etappe am Samstag vom Rad und sorgt für verrückte Party-Bilder
Thibaut Pinot liefert bei der Tour de France einen umjubelten Abschiedsritt. Der Radsport verliert in dem Franzosen auch einen kritischen Kopf, der sich lautstark gegen Doping und andere Auswüchse stellte.

Nach seinem emotionalen Abschiedsritt durch die Heimatregion konnte Thibaut Pinot seine Tränen nicht zurückhalten.

„Ich habe es genossen, es war einfach nur schön“, sagte der 33-Jährige nach dem vorletzten Teilstück der Tour de France am Samstag. Zum erhofften Tagessieg reichte es in diesem Jahr nicht, Pinot hat sich dennoch bravourös von der Frankreich-Rundfahrt verabschiedet.

„Ein Teil meiner Geschichte geht heute zu Ende“, führte Pinot aus. Das Herz sei ihm ein „bisschen schwer, weil ich hier zu Hause bin. Ich habe versucht, meine Familie zu finden, ich wusste, dass sie da waren. Ich habe Blicke getroffen, die ich kannte.“ Auch Marc Madiot, Pinots Teamchef bei Groupama-FDJ, vergoss Tränen.

Pinot wurde gut 65 km vom Tagesziel der 20. Etappe in Le Markstein entfernt geboren. Die Tour und Radsport-Szene verliert in ihm einen unvollendeten Publikumsliebling - und auch einen kritischen Kopf.

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Pinot galt einst als Hoffnung auf Tour-Sieg

Der angriffslustige Kletterer erfreut sich in Frankreich größter Beliebtheit und galt lange als Hoffnungsträger für den ersten französischen Tour-Sieg seit der Ära von Bernard Hinault und Laurent Fignon in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren.

2014 belegte er Rang drei im Gesamtklassement, 2019 wurde er endgültig zum tragischen Helden, als er in aussichtsreicher Position verletzungsbedingt und tränenreich das Rennen aufgeben musste. Im Jahr danach erhob Tadej Pogacar sein Haupt.

Pinot gewann in seiner Karriere drei Tour-Etappen sowie auch Teilstücke beim Giro und der Vuelta und mehrere Klassiker.

Abseits der Strecke hat Pinot auch zum Thema Doping und anderen heiklen Diskussionsfragen immer wieder lautstark Position bezogen, nicht immer zur Freude von Kollegen.

Immer wieder scharfe Worte zum Thema Doping

„Nach vielen zweiten und dritten Plätzen wusste ich sehr gut oder hatte einen sehr starken Verdacht, dass der Sieg eigentlich mir gehört“, sagte Pinot in diesem Jahr L‘Equipe. Das Doping-Problem des Radsports habe ihn oft „frustriert“ und sei ein Thema, das man in der Sportart nicht ausklammern könne: „Wenn man sich auf eine Karriere als Radprofi einlässt, dann ...“

Als 2019 Pinots österreichischer Teamkollege Georg Preidler im Zuge der „Operation Aderlass“ Doping gestand, sprach Pinot von „Hochverrat“ und nannte Preidler, zu dem er vorher ein freundschaftliches Verhältnis hatte, einen „Idioten“, der „sich sein Leben versaut hat“.

Pinot ist auch ein erklärter Kritiker der legalen, aber umstrittenen Ketonpräparate, auf die unter anderem das derzeit alles dominierende Team Jumbo-Visma um den designierten Tour-Sieger Jonas Vingegaard setzen - wenngleich Jumbo-Visma-Boss Richard Plugge jüngst erklärte, dass Vingegaard diese ablehne. Auch in der jüngsten Diskussion um die Fabelleistung von Vingegaard im Zeitfahren setzte er einen auffälligen Seitenhieb, als er sie vielsagend „schon sehr schnell“ nannte.

Im Gegenzug attackierte Plugge Pinots Team Groupama-FDJ, attestierte den Fahrern Einstellungsmängel und behauptete, einen Teil von ihnen am Abend vor dem Zeitfahren beim Biertrinken beobachtet zu haben - was wiederum eine scharfe Reaktion Madiots provozierte.

Mit Madiot - in Frankreich wegen seiner emotionalen Art ebenfalls eine Kultfigur - verbindet Pinot ein väterliches Verhältnis. In der Netflix-Doku „Im Hauptfeld“ umschreibt Madiot den Schützling wiefolgt: „Thibaut Pinot ist ein Romantiker, der in der modernen Welt verloren ist.“

Auch Rafael Nadal erntete Kritik von Pinot

Im vergangenen Jahr schrieb Pinot außerdem auch Schlagzeilen, als er Tennis-Star Rafael Nadal nach dessen French-Open-Sieg 2022 kritisierte (“Die Helden von heute“), nachdem der unter massivem Einsatz von Schmerzmitteln für das Turnier fitgespritzt wurde.

Nadals offenes Bekenntnis erntete Kritik mehrerer Rad-Stars - in ihrer Sportart würde das als Doping gelten. Pinot sprach von bedenklichen Praktiken, die eine kritischere Betrachtung verdienen würden.

Bei der abschließenden Triumphfahrt am Sonntag nach Paris, wo er zum sechsten Mal das Ende der Rundfahrt erleben wird, wird Pinot mit der Entscheidung aller Voraussicht nach nichts zu tun haben.

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Mit Sportinformationsdienst (SID)