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"Kein Konzept dahinter"- Deutscher Ski-Star Straßer greift FIS an

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"Kein Konzept dahinter"- Deutscher Ski-Star Straßer greift FIS an

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Ski-Star: “Betrug Tür und Tor geöffnet“

Slalom-Spezialist Linus Straßer spricht vor dem Weltcup-Start im SPORT1-Interview über Klimaprobleme, seine Saisonziele und verbotene Wachse. Zudem übt er heftige Kritik an der FIS.
Die ehemalige Biathletin & Skilangläuferin Evi Sachenbacher-Stehle und ihr Mann, der ehemalige Skirennläufer Johannes Stehle sind mit ihrem Nachwuchs viel in den Bergen unterwegs. Die Kinder schwärmen aktuell aber nur für eine Disziplin.
Alexander Kortan
Alexander Kortan

Mit dem abgebrochenen Weltcup in Sölden hat Ende Oktober die neue Ski-Saison begonnen. Für die Slalom-Spezialisten bei den Männern wird es bald ernst, am 18. November steigt im österreichischen Obergurgl Hochgurl das erste Weltcup-Rennen. Für Deutschland geht dann wieder Linus Straßer an den Start.

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Im SPORT1-Interview spricht der 30-Jährige, der sich bei Olympia 2022 Silber im Teamwettbewerb sicherte, über die klimatischen Schwierigkeiten im Skisport, seine Ziele für die anstehende Saison, Fluorverbote bei Skiwachsen und ein mögliches Comeback von Lucas Braathen. Außerdem äußert er deutliche Kritik an der FIS.

SPORT1: Bald geht es wieder los. Am 18. November steht der Slalom-Saisonstart an. Wie lief Ihre Vorbereitung?

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Linus Straßer: Die Vorbereitung lief sicher etwas schleppender, weil einfach die Temperaturen relativ hoch und damit die Verhältnisse nicht optimal waren. Es gab wenig Niederschlag, vor allem im September, was natürlich unseren Gletschern nicht so gutgetan hat. Aber wir waren die letzte Oktoberwoche in Levi (Finnland; Anm. d. Red.), haben dort Top-Verhältnisse mit Temperaturen um minus 10 Grad vorgefunden. Jetzt sind wir noch eine Woche daheim und die Woche vor dem Saisonstart in Obergurgl trainieren wir noch mal in Skandinavien, wo wir sicher wieder sehr gute Verhältnisse vorfinden werden - und dann geht‘s los mit dem ersten Saisonrennen.

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SPORT1: Kann man wegen der Wetterbedingungen den Zeitpunkt des Saisonstarts kritisieren?

Straßer: Wir hatten in der Vergangenheit schon ähnliche Vorbereitungsjahre. Also würde ich das Ganze jetzt nicht zu dramatisch sehen – wenngleich wir natürlich wahrnehmen, dass die Winter später kommen und länger bleiben. Aber eine Verlegung um zwei, drei Wochen nach hinten könnte man sich durchaus überlegen. Einfach, weil es auch unsere Vorbereitung etwas entzerren und damit stressfreier machen würde.

Späterer Saisonstart als Lösung?

SPORT1: Einen späteren Saisonstart hat auch Felix Neureuther vorgeschlagen. Was er außerdem vorgeschlagen hat, ist ein Verbot von Stangentraining im Sommer. Wie sehen Sie das?

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Straßer: An und für sich ist es ein nachvollziehbarer Vorschlag, wenngleich die Umsetzung schwierig sein könnte. Felix hat das Prozedere mit der Formel 1 verglichen. Ich glaube jedoch, dass es in der Formel 1 definitiv einfacher ist, nachzuvollziehen, ob jemand testet oder nicht. So viele Strecken, auf der man ein Formel-1-Auto testen kann, gibt es dann doch nicht. Bei uns wäre das sicher etwas aufwändiger.

SPORT1: Was ebenfalls ziemlich schwer nachzuvollziehen ist, ist das Thema Fluorverbot bei Skiwachsen. Die Norwegerin Ragnhild Mowinckel wurde in Sölden disqualifiziert, beteuert aber ihre Unschuld. Schon vor diesem Fall hatten Athleten befürchtet, dass manipuliert werden kann. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihnen so etwas passieren kann?

Straßer: Bei uns im Slalom macht das Wachs zum Glück grundsätzlich nicht ganz so viel aus. Natürlich müssen unsere Ski laufen, aber nicht so wie im Speed-Bereich oder im Riesenslalom. Aber klar, da ist dem Betrug Tür und Tor geöffnet. Wenn der Ski nur gering verunreinigt ist, schlägt das Gerät schon positiv aus. Das Hauptproblem ist aber, dass das Messverfahren Schwächen aufweist. Die Toleranz wurde vor Sölden vom Wert 1 auf 1,8 erhöht.

SPORT1: Vergangene Saison haben Sie es zweimal auf das Podium geschafft, 2022 sogar den Nacht-Slalom in Schladming gewonnen. Was haben Sie sich für die neue Saison vorgenommen?

Straßer: Ich setze mir keine konkreten Platzierungen als Ziele, wie zum Beispiel, in Kitzbühel zu gewinnen. Da muss dann genau an diesem Tag alles zusammenpassen. Ich will einfach bei jedem Rennen konkurrenzfähig sein, meine beste Leistung abrufen und um den Sieg mitfahren können.

SPORT1: Aber das Rennen in Kitzbühel ist schon etwas Besonderes, oder?

Straßer: Ja. Aber von wem ist es bitte nicht das Ziel, in Kitzbühel ganz oben zu stehen? Ich glaube, da geht es jedem so. Aber wenn es nicht in Kitzbühel klappt, sondern Madonna (di Campiglio; Anm. d. Red.) oder sonst wo, bin ich sehr zufrieden.

Kommt Lucas Braathen noch mal zurück?

SPORT1: Die Konkurrenz in der Spitze ist wieder einmal stark, trotz des Rücktritts von Lucas Braathen. In den vergangenen beiden Jahren haben sechs beziehungsweise sieben verschiedene Athleten Siege bei einem der zehn Rennen geholt. Gibt es trotzdem einen absoluten Favoriten?

Straßer: Derjenige mit der größten Konstanz ist wahrscheinlich nach wie vor Henrik Kristoffersen, aber da sind schon noch einige ganz heiße Eisen am Start.

SPORT1: Mit Lucas Braathen ist der Sieger des Slalom-Weltcups aus der vergangenen Saison nach Streitigkeiten mit dem norwegischen Verband zurückgetreten. Wie bedauerlich ist sein Rücktritt?

Straßer: Es ist natürlich extrem schade. Lucas war ein ganz eigener Charakter. Absolute Hochachtung vor diesem Typen, der mit 23 Jahren so klar im Kopf ist, dass er das auch so durchzieht. Ich glaube, da geht es nicht nur um Vermarktung, sondern da spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass er in zwei Jahren auch für Brasilien wieder am Start steht.

SPORT1: Gibt es im deutschen Slalom jemanden, dem Sie in der kommenden Saison viel zutrauen?

Straßer: In meinem Team ist natürlich Sebastian Holzmann derjenige, der im Training richtig gut performt. Dann gibt es den Anton Tremmel, der nach einer Verletzung wieder zurückkommt, der vielleicht noch ein bisschen braucht, aber auch schon wieder sehr schnelle Schwünge zeigt. Und dann Fabian Himmelsbach, der nach seinem Materialwechsel einen sehr guten Eindruck macht.

Linus Straßer im Parallel-Wettbewerb
Linus Straßer im Parallel-Wettbewerb

SPORT1: Stefan Luitz hat sich erneut schwer verletzt und sich einen Knöchelbruch zugezogen ...

Straßer: Das tut mir wahnsinnig leid für ihn und ich hoffe natürlich, dass er noch mal seinen Weg zurückfindet. Zuletzt war er gut in Form.

Parallel-Rennen? Kritik an der Linie der FIS

SPORT1: Kommen wir zu einem ganz anderen Thema. Nach massiver Kritik wurden die Parallel-Rennen gestrichen. Was ist Ihre Meinung dazu?

Straßer: Was ich an dieser Entscheidung kritisiere, ist, dass die FIS einfach keine klare Linie fährt. Das ist mal hü, mal hott. Da ist einfach kein Konzept dahinter. Und das macht diesem unglaublich schönen und coolen Sport zu schaffen. Da muss ganz klar mehr Struktur rein, ein Ziel und eine klare Linie. Und dann, glaube ich, diskutieren wir auch nicht mehr darüber, ob jetzt Parallel-Events gut oder schlecht sind, sondern dann diskutieren wir darüber, wie groß wir Parallel-Events machen. Denn am Schluss ist es ein Show-Event, das für Zuschauer und auch für Sponsoren sehr attraktiv sein kann.

SPORT1: Die FIS steht nicht nur wegen des Saisonstarts in der Kritik, sondern auch wegen der engen Taktung der Rennen. Sehen Sie das auch als Problem oder ist man als Slalom-Spezialist weniger davon betroffen?

Straßer: Klar, ich fahre nur Slalom. Aber auch bei uns sind im Januar in vier Wochen sechs Rennen geplant. Aber es ist natürlich schwierig, weil wir nur ein kleines Zeitfenster haben, in dem die klimatischen Verhältnisse faire Rennen erlauben. Ich glaube nicht, dass mehr Rennen die Lösung sind.

SPORT1: Etwas andere Lösungsvorschläge hat FIS-Präsident Johan Eliasch, der in Ski-Hallen in Dubai Rennen austragen möchte. Was halten Sie von dieser Idee?

Straßer: Ob das der richtige Weg ist, den Skisport zu entwickeln und in die Zukunft zu führen, bleibt definitiv abzuwarten.

SPORT1: Zum Schluss - Sie gehen für den TSV 1860 München an den Start, sollen aber Bayern-Fan sein. Was ist da dran?

Straßer: Viele Leute bringen das im Kopf nicht zusammen, dass auch beides geht. Ich starte für die Sechziger als Skifahrer und habe dadurch natürlich automatisch, weil ich in diesem Verein bin, sehr viele Sympathien für den Klub und eben auch für die Fußballer. Aber man kann 1860 nicht mit dem FC Bayern vergleichen. Und ich schaue mir einfach gern die Bayern in der Champions League an und bin da natürlich auch für die Bayern. Ich bin ein Fan von gutem Sport und sitze auch gerne im Grünwalder Stadion und genieße die Atmosphäre.