Eric Bieniemy bleibt für ein weiteres Jahr Offensive Coordinator der Kansas City Chiefs. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NFL)
Die seltsamste Personalie der NFL
Vor wenigen Tagen verkündete die Franchise diese Personalie. Eine Personalie, die zunächst einmal wenig spektakulär wirkt, bei genauerer Betrachtung aber für viele Fragezeichen sorgt.
Seit Jahren schon zählt der 52-Jährige zu den besten Assistenztrainern der NFL. Für viele Experten ist er gar DER beste Coordinator. Einen Job als Cheftrainer hat er bislang dennoch nicht ergattert – und das trotz unzähliger Versuche.
Bieniemy blitzte bei Saints und Broncos ab
Schon im vergangenen Jahr zeigte sich der Head Coach der Chiefs, Andy Reid, darüber verwundert, dass Bieniemy noch von keinem anderen Team verpflichtet wurde. Ein Vorgang, der sich nun erneut wiederholt hat.
Kurz vor dem Wild-Card-Game gegen die Pittsburgh Steelers im Januar, erklärte Reid im Gespräch mit US-Reportern: „Ich bin enttäuscht, dass man ihn nicht eingestellt hat. Weil er so gut ist. Ich denke, dieses Jahr wird er einen Job bekommen.“
Passiert ist dies aber mitnichten. Der 52-Jährige sprach zwar in Interviews bei den New Orleans Saints und den Denver Broncos vor - die Saints entschieden sich jedoch lieber für ihren langjährigen Defensive Coordinator Dennis Allen, die Broncos verpflichteten Packers-Offensive-Coordinator Nathaniel Hackett.
Absage der Broncos mit Beigeschmack
Vor allem die Absage der Broncos erscheint im Zuge der Enthüllungen von Brian Flores zumindest in einem speziellen Licht.
Flores, früher Cheftrainer bei den Miami Dolphins, hatte vor wenigen Wochen die Liga und drei Teams, darunter die Broncos, wegen angeblicher rassistischer Praktiken verklagt. (SERVICE: NFL-Wissen - die Positionen im Football)
So erklärte Flores, bei seinem Interview für den Head-Coach-Posten der Broncos im Jahr 2019 seien General Manager John Elway und Präsident Joe Ellis verkatert und in einem desolaten Zustand erschienen. Die Unterhaltung diente laut ihm nur dem Schein, um die Regel zu befolgen, Trainer von Minderheiten interviewen zu müssen.
Eben jene Broncos entschieden sich nun auch gegen Bieniemy.
Flores erwähnt Bieniemy in seiner Anklageschrift
Für Flores kein Zufall.
So steht in seiner knapp 60 Seiten langen Anklageschrift: „Ohne Frage hat Herr Bieniemy die Herkunft, die Erfolgsbilanz und den Ruf, der ihn zu einem begehrten Head Coach macht. Doch obwohl er in den vergangenen fünf Jahren für etwa 20 freie Stellen interviewt wurde, hat kein Team Herrn Bieniemy ein Angebot gemacht.“
Und weiter: „Während dieser Zeit haben zahlreiche weiße Kandidaten, die eindeutig weniger qualifiziert sind, die Aufgaben des Head Coaches für zahlreiche NFL-Teams übernommen.“ (SERVICE: NFL-Wissen - die wichtigsten Begriffe im Football)
Mit Ablauf der vergangenen Saison waren in der NFL so viele Trainerposten vakant wie lange nicht mehr. Unzählige Teams suchten einen neuen Chef, eingestellt wurden bis auf Texans-Coach Lovie Smith aber nur weiße Trainer. Bieniemy ging wie in den Vorjahren erneut leer aus.
Reid über Nicht-Einstellung schockiert
Dabei hätte der 52-Jährige wahrlich genug Qualifikationen. Seit Jahren leitet er die überaus erfolgreiche Offensive der Kansas City Chiefs, führte die Truppe rund um Quarterback Patrick Mahomes zum Super-Bowl-Sieg 2019. (SERVICE: NFL-Wissen - die wichtigsten Regeln im Football)
„Es überrascht mich schon ein wenig“, sagte auch Chiefs-Head-Coach Andy Reid am Rande des Scouting Combine.
Er war sich recht sicher, dass einer seiner besten Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt schon längst Cheftrainer bei einer anderen Franchise sein würde: „Er ist ein hervorragender Footballtrainer.“
Dass Bieniemy bei der Vergabe der Top-Jobs erneut leer ausging, ist für Reid und die Chiefs zwar unverständlich - aber von Vorteil. So unterzeichnete der 52-Jährige einen Kontrakt für ein weiteres Jahr und bleibt im Arrowhead Stadium an der Seitenlinie erhalten.
Und der ehemalige Running Back, der in der NFL für die San Diego Chargers, Cincinnati Bengals und Philadelphia Eagles auflief, könnte in der kommenden Saison noch mehr Argumente für ein Engagement als Cheftrainer sammeln.
Nach dem Trade-Hammer um Tyreek Hill, der bei den Miami Dolphins zum bestbezahlten Passempfänger der NFL-Geschichte aufstieg, muss Bieniemy seine Offense neu aufstellen.
Dafür bekam er JuJu Smith-Schuster und Marquez Valdes-Scantling. Sollte er mit diesen Spielern einen ähnlich erfolgreichen Angriff aufbauen wie mit Hill, hätte er bewiesen, dass der Erfolg an seinem System und nicht den Spielern liegt.
Kein Stress zwischen Reid, Bieniemy und Mahomes
Zudem soll sich Bieniemy auch menschlich gut mit seinen Hauptprotagonisten verstehen.
Gerüchte über angebliche Reibereien zwischen Bieniemy und Spielmacher Mahomes wies Reid derweil weit von sich.
„Wir waren im Urlaub und nach den zwei Wochen hieß es plötzlich, dass ich Eric nicht mochte, dass Eric mich nicht mochte und Patrick Mahomes und alle anderen auch nicht“, erläuterte er.
Reid fuhr fort: „Das ist nicht der Fall. Wir kommen alle gut miteinander aus, und ich bin froh, dass er wieder bei uns ist und weitermacht. Ich hatte gedacht, dass er möglicherweise einen Job als Head Coach bekommen würde, was mich auch gefreut hätte. Aber so hat es sich nicht ergeben.“
Nach der kommenden Saison dürfte Bieniemy den nächsten Anlauf starten - ob dieser endlich erfolgreich ist, wird sich aber erst noch zeigen.