Die Bilder, die die 112. Tour de France bisher in den für das Gesamtklassement entscheidenden Passagen lieferte, wiederholten sich immer wieder: Tadej Pogacar attackiert, Jonas Vingegaard versucht, ihm zu folgen. So auch am Montag auf der zehnten Etappe hinauf zum Puy de Sancy. Der Däne schaffte es, das Hinterrad seines Dauerrivalen zu halten. Zeitgleich überquerten die beiden Top-Favoriten die Ziellinie.
Tour de France: Rad-Legende kritisiert Vingegaard
Tour-Legende kritisiert Vingegaard
Dass Pogacar und Vingegaard sich danach abklatschten und der Däne vom Team Visma – Lease a Bike vor den Kameras behauptete, er sei wahnsinnig gut gefahren, brachte seinen Landsmann Bjarne Riis jedoch mächtig auf die Palme. „Er kann nicht einfach sagen, dass es ihm so gut geht, und dann nicht selbst angreifen. Wenn Sie mich fragen, ist das ein Fehler“, schrieb er in seiner B.T.-Kolumne.
„Es hört sich seltsam für mich an, weil er nicht einmal versucht hat, Tadej Pogacar anzugreifen“, führte Riis weiter aus. Dabei sei Vingegaard „derjenige, der Zeit gutmachen“ müsse. Im Gesamtklassement liegt der 28-Jährige derzeit 1:17 Minuten hinter Pogacar auf Platz vier. Auf Ben Healy, den Träger des Gelben Trikots, beträgt sein Rückstand 1:46 Minuten. Doch nicht nur an Vingegaards defensiver Fahrweise störte sich Riis.
Am Ende passiert „kein einziger Furz”
Auch die Tatsache, dass sich Vingegaard und seine Teamkollegen auf den bisherigen Etappen immer wieder im Wind gezeigt haben, um das Rennen schneller werden zu lassen, kann Riis nicht nachvollziehen. „Ich finde auch, dass es hohl klingt, wenn man wie Visma ankündigt, dass es verrückt und spektakulär wird, und am Ende kein einziger Furz passiert“, so der Tour-Sieger von 1996.
Zumal das Ziel dieser Tempoverschärfungen, Pogacar zu schwächen, nicht erreicht wurde. Belgiens Radsport-Legende Sven Nys sieht das ähnlich. „Die Idee ist, Pogacar müde zu machen. Sie haben es die ganze Woche versucht. Aber was haben diese Tempoverschärfungen erreicht?“, fragte Nys in einem Gespräch mit Sporza. „Pogacar hat genauso viel Energie verbraucht wie Vingegaard. Kein Tropfen mehr, kein Tropfen weniger. Außerdem genießt Pogacar diese Tempoverschärfungen.“
Nys sieht nur ein Szenario, in dem Vingegaard schlussendlich erfolgreich ist: „Sie können die Tour nur gewinnen, wenn Pogacar einen schlechten Tag hat und komplett versagt.“
Fehlt Vingegaard der Mut?
Riis warf Vingegaard im Kampf gegen den Slowenen derweil fehlenden Mut vor. „Es scheint, als würde er sich nicht trauen, Pogacar anzugreifen. Vielleicht hätte er bei einem Angriff zehn Sekunden auf Pogacar verloren, aber dann hätte er ihn immerhin noch gefordert“, schrieb er. Seine einzige logische Erklärung für die Zurückhaltung seines Landsmanns sei, dass dieser seine Karten nicht zu früh aufdecken wolle.
„Und es kann auch Sinn ergeben, zu warten, bis man sein Pulver verschießt. Er vertraut darauf, in der dritten Woche den Unterschied zu machen. Diese Strategie ist durchaus valide“, ergänzte Riis, der zuvor aber bereits verdeutlichte, dass er sich von Vingegaard bis dato mehr erhofft hatte.