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Wie der Westen mit ihrer Gold-Trainerin umsprang, vergrätzte Katarina Witt nachhaltig

Was Kati Witt dem Westsport übelnahm

Katarina Witt holte vor 41 Jahren ihr erstes Olympia-Gold, Erfolgstrainerin Jutta Müller spielte dabei eine tragende Rolle. Dass Müller nach der Wende ihren Job verlor, ärgerte Witt nachhaltig.
Katarina Witt und Trainerin Jutta Müller beim Olympiasieg in Sarajevo
Katarina Witt und Trainerin Jutta Müller beim Olympiasieg in Sarajevo
© IMAGO/PCN Photography
Katarina Witt holte vor 41 Jahren ihr erstes Olympia-Gold, Erfolgstrainerin Jutta Müller spielte dabei eine tragende Rolle. Dass Müller nach der Wende ihren Job verlor, ärgerte Witt nachhaltig.

Mit ihrem Olympia-Gold in Sarajevo begründete Katarina Witt 1984 ihren Rang als gesamtdeutsches Sport-Idol - und ihr Name war untrennbar mit Witts Aufstieg verbunden: Jutta Müller.

Sie war die Trainerin der einstigen Eiskunstlauf-Queen der DDR und stand am 18. Februar vor 41 Jahren an Witts Seite, als sie in einer dramatisch knappen Entscheidung die US-Favoritin Rosalynn Sumners austanzte. Und auch vier Jahre später in Calgary, als sie den legendären „Battle of the Carmens“ mit Rivalin Debi Thomas für sich entschied (Debi Thomas: Der tiefe Fall einer Witt-Rivalin).

Die in Chemnitz geborene Müller war DIE Erfolgstrainerin des DDR-Eiskunstlaufs, führte ihre Schützlinge zu 57 internationalen Medaillen. Neben Witt formte Müller auch Anett Pötzsch zur Weltmeisterin und Olympiasiegerin, insgesamt zehn WM-Titel gingen auf das Konto ihrer Trainerarbeit - zwei davon errungen von ihrer Tochter Gabriele Seyfert.

Während Witts Ruhm auch nach der Wiedervereinigung anhielt, war ihre strenge Mutterfigur nach der Wende nicht mehr gefragt - was Witt dem bundesdeutschen Sportsystem nachhaltig übelnahm.

Die strenge Trainerin hinter Katarina Witt

Müller, geboren am 13. Dezember 1928 als Jutta Lötzsch in Chemnitz, war einst selbst DDR-Meisterin im Paarlauf (1949 mit Irene Salzmann - nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs mangelte es an männlichen Partnern) und Schullehrerin für Deutsch, Musik, Sport und Mathematik.

Als Trainerin verkörperte sie recht genau das Bild, das man mit einer DDR-Eiskunstlauftrainerin verbindet: extrem hart, strikt, disziplinorientiert, autoritär - auch Witt musste ihre Wegbegleiterin siezen. Aber Jutta Müller war eben auch extrem erfolgreich.

Müller, die seit 1946 Mitglied der SED war, wurde für ihre Erfolge vielfach ausgezeichnet. 1980 erhielt sie den Vaterländischen Verdienstorden in Gold und 1988 den Karl-Marx-Orden. 1984 bekam sie den Ehrentitel „Held der Arbeit“.

In den veränderten Verhältnissen nach der Wiedervereinigung wurde Müllers guter Ruf im DDR-System aber zur Belastung: Mit dem Fall der Mauer war auch die Zeit für Müller vorbei, sie verlor ihre Arbeit.

„Die Demütigung hat sie nie verwunden“

„Die Demütigung, die ihr durch die damalige Eislauf-Union zugefügt wurde, hat sie nie verwunden“, sagte die zweimalige Olympiasiegerin Witt einst dem Zeit Magazin zur Entscheidung, Müller nach der Wende nicht als Trainerin zu beschäftigen.

„Damals ist zur Wendezeit einfach viel zu viel falsch gelaufen, mit viel zu vielen Menschen, deren Lebensleistungen mit Füßen getreten wurden“, kritisierte Witt den Kurs im deutschen Eiskunstlauf nach 1990: „Mir schien es, als hätte unter den westdeutschen Sportfunktionären eine Mentalität des Abrechnens geherrscht. Die DDR-Sportler waren vor der Wiedervereinigung meistens diejenigen, die gewannen. Jetzt konnten sie ihre Position nutzen, um sich selbst endlich wie ‚Sieger‘ aufzuführen.“

Es war und ist nicht das einzige Mal, dass Witt - die selbst der Vorwurf anhängt, mit dem DDR-System zu unkritisch gewesen zu sein - ihrerseits das westdeutsche Selbstverständnis anprangerte.

Letztes Hurra bei Olympia 1994

Müller akzeptierte die Entscheidung des Systemwechsels, nicht aber ihr persönliches Schicksal.

„Das DDR-System konnte ja nicht übernommen werden. Das ist mir jetzt klar. Aber es hätte trotzdem weitergehen können. Ich war damals eigentlich verzweifelt, dass diese ganze Supernachwuchsarbeit von heute auf morgen nicht mehr existieren konnte“, sagte Müller später der FAZ.

Witt hievte Müller noch einmal auf die große Bühne. Als Witt 1994 ihr Comeback bei den Olympischen Spielen von Lillehammer gab, stand „Frau Müller“ als Trainerin an der Bande.

„Ich wollte, dass sie den verdienten Respekt noch einmal zu spüren bekommt“, erklärte Witt ihren Schritt, diejenige, die ihr zu Weltruhm aus Kindesbeinen verhalf, noch einmal zu würdigen.

Am 2. November 2023 starb Jutta Müller, die Grande Dame des DDR-Eiskunstlaufs im Alter von 94 Jahren. Noch zu ihrem 90. Geburtstag hatte der mdr eine Sondersendung ausgestrahlt mit dem Titel „Die Eiskönigin aus Chemnitz“.