Noch keinen Monat ist es her, da machte ein Trade viele NFL-Experten und -Fans fassungslos.
Hat sich der Texans-Coach verzockt?
Die Houston Texans ließen mit DeAndre Hopkins den wohl besten Wide Receiver der Liga ziehen. Im Gegenzug bekam das Team aber nicht ein dickes Paket bestehend aus einem Erstrundenpick, einem Spieler und weiteren Draft-Picks. Nein, einzig einen Zweitrundenpick und Running Back David Johnson mussten die Arizona Cardinals abdrücken.
Für die Fans der Texans ein Schock und auch die Medien bewerteten den Move eindeutig. "Der schlechteste Trade der NFL-Geschichte", zeigte sich der US-Sender CBS perplex.
Verantwortlich für all das ist Bill O'Brien.
O'Brien Headcoach und GM
Seit 2014 steht der 50-Jährige als Headcoach im NRG Stadium an der Seitenlinie. Seit Anfang des Jahres agiert er zudem auch als General Manager, inoffiziell tut er das bereits seit der Entlassung des vorherigen GM im Juni 2019.
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Dass O'Brien mit Hopkins die Lieblings-Anspielstation von Quarterback Deshaun Watson verscherbelt hat, ist aber nicht die einzige Entscheidung, die auf Unverständnis stößt.
Als Ersatz auf der Receiver-Position sind die Texans bei den Rams fündig geworden. Brandin Cooks, in L.A. lediglich Passempfänger Nummer drei und mit fünf Gehirnerschütterungen in sechs Jahren äußerst anfällig, und einen Viertrundenpick im Draft 2022 zog Houston an Land. Der Preis dafür: hoch.
Mit einem Zweitrundenpick 2020 hat die Franchise einen ihrer letzten aussichtsreichen Picks abgeben. Und das im wohl besten und tiefsten Receiver-Draft aller Zeiten.
Hopkins forderte Gehaltserhöhung
Was die Entscheidungen weiter ad absurdum führt, ist der Blick auf die Zahlen. Hopkins, dessen Vertrag noch drei weitere Jahre gelaufen wäre, forderte von seinem Trainer und GM eine Anhebung seines Jahresgehalts auf eine Summe zwischen 18 und 20 Millionen Dollar. Doch O'Brien lehnte ab.
Stattdessen fließen in den kommenden drei Jahren 39 Millionen an Cooks sowie 27 Millionen an den ebenfalls verpflichteten und bereits 29 Jahre alten Randall Cobb.
Und auch im vergangenen Jahr machte sich O'Brien wenig Freunde. Den 2014 als Nummer-1-Pick verpflichteten Jadeveon Clowney versuchte er mit einem Franchise Tag zu belegen, scheiterte jedoch. Der Linebacker entschied sich für einen Holdout und landete schließlich bei den Seahawks.
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Dass für Clowney, dem trotz diverser Verletzungen in fünf Jahren 29 Sacks gelangen, nur ein Drittrundenpick heraussprang, machte die Sache nicht besser.
Situation wie bei den Rams droht
Vor nicht allzu langer Zeit glaubte man in Houston an eine rosige Zukunft. Mit Franchise-Quarterback Watson, der immer noch mit seinem Rookie-Kontrakt spielt, ist man auf der wichtigsten Position exzellent aufgestellt.
Zudem wartete ein vielversprechender Kader mit langfristiger Perspektive. Geblieben ist davon nicht mehr allzu viel.
Das Team hat kaum noch billige Jungstars im Kader. Gelingt in den nächsten zwei Jahren nicht der große Wurf, droht eine Situation wie aktuell bei den Rams. Wenige Altstars blockieren mit ihren hochdotierten Verträgen den Cap und lassen kaum Spielraum für Verpflichtungen.
Doch nicht nur wegen der wenig verständlichen Offense-Trades bleiben Fragen offen. Auch in der Defense gibt es Handlungsbedarf.
Defense braucht Verstärkung
In der zurückliegenden Saison gelang den Texans zwar der Sprung in die Playoffs, in der Divisional Round war jedoch gegen den späteren Super-Bowl-Sieger Kansas City Chiefs Schluss. Und wie! Mit 51:31 fegten die Chiefs Watson und Co. aus dem Stadion - die Probleme in der Defense wurden gnadenlos offengelegt.
Gerade deshalb bräuchte es punktuelle Verstärkungen und Draft-Picks zur Verbesserung der D-Line. Mit jeweils nur einem Pick in den Runden zwei, drei, vier und fünf, sowie drei Auswahlmöglichkeiten in Runde sieben ist an dieser Stelle jedoch nicht allzu viel zu erwarten.
Unumstritten ist O'Brien ein hervorragender Football-Coach. Vor seiner Zeit bei den Texans coachte er unter anderem die Offense der New England Patriots. Als General Manager konnte er bislang jedoch nicht glänzen. Ganz im Gegenteil.
Der Abgang von Hopkins soll nämlich weniger finanzielle Gründe, wie von O'Brien behauptet, denn mehr persönliche Hintergründe haben. In einem Interview mit ESPN enthüllte Hall-of-Fame-Receiver Michael Irvin, dass O'Brien ein Problem damit haben soll, dass Hopkins mehrere Kinder mit mehreren Frauen hat.
Vergleich mit Hernandez
Zudem soll er den Receiver in einem Streit mit dem ehemaligen NFL-Profi Aaron Hernandez verglichen haben. Zur Erinnerung: Hernandez hatte bei New England gespielt, als O'Brien dort Assistent Coach von Bill Belichick war. 2013 wurde Hernandez wegen Mordverdachts festgenommen und verurteilt. Später nahm er sich in seiner Gefängniszelle das Leben.
Hopkins zeigte sich ob des Vergleichs wütend. "Das hat mich umgehauen, dass er das zur Sprache bringt. Ich war noch nie in Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, warum er mich mit Aaron Hernandez gleichsetzt", soll Hopkins zu Irvin gesagt haben.
Auch wenn sich im Nachhinein nicht hundertprozentig klären lässt, wie genau der ein oder andere Texans-Trade der vergangenen Monate zustande kam, beweist er doch eins. Haben Cheftrainer auch die vollständige Kontrolle über Personalentscheidungen, fehlt eine dringend nötige Kontrollinstanz.