Hallo NFL-Fans,
Kuhn: Patriots sind der Wahnsinn
ich sage es gleich ohne Umschweife: Was die New England Patriots beim 33:0-Kantersieg über die New York Jets gespielt haben, war der Wahnsinn.
Nicht nur war es der siebte Sieg in der siebten Partie, was ihnen zuletzt 2015 gelang - sie sind auch das erste Team seit 85 Jahren, das mit einer 7:0-Bilanz weniger als 50 Punkte zugelassen hat. Zarte 48 stehen auf ihrem Minuskonto - das zeugt von einer brutal starken Defense.
Die Patriots dominieren das komplette Feld. Was besonders heraussticht, sind ihre unzähligen Turnover. In dieser Konstanz ist das wirklich der Wahnsinn. Vor allem, weil Tom Brady viele Punkte macht und dadurch die Defensive häufig auf dem Platz ist. Sie muss vielen Angriffen standhalten und trotzdem lässt sie kaum Punkte zu.
Keine schwachen Gegner in NFL
Einige sagen, New England hätte bislang nur die schwachen Gegner gehabt und die wirklich großen würden erst noch kommen. Dem muss man entgegenhalten: Es gibt in der NFL keine schwachen Gegner. Die meisten Spiele gehen sehr knapp aus, was zeigt, wie eng die Leistungsdichte ist.
Die Patriots sind einfach gut, sie sind "for real", wie man so schön in den USA sagt. Sie haben ein tolles Team und jeder hält sich ans System.
Die Frage ist, wie sich ebenjenes System so lange auf diesem Niveau halten konnte – gerade in einer Liga, in der Dominanz einer einzelnen Franchise sehr unüblich und schwierig ist. Die Antwort darauf ist Head Coach Bill Belichick. Seine Arbeitsweise hält das Gebilde immer zusammen. Er ist der Defensive Play Caller und kümmert sich um alle Defensivaufgaben. Die starke Defensivarbeit ist sein Verdienst.
Bennett-Suspendierung als Beispiel
Zugleich muss man aber das gesamte System würdigen. Sämtliche Abläufe sind automatisiert – das habe ich während meiner Zeit bei den Patriots am eigenen Leib erfahren.
Wie gut das System funktioniert und wie viel Wert man darauf legt, dass jeder sich den Abläufen fügt, zeigt sich am Beispiel von Neuzugang Michael Bennett. Der Defensive End wurde unlängst suspendiert, weil er eine Meinungsverschiedenheit mit seinem Positions-Coach hatte und auch sonst eher rebellisch auftritt.
Die Sache ist klar: Wer sich nicht dem System unterordnet, hat in diesem Team keinen Platz. Dass das Gebilde alles ist und der einzelne Spieler nichts, ist aus meiner Sicht das Erfolgsrezept der Patriots. Doch machen wir uns nichts vor: Auch die Einzelspieler agieren auf allerhöchstem Niveau.
Hinzu kommt die unfassbare Routine, die die Patriots entwickelt haben. Für sie sind die Playoffs und das Erreichen des Super Bowls fast schon normal geworden.
Patriots können Pleite verkraften
Als Nächstes kommen die Cleveland Browns. Ich sehe New England auf dem Weg zum achten Sieg im achten Spiel. Dennoch geht es bei allem Lob nicht um glänzende Statistiken oder irgendwelche Rekorde, sondern darum, den Fokus auf den Super Bowl zu richten. Dabei können sich die Patriots auch mal eine Niederlage erlauben.
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Für eine Super-Bowl-Prognose ist es noch zu früh. Wenn ich aber zwei potentielle New-England-Konkurrenten nennen müsste, wären es die San Francisco 49ers, neben New England das einzig noch ungeschlagene Team, und die Green Bay Packers. Warten wir aber lieber noch die Playoffs ab.
Stafford unterschätzt
Am Wochenende haben mich zwei Quarterbacks begeistert. Zum einen Matthew Stafford von den Detriot Lions, zum anderen Aaron Rodgers von den bereits genannten Packers.
Aus meiner Sicht ist Stafford ein unterschätzter Spieler in der NFL. Bei der 30:42-Niederlage gegen die Minnesota Vikings knackte er die 40.000-Yards-Schallmauer, und das bereits im 147. Spiel. So schnell ist das noch nie jemandem geglückt. Trotz dieses Rekords hört und liest man relativ wenig von ihm in den Medien.
Vielleicht liegt es daran, dass gewonnene Yards noch keine Touchdowns oder Siege sind. Es geht auch um das Team und das Drumherum. Ich glaube, dass seine Entwicklung mit Coach Matt Patricia weiter nach oben gehen und er sich in Zukunft auch besser in den Playoffs zeigen kann. Dann wird man auch in den USA intensiver über ihn sprechen. Das würde ich mir wünschen.
Rodgers kann MVP werden
Rodgers hingegen hat schon viel Ruhm gesammelt. Er ist wahrscheinlich der talentierteste Quarterback der Liga, was er beim 42:24-Sieg gegen die Oakland Raiders abermals unter Beweis gestellt hat. Fünf Touchdowns und 429 geworfene Yards sprechen eine klare Sprache.
Was erfreulich ist: Rodgers versteht sich auch gut mit dem neuen Head Coach Matt LaFleur. Die Konstellation eines jungen Coaches mit einem erfahrenen Spieler ist ja nie ganz einfach, aber hier funktioniert es wunderbar. Die Packers spielen aktuell fantastischen Football und Rodgers sticht als Bester heraus. Wenn er so weiterspielt, hat er auch die Chancen auf den Titel des MVP. (SERVICE: Die Tabellen der NFL)
NFL mittelfristig in Deutschland
Zum Abschluss noch ein wenig weg vom Tagesgeschäft: Die NFL erwägt, Spiele in Deutschland auszutragen. Die Überlegung gibt es nicht zum ersten Mal. Ich denke, mittelfristig wird es dazu kommen. Die NFL ist interessant für den deutschen Markt und ebenso der deutsche Markt für die NFL.
Man hat es in den vergangenen Jahren gesehen: Die Begeisterung wächst stetig. Ich würde sogar sagen, dass die Begeisterung inzwischen größer ist als in England. Gerade auch, weil wir mit Österreich und der Schweiz auch den gesamten deutschsprachigen Markt mitbringen.
Ich würde mich auf jeden Fall freuen, irgendwann ein NFL-Spiel in Deutschland zu sehen.
Bis bald
Euer Markus Kuhn
Markus Kuhn (33) ist ein ehemaliger Footballspieler und wurde 2012 in der siebten Runde von den New York Giants ausgewählt. Für die Franchise war der Defensive Tackle von 2012 bis 2015 in der NFL aktiv und absolvierte in dieser Zeit 39 Spiele. In der Saison 2014 erzielte er als erster Deutsche überhaupt einen Touchdown in der NFL. 2016 wechselte er zu den New England Patriots. Seit dieser Saison ist er gemeinsam mit Sebastian Vollmer als Kommentator des Monday Night Games bei DAZN im Einsatz. Für SPORT1 kommentieren die beiden Ex-NFL-Profis in ihrer regelmäßigen Kolumne das aktuelle Geschehen in der NFL.