Eigentlich hielt sich Todd Bowles bei Spielen der Tampa Bay Buccaneers in der zweiten Reihe zurück und verfolgte das Geschehen auf dem Rasen meist gelassen mit verschränkten Armen.
So tickt Bradys neuer Boss
Nun wird der 58-Jährige die NFL-Partien der Bucs deutlich gestenreicher im Scheinwerferlicht verfolgen. Bowles steigt beim Champion von 2021 vom Posten des Defensivcoaches zum Cheftrainer auf.
Der bisherige Boss Bruce Arians verlässt den Spielfeldrand und wird General Manager Jason Licht ab sofort unterstützen.
Brady verabschiedet Arians
„Ich wollte sicher gehen, dass Todd die beste Chance hat, erfolgreich zu sein“, so Arians in seinem Statement. „Er ist ein großartiger Trainer und wird hier viel Erfolg haben.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NFL)
Nach der Rückkehr von Tom Brady ist es ein cleverer Schachzug von Arians, seinem Nachfolger einen perfekten Start zu ermöglichen - statt bei einem Rebuild ohne den Superstar ein schwaches Team übernehmen zu müssen, bekommt Bowles eine prominent besetzte Mannschaft für seinen neuen Versuch als Cheftrainer.
Aber auch so wird es spannend. Denn Brady bekommt einen neuen Chef und muss sich von einem guten Freund trennen.
„Ich danke dir für alles. Alles, was wir vor zwei Jahren besprachen, bevor du mich hier hergeholt hast, ist wahr geworden. Ich werde mich für immer an unsere Gespräche erinnern und an das, was du für mich getan hast“, schrieb der Quarterback bei Instagram. (SERVICE: NFL-Wissen - die wichtigsten Begriffe im Football)
Mit Bowles hatte Brady bisher kaum Kontakt. Immerhin hatte der neue Boss bislang die Verantwortung für die Defensive, die Offense um Brady zählte nicht zu seinem Beschäftigungsfeld..
Der Superstar wird aber wissen, dass der neue Coach durchaus was von Football versteht. (SERVICE: NFL-Wissen - die wichtigsten Regeln im Football)
Drei Super-Bowl-Siege - als „Mastermind gefeiert
Immerhin hat Bowles in seiner langen Karriere bereits Geschichte geschrieben. Er hat den Super Bowl drei Mal gewonnen - in jeweils unterschiedlichen Funktionen.
Als Spieler stand er als Safety von 1986 bis 1993 auf dem Feld und gewann 1988 mit den Washington Redskins den Titel. (SERVICE: NFL-Wissen - die Positionen im Football)
Doch der Mann, der in Elizabeth in New Jersey geboren wurde, ließ weitere Ringe folgen. Nach seiner aktiven Karriere arbeitet er bei den Green Bay Packers als Scout und krönte seine Zeit dort mit dem Super-Bowl-Triumph 1997.
2021 holt er noch einmal die Meisterschaft - diesmal als Defensivtrainer der Tampa Bay Buccaneers. Bucs-Stars wie Lavonte David schwärmten: „Er ist ein Mastermind.“ Dieser Begriff fiel immer wieder in den vergangenen Jahren.
Bowles von NFL-Teams missachtet
Dennoch umgingen die 32 NFL-Teams den Fachmann immer wieder, wenn es um die Besetzung von Cheftrainer-Posten ging. In diesem Jahr lehnten ihn die Las Vegas Raiders, Minnesota Viking und Chicago Bears ab, nachdem er sich bei ihnen vorstellte. (DATEN: Alle Tabellen der NFL)
Dabei hat Bowles auch schon Erfahrung gesammelt als Cheftrainer. 2011 sprang er als Interimslösung bei den Miami Dolphins ein und war von 2015 bis 2018 für die New York Jets verantwortlich.
Warum es Zweifel an Bowles gibt
Er war der letzte Trainer, mit dem das Team eine positive Bilanz aufwies (10:4-Siege 2015).
Aber auch wenn die Jets kaum den Ruf einer Sieger-Franchise haben - dass sich Bowles dort nachhaltig für höhere Aufgaben empfahl, kann man auch nicht wirklich sagen. (NFL-Transfers - die größten Trades und heißesten Gerüchte im TICKER)
Ein Grund für die Zweifel am 58-Jährigen und seiner Eignung als Cheftrainer bleibt die Frage: Wie gut ist er offensiv? Das wird sich bei aller defensiven Klasse jetzt zeigen müssen.
Immerhin wird Bowles auch hier der Start sehr erleichtert: Zum einen gibt es mit dem ultraerfahrenen Brady keinen Quarterback, der weniger Hilfe oder Ansagen seines Cheftrainers bräuchte. Zum anderen bleibt mit Byron Leftwich der Offensive Coordinator der Bucs an Bord - er verantwortet als Co-Trainer seit drei Jahren einen der explosivsten Angriffe der NFL.
Bowles kämpft für schwarze US-Amerikaner
Dass Bowles von vielen Teams ignoriert wurde, hat für einige Experten ohnehin auch einen anderen Grund: Dass sie Bowles als schwarzen Trainer nicht haben wollten. Ein Verdacht, der in der NFL schon lange mitschwingt, wenn es um die Besetzung der Posten geht. Bowles kämpft seit Jahren für Gleichberechtigung der Afroamerikaner.
„Ich bin sicher, dass ich gegen Rassismus, Rassentrennung und all das andere Zeug bin. Aber wie können wir zu einer Lösung kommen? Ich habe diese Antwort nicht. Wie können wir zu einer gemeinsamen Basis kommen? Diese Antwort habe ich nicht. Das ist eine Wahnsinnsdebatte und ein Wahnsinnsthema“, sagte er nach Ausschreitungen in den USA 2017 und dem Kniefall-Protest von Colin Kapernick. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der NFL)
In der Liga ist durch die Klage von Brian Flores gegen drei Teams und die NFL eine heftige Diskussion entbrannt um rassistische Praktiken bei Jobvergaben. Bis zum Arians-Rücktritt gab es mit Lovie Smith (Houston Texans) und Mike Tomlin (Pittsburgh Steelers) nur zwei schwarze Trainer in der Liga.
Nun haben sich die Bucs getraut, ihr „Mastermind“ zu befördern. Flores wird es sicher freuen. Brady auch?