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Katarina Witt vor ihrem 60. Geburtstag: Eine widersprüchliche deutsche Ikone

Eine widersprüchliche Ikone

Sportlich begeisterte die Eiskunstlauf-Ikone Katarina Witt die ganze Welt, ihr Verhältnis zum untergegangenen DDR-Regime brachte ihr aber auch Kritik ein. Vor ihrem 60. Geburtstag steht ihr Vermächtnis neu im Fokus.
Die damals 17-jährige Katarina Witt bei einem Fotoshooting im Jahr 1982
Die damals 17-jährige Katarina Witt bei einem Fotoshooting im Jahr 1982
© IMAGO/Werner Schulze
Sportlich begeisterte die Eiskunstlauf-Ikone Katarina Witt die ganze Welt, ihr Verhältnis zum untergegangenen DDR-Regime brachte ihr aber auch Kritik ein. Vor ihrem 60. Geburtstag steht ihr Vermächtnis neu im Fokus.

In ihrer Sportart gibt es kaum jemanden Größeren als Katarina Witt. Die ehemalige Eiskunstläuferin ist eine Ikone in ihrem Sport und zumindest auch in Deutschland weit darüber hinaus.

Gleich zweimal (1984 und 1988) konnte Witt bei den Olympischen Spielen Gold gewinnen. Hinzu kommen vier WM-Titel, sechs EM-Titel und dreimal Silber (zweimal bei Weltmeisterschaften und einmal bei Europameisterschaften). Mit ihren erfolgreichen und eleganten Auftritten begeisterte sie weltweit die Massen. Speziell in ihrer Heimat, der DDR, wurde sie als Aushängeschild eines ganzen Landes zum absoluten Star. Witt schaffte aber auch das seltene Kunststück, auch in Westdeutschland und den USA ein gefeierter Publikumsliebling zu sein - schon vor der Wiedervereinigung und dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90.

Kommende Woche, am 3. Dezember, wird Katarina Witt 60 Jahre alt. Eine neue ARD-Doku mit dem Titel „Being Katarina Witt gibt aus diesem Anlass neue Einblicke in ihr bemerkenswertes Lebenswerk.

Eiskunstlauf: Witts Stern geht bei Olympia auf

Erstmals Kontakt mit dem Eis hatte Witt mit fünfeinhalb Jahren in ihrer Heimatstadt Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), von wo sie eine einmalige Weltkarriere startete.

Ihre ersten internationalen Erfolge feierte sie mit Gold und Silber bei der EM (1983 in Dortmund und 1982 in Lyon) und Silber bei der EM (1982 in Kopenhagen). Der absolute Durchbruch zur gefeierten Heldin gelang dann aber bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo.

Bei den Spielen war Witt alles andere als favorisiert. Eigentlich gingen alle von einem Olympiasieg von Weltmeisterin Rosalynn Sumners aus, die zum Start des Wettkampfes auch die Pflicht gewann. Doch dann kam alles ganz anders.

Im Anschluss gewann die DDR-Läuferin das Kurzprogramm, Sumners wurde nur Fünfte. Die Kür wurde dann zu einem echten Drama. Witt schaffte drei Dreifachsprünge, während ihre Rivalin einen geplanten dreifachen Toeloop nur doppelt und einen geplanten Doppelaxel nur einfach sprang.

Auch wegen der Fehler der US-Amerikanerin gingen die Punktrichterstimmen mit fünf zu vier und 0,2 Punkten Unterschied knapp an Witt, die sich erstmals zur Olympiasiegerin kürte.

Witt dominiert ihre Sportart über Jahre

In den darauffolgenden Jahren folgte eine unglaubliche Reihe an Erfolgen. Bis zu den olympischen Spielen in Calgary holte Witt vier EM-Titel und zwei WM-Titel. Nur bei der WM 1986 in Genf reichte es nur zu Silber.

Ein besonderes Kunststück gelang ihr beim Erlaufen ihres ersten Weltmeistertitels in Ottawa. Dort gewann sie die Pflicht, das Kurzprogramm und die Kür.

Die Krönung ihrer Karriere gelang ihr dann endgültig mit ihrer zweiten Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Calgary, als sie das zuvor medial aufgeblasene „Battle of the Carmens“ gegen Debi Thomas gewann.

Thomas hatte Witt bei der Weltmeisterschaft 1986 geschlagen. Zudem war es das damals so oft herangezogene Duell zwischen Ost (Witt) und West (Thomas). Weil beide auch noch ihre Kür zu Musik aus Georges Bizets Oper „Carmen“ liefen, war die Geschichte schon vorgeschrieben.

Im Wettkampf behielt dann Witt die Nerven. Nach Platz drei in der Pflicht, die Thomas gewann, holte sich Witt das Kurzprogramm vor ihrer Rivalin. Beide lagen vor der Kür ungefähr gleichauf und zeigten Nerven. Weil die US-Amerikanerin aber noch mehr Fehler machte und gleich bei drei ihrer fünf Dreifachsprüngen patzte, holte Witt erneut Gold.

Witt wegen Nähe zur DDR-Politik in der Kritik

Während Witt anschließend eine weltweit gefeierte Sportheldin wurde, stürzte ihre geschlagene Konkurrentin ab. Zum Abschluss ihrer Karriere holte sich Witt, die wegen ihrer Herkunft oft als „schönstes Gesicht des Sozialismus” bezeichnet wurde, ihren vierten WM-Titel.

Auch wegen ihrer zahlreichen Erfolge wurde sie in der DDR zu einer der prominentesten Sportstars. Die autoritäre Staatsführung betrachtete sie daraufhin als Repräsentantin und Aushängeschild des Landes. Sie wurde unter anderem auch von Machthabern Erich Honecker und später Egon Krenz eingeladen.

Dass sie stets auch die Nähe zur Spitze der DDR-Politik suchte und sich nicht klar distanzierte, brachte Witt von vielen Seiten jahrelang große Kritik ein, speziell nach der Wiedervereinigung. Umgekehrt kritisierte Witt auch oft den westdeutschen Blick auf das DDR-Erbe, etwa im Umgang mit ihrer langjährigen Trainerin Jutta Müller.

„Natürlich hast du auch die Werte des Landes mitvertreten“, blickte Witt nun aktuell in „Being Katarina Witt“ auf die Zeit zurück: „Ich war eine stolze DDR-Bürgerin.“

Sie gab durchaus offen zu, dass sie zu der Zeit auch bereit gewesen wäre, die DDR und das Vorgehen des Landes zu verteidigen, wenn auch nicht um jeden Preis: „Ich habe nie etwas vorgelesen, was man mir nur hingelegt hat.“

Witt wurde schon mit sieben beschattet

Trotz ihres gehobenen Status wurde sie aber, wie viele andere DDR-Bürger auch, Opfer des perfiden Abhörsystems der Stasi. Sie stand dauerhaft unter der intensiven Beobachtung des Ministeriums für Staatssicherheit und wurde überwacht und bespitzelt. Dabei wurde ihre Wohnung verwanzt und ihr Telefon abgehört.

Die systematische Kontrolle begann dabei schon, als Witt erst sieben Jahre alt war. Damals startete die Stasi ihren operativen Vorgang „Flop“. „Mit sieben Jahren, jemanden zu beschatten, finde ich pervers“, sagte der ehemalige Eiskunstläufer Jan Hoffmann in der ARD-Dokumentation.

Für den Eiskunstlauf-Star war in der DDR - wie sie oft hervorhob - trotzdem nicht alles schlecht. Im Vergleich zu vielen anderen Bürgern erhielt sie beispielsweise Vergünstigungen durch den Staat oder außergewöhnliche materielle Bevorzugung.

Witt startet nochmal für wiedervereinigtes Deutschland

Nach der Wiedervereinigung hat Witts Rolle in der DDR ihrer Karriere und Beliebtheit im geeinten Deutschland - anders als bei vielen anderen - nicht wesentlich geschadet: Auch nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere war Witt weiter eines der bekanntesten Gesichter des Landes. Sie feierte auch abseits ihrer Sportkarriere zahlreiche Erfolge als Showproduzentin, Moderatorin, Autorin und Schauspielerin.

Und auch sportlich feierte sich nochmal ein viel umjubeltes Comeback. Bei den Olympischen Spielen 1994 ging sie nach einer beispiellosen Reamateurisierung und einem großen Kampf zurück zur Top-Form noch einmal für das wiedervereinigte Deutschland an den Start.

Im Schatten der aufsehenerregenden Skandal-Rivalität der US-Amerikanerinnen Nancy Kerrigan und Tonya Harding wurde Witt in Lillehammer immerhin Siebte. Es war das endgültige Ende einer Weltkarriere.