Zwölf Jahre ist es her, als der Film "Wimbledon" mit Kirsten Dunst in den Kinos lief - nun spielt sich im realen Leben eine noch kitschigere Version davon ab.
Dank Kitsch-Romanze: "Willbomb's on fire"
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Hauptdarsteller ist der Brite Marcus Willis, der in der zweiten Runde in Wimbledon auf Rekord-Grand-Slam-Sieger Roger Federer trifft. Dabei hätte die Spieler-Karriere der Nummer 772 der Welt bereits zu Ende sein sollen.
Anfang des Jahres hatte der 25-Jährige ein Angebot aus Philadelphia erhalten. "Ich wollte in Amerika als Coach arbeiten. Ich habe jemanden sogar bereits wegen dem Visum angerufen. Doch dann traf ich dieses Mädchen…", sagte Willis der New York Times.
Freundin verhindert Karriereende
Dieses "Mädchen" war die Zahnärztin Jennifer Bate, die Mutter zweier Kinder ist. Willis traf Bate kurz vor seiner Abreise zufällig bei einem Konzert von Ellie Goulding.
Bate, die direkt nach dem Treffen ihre Mutter anrief, um ihr zu sagen, dass sie endlich "den Einen" getroffen habe, reagierte geschockt, als Willis ihr von seinem Plan in die USA zu ziehen erzählte.
"Sie sagte mir, dass ich es nicht tun soll, also ließ ich es. Ich tue das, was mir gesagt wird", sagte Willis. Von Bate ermutigt, versuchte Willis danach sogar wieder seinen Kindheitstraum von der großen Tennis-Karriere zu verwirklichen.
"Ich war ein Verlierer"
Dieser Traum war für ihn trotz großem Talent bereits abgehakt gewesen, da die Niederlagen auf unterklassigen Turnieren sein Selbstbewusstsein aufgefressen hatten.
"Ich habe einige schlechte Entscheidungen getroffen. Bin zu viel weggegangen, war übergewichtig, habe zu viel Bier getrunken. Ich war ein Verlierer", sagte Willis rückblickend.
Wegen seines Übergewichts wurde er sogar als "Eric Cartman", eine beliebte Figur aus der Animationsserie "South Park" verspottet. Seit damals hat Willis 25 Kilogramm abgenommen, auch wenn er immer noch ein wenig stämmiger als die meisten Tennis-Profis ist.
Cinderella-Story fast geplatzt
Die sensationelle Cinderella-Story in Wimbledon wäre dennoch um ein Haar geplatzt.
Da er einen Monat vor seiner geplanten Abreise noch ein Turnier in Tunesien gespielt hatte, erhielt er als 23. der britischen Rangliste als letzter Spieler noch eine Wildcard und durfte in einem britischen Ausscheidungsturnier um ein Ticket für die Wimbledon-Qualifikation kämpfen.
Dort ging die irre Geschichte weiter. Dank sechs Siegen in Folge – unter anderen zum ersten Mal gegen einen Top-100-Spieler - spielte sich Willis völlig überraschend ins Hauptfeld von Wimbledon.
Fans machen Platz zum Tollhaus
Zahlreiche Briten, die von seiner unglaublichen Geschichte erfahren haben, strömen daher am Montag auf den Court 17, um ihn zum Mittelpunkt des Wahnsinns zu machen.
Das Match verkommt zu einer riesigen Party, bei der seine Fans einen abgeänderten Song nach dem nächsten zum Besten geben. Highlight ist dabei der Song "Shoes off, if you love Willis", bei dem plötzlich der Großteil der Zuschauer einen Schuh in den Himmel streckt.
Sein litauischer Gegner Ricardas Berankis, dessen Trainer Rainer Schüttler und Dirk Hordorff sind, wird nicht nur davon völlig überrumpelt. Auch das unorthodoxe Spiel des Linkshänders bereitet Berankis große Probleme.
Freunde warnen Federer
Als der Return von Berankis beim Matchball ins Aus fliegt, brechen schließlich endgültig alle Dämme.
Willis läuft sofort zu seiner Freundin, die seinen größten Triumph beinahe verpasst hätte - doch wieder einmal half das Schicksal. "Weil in der Praxis einige Gerätschaften ausgefallen sind, mussten alle Nachmittagstermine abgesagt werden", verriet Bates.
Nachdem er von ihr einen Kuss aufgedrückt bekommt, feiert Willis mit seinen komplett durchdrehenden Freunden. Diese warnen mit einem weiteren Song noch kurz dessen nächsten Gegner: "Federer is terrified, The Willbomb's on fire".
Auf den siebenmaligen Wimbledon-Sieger angesprochen, sagt Willis, dessen neuer Spitzname "Willbomb" deutlich positiver klingt, schmunzelnd: "Ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt auf Rasen spielen kann."