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Anne Haug nach Ironman auf Hawaii sicher: Deutschland muss sich ranhalten

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Anne Haug nach Ironman auf Hawaii sicher: Deutschland muss sich ranhalten

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Haug: Deutsche müssen sich ranhalten

Anne Haug gelingt beim Ironman auf Hawaii der dritte Platz. Im SPORT1-Interview spricht die 39-Jährige über den härtesten Triathlon der Welt und warum sich Deutschland ranhalten muss.
Der Ironman Hawaii ist der älteste Triathlon über die Langdistanz mit 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen.
Manuel Habermeier
Manuel Habermeier
von Manuel Habermeier

Beim Ironman auf Hawaii sorgte Anne Haug mit ihrer Bronzemedaille für den einzigen deutschen Podestplatz und überflügelte die sonst so starken Männer.

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Die 39-Jährige konnte ihren Titel von 2019 zwar nicht verteidigen, ist mit ihrer Platzierung aber dennoch zufrieden - wenn auch mit Einschränkungen.

Im SPORT1-Interview spricht sie nach ihrer Rückkehr über den härtesten Triathlon der Welt, die mentalen Schwierigkeiten und warum sich die Deutschen im Kampf mit der Konkurrenz ranhalten müssen.

SPORT1: Hallo Frau Haug, herzlichen Glückwunsch zum dritten Platz bei der Ironman-WM. Wie hat sich die Rückkehr nach dreijähriger Abstinenz in Hawaii angefühlt?

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Anne Haug: Es kam mir vor, als ob es im letzten Jahrzehnt stattgefunden hätte. Drei Jahre ist eine lange Zeit, aber der Highway hat sich nicht verändert. Es geht immer noch gerade aus und in Hawi um eine Pylone rum. Von daher habe ich mich gleich wieder wohlgefühlt. Es war wieder schön. Es ist etwas komplett anderes, einfach dieser ganze Kult um Hawaii. Mir persönlich geht es immer nur um die Weltmeisterschaft, aber ich glaube, Hawaii ist damit schon verbunden und das kann Utah nicht ersetzen.

Ironman auf Hawaii: „Der härteste Triathlon der Welt“

SPORT1: Sie haben schon gesagt, dass es sich anders gefühlt, aber wie ist es in Sachen Härte? Schließlich sind die klimatischen Bedingungen unterschiedlich.

Haug: Das ist der härteste Triathlon der Welt, weil diese klimatischen Bedingungen einfach extrem sind. Diese Hitze, diese hohe Luftfeuchtigkeit, diese „einfache Strecke“. Es geht zwar nur geradeaus und du kannst ewig lange nach vorne schauen, aber das ist gerade die mentale Herausforderung. Man fightet einfach mehr mit sich selber – das ist die Herausforderung.

SPORT1: Ist das für Sie auch so, wenn Sie in einer Gruppe im Rennen unterwegs sind? Oder achten Sie dort mehr auf die Gegnerinnen?

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Haug: Man nimmt sie schon wahr. Schließlich ist eine WM immer taktisch geprägt. Vor allem sind wir noch eine junge Sportart, das heißt die Leistungsdichte wird immer höher. Gerade bei den Damen ist sie extrem hoch. Es hat also schon eine hohe taktische Komponente. Man muss in der Gruppe mitfahren, wenn man gewinnen will und dementsprechend mehr Risiko gehen, als wenn man nur die beste Zeit für sich rausholen möchte.

SPORT1: Sie sind in Hawaii als Titelverteidigerin an den Start gegangen. Ärgert es Sie daher, dass Sie als Dritte den Erfolg nicht wiederholen konnten?

Haug: Klar möchte man gerne seinen Titel verteidigen, aber das ist Leistungssport. Alle anderen wollen das eben auch. Ich glaube, man kann nicht mehr machen, als an dem Tag sein allerbestes geben und dann muss man mit dem Ergebnis leben. Ich nehme mir immer vor, ich möchte ins Ziel und sagen können, dass ich keine Sekunde mehr rausquetschen konnte. Und ich weiß, es ist nicht alles optimal verlaufen. Ich hatte wieder energetische Probleme. Das sind einfach Sachen, an denen muss man arbeiten. Und deswegen ist ein Sieg nie garantiert. An dem einen Tag müssen eben alle Puzzleteile zusammenpassen. Das macht Gewinnen im Leistungssport zu etwas Besonderem.

Haug klagt über energetische Probleme

SPORT1: Sie lagen nach dem Rennen komplett ausgepowert im Ziel. Haben Sie also Ihr Ziel erreicht?

Haug: Eigentlich war ich auf dem Rad schon völlig durch. Ich habe schon gemerkt, dass ich auf den letzten 20 Kilometern energetische Probleme hatte. Das ist keine gute Voraussetzung, um einen Marathon bei 35 Grad zu laufen. Ich konnte es mir vom Kopf her gar nicht mehr vorstellen, wie ich noch einen Marathon schaffen soll, aber der Körper schafft das dann irgendwie. Deswegen konnte ich aber auch leider nicht die Leistung abrufen, die ich gerne gezeigt hätte, weil Laufen ist meine Parade-Disziplin. Ich habe es in den letzten drei Rennen einfach nicht geschafft, das auf den Asphalt zu bringen. Das Problem ist: Du musst nach sechs Stunden einen Marathon laufen. Und wenn man keine Körner mehr im Tank hat, ist es wie wenn man mit einem leeren Auto nochmal schnell fahren muss. Das ist einfach unmöglich.

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SPORT1: Was sagen Sie zu Siegerin Chelsea Sodaro? Es war ihre Premiere auf Hawaii und der erst zweite Start überhaupt auf der Langstrecke.

Haug: Das kommt nicht von irgendwo her. Sie war Profi-Marathon-Läuferin und hat 2016 die Qualifikation für Olympia nur knapp verpasst. Dass sie aber gleich bei ihrem ersten Start auf Hawaii rockt, das ist schon echt bemerkenswert. Sie hat einfach das Momentum genutzt. Bei ihr ist einfach alles perfekt gelaufen. Ich kenne das selber von mir von 2019, wenn man ganz vorne läuft, dann ist man wie beflügelt, besonders als Amerikanerin zu Hause. Sie war einfach die Beste und hat verdient gewonnen.

SPORT1: Denken Sie im Wettkampf auch mal: Die ist aber heute gut drauf?

Haug: Nein, denn es ist eine WM. Da kann einfach alles passieren. Und da passiert es, dass Leute, die man gar nicht auf dem Zettel hat, das Rennen ihres Lebens machen. Da müssen so viele Faktoren zusammenkommen, um ein richtig geiles Rennen zu machen. Man muss nur einmal eine Verpflegungsstation verpassen. Die fünfmalige Weltmeisterin Daniela Ryf ist nur Achte geworden. Sie hat kleine Fehler gemacht und schon ist man raus. Das kannst du in einem anderen Rennen vielleicht noch kompensieren, aber in Hawaii kannst du das nicht mehr. Triathlon ist einfach ein brutaler Sport.

Haug wünscht sich „fixe Regeln“

SPORT1: Das kann er auch auf andere Art sein. Ihre Teamkollegin Laura Philipp erhielt eine Zeitstrafe, was sie nicht nachvollziehen konnte. Was haben Sie gedacht, als Sie das nach dem Rennen erfahren haben?

Haug: Aus Sportler-Sicht denkt man: Oh Mist, das ist ungerechtfertigt. Aber ich glaube, dass kein Schiedsrichter sowas leichtfertig vergibt. Es gibt Regeln, an die man sich halten muss und ich finde gut, dass die Regeln auch hart umgesetzt werden, weil sonst wird es einfach ein Windschatten-Fahren. Ich würde mir aber schon für die Zukunft wünschen, dass es für Sportler und Schiedsrichter klare Richtlinien gibt. Dass es keine Augenmaß-Entscheidung ist, sondern wirklich verifizierbar ist. Dass man genau weiß, für welches Vergehen bekommt man welche Strafe. Und dass man danach auch schwarz auf weiß sieht, welchen Fehler man begangen hat. So ist es immer eine Augenmaß-Entscheidung, und das finde ich schwierig. Da würde ich mir wünschen, dass es in Zukunft valide Methoden gibt, womit man den 12-Meter-Abstand messen kann.

SPORT1: Diese Diskussion gibt es auch immer wieder beim Gehen, wo dann die rote Kelle rausgeholt wird. Glauben Sie, dass diese gefühlte Willkür ein Problem für den Sport ist?

Haug: Aus Athletensicht sicherlich. Wir bereiten uns ein Jahr, oder in diesem Fall jetzt drei Jahre, auf den Wettkampf vor und sowas kann dein ganzes Rennen durcheinanderbringen. Da würde ich mir schon wünschen, dass es fixe Regeln gibt und die auch valide dargestellt werden können. Menschen können zum Mond fliegen. Da kann es keine Raketenwissenschaft sein, einen Abstandsmesser zu entwickeln, der zwölf Meter anzeigt.

Auf Hawaii geht es unendlich lang geradeaus
Auf Hawaii geht es unendlich lang geradeaus

SPORT1: Patrick Lange durfte ja auch zum Abkühlen, wie man so schön sagt. Was haben Sie gedacht, als Sie die Strafe für Windschatten-Fahren gesehen haben?

Haug: Ich muss sagen, Hawaii ist das einzige Rennen, wo man als Athlet wirklich den Abstand sehen kann, weil es gibt an den Zeiten Reflektoren und die sind genau zwölf Meter auseinander. Blöd ist halt, wenn man in einer Gruppe fährt, vorne bremst einer und man passt einmal nicht auf und geht in diesen Abstand rein. Man hat aber wenigstens valide, fixe Punkte, die man vor Augen hat und es ist kein Rätselraten als Sportler.

Deutsche Bilanz? „Jedes Jahr wird es härter“

SPORT1: Lassen Sie uns auf die deutsche Bilanz gucken. Sie haben als einzige eine Medaille geholt. Ist das nur eine Momentaufnahme?

Haug: Dadurch, dass wir jetzt drei Jahre Corona hatten, gab es nicht die Möglichkeit, sich gegenseitig zu messen. Und da kommen jetzt natürlich viele junge Athleten nach und die Leistungsdichte wird immer höher. Man kann auch richtig gutes Geld verdienen im Triathlon. Dadurch kommen auch immer mehr Leute ins Spiel. Triathlon hat eine große Reichweite und dadurch wächst diese noch junge Sportart. Ich denke, jedes Jahr wird es härter, aber ich würde die Deutschen jetzt nicht abschreiben. Jedes Rennen beginnt bei null und diesmal war es wirklich faszinierend, dass gerade beim Männer-Podest alle erstmalige Starter auf Hawaii und unter 30 Jahre alt waren. Da denkt man sich: Wow, wo kommt das jetzt auf einmal her? Normalerweise hieß es, man wird erst richtig gut, wenn man Mitte 30 ist. Da müssen sich die Deutschen ranhalten. Aber es ist auch gut, wenn es Konkurrenz gibt. Das macht einen besser und man weiß, woran man arbeiten muss.

SPORT1: Zu den neuen Konkurrenten zählt Gustav Iden. Er hat in Hawaii den Streckenrekord von Jan Frodeno um elf Minuten verbessert. Wie kann man diese Verbesserung einschätzen?

Haug: Elf Minuten ist schon pulverisiert, nur man muss auch sagen: Das ist eine Outdoor-Sportart. Bei uns war beispielsweise das Schwimmen langsamer als bei den Herren, weil man mit Ebbe und Flut andere Strömungen hat. Der Wind war komplett anders. Man kann Zeiten also nicht miteinander vergleichen. Die Bedingungen waren aber sicherlich ideal für so eine Zeit. Bei anderen Bedingungen hätte er aber vielleicht zehn Minuten draufgebrummt bekommen.

SPORT1: Wenn Sie sich Ihr Rennen anschauen, was waren für Sie die schönsten Momente in diesem Jahr? Oder gab es auch Phasen, wo Sie gedacht, ich will nicht mehr?

Haug: So ein Tag ist ziemlich lang. Da hat man immer Höhen und Tiefen. Das muss man mit einkalkulieren. Es wird kein Rennen geben, wo du von Anfang bis Ende auf einem Hoch surfst. Vielleicht, wenn du immer vorne bist, aber das ist unrealistisch. Du hast immer Phasen, wo du denkst: Boah, ich kriege jetzt keine Pedalumdrehung mehr hin. Ich will mich jetzt nur noch in den Straßengraben legen und schlafen. Aber dann kommt plötzlich wieder ein Momentum, in dem es gut läuft. So hangelst du dich von Höhen zu Tiefen durch das Rennen und hoffst, dass du mehr Höhen als Tiefen hast. Und du musst immer denken, je schwieriger es wird, desto kürzer musst du die kleinen Etappen machen. Ich denke im Marathon immer von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation: Was muss ich an der nächsten Verpflegungsstation machen? Kühlen, Essen, Trinken?

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Haug will Ernährungsstrategie überdenken

SPORT1: Was sind für Sie die Ziele für die nächsten Monate und Ihre weitere Karriere?

Haug: Ich habe jetzt erstmal anderthalb Wochen, wo ich Fit-for-Fun-Training mache, also ohne Trainingsplan. Ab nächster Woche werde ich mich mit meinem Trainer zusammensetzen und langsam wieder einsteigen. Dann werden auch Ziele formulieren fürs nächste Jahr. Ich glaube, dass es noch viele Baustellen gibt, an denen ich gerne arbeiten möchte. Ich werde nochmal meine Ernährungsstrategie gründlich überdenken. Das ist eine große Baustelle, die ich gerne mehr bearbeiten würde. Ich will einfach immer besser werden. Das ist das, was mich immer antreibt. Ich kann nicht beeinflussen, ob ich irgendwann was gewinne, aber ich kann beeinflussen, dass ich besser werde. Ich glaube, da ist noch mehr Leistung in meinem Körper habe und das möchte ich gerne ausnutzen.

SPORT1: Gibt es für Sie noch ein Event, zu dem Sie eine besondere Bindung haben und es daher gerne gewinnen möchten?

Haug: Das ist natürlich mein Heimrennen in Roth. Das ist immer ein Rennen, wo ich besonders fit sein und eine besonders gute Leistung zeigen will. Mit dem Rennen bin ich aufgewachsen, da fühle ich mich wohl. Da will ich einfach ein gutes Rennen zeigen. Das ist noch auf meiner Bucket List, dass ich es gerne besser machen möchte als vergangenes Jahr.

SPORT1: Lassen Sie zum Abschluss über zwei schöne Geschichten sprechen. Chris Nikic hat als erster Mensch mit Down-Syndrom die WM beendet. Sam Holness war der erste Autist, dem das gelang. Wie nimmt man das auf in der Triathlon-Gemeinschaft?

Haug: Das ist toll. Das sind einfach Vorbilder, die sagen, egal was für körperliche Einschränkungen du hast, alles ist möglich. Du musst dir einfach ein großes Ziel setzen und hart dafür arbeiten. Dann ist alles möglich. Ich glaube, solche Leute machen viel anderen Mut, dass es eben keine Ausreden gibt. Dass du alles schaffen kannst, wenn du wirklich gewillt bist, hart an dir zu arbeiten.

SPORT1: Sind Sie einem der beiden begegnet?

Haug: Ja, es war sehr interessant. Ich habe mich mit Chris Nikic kurz unterhalten und er war ja auch bei der Pressekonferenz dabei. Das war schon sehr faszinierend. Größten Respekt.